Freiheit braucht Sicherheit, und damit verbunden auch eine einsatzfähige Bundeswehr. Dies war bereits zur Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955 eine zentrale, aber nicht unumstrittene Aussage. Heute, angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine, gewinnt dieser Gedanke in der politischen wie öffentlichen Debatte um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr wieder an Bedeutung. Doch wie kann Sicherheit, in einer Welt, geprägt von Digitalisierung und einer zunehmend entwickelten Künstlichen Intelligenz erreicht werden? Welche Fähigkeiten benötigt die Bundeswehr? Wo sind rote Linien im Einsatz von KI? Diese Fragen griff Prof. Dr. Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, in seiner Begrüßung auf und beschrieb Künstliche Intelligenz (KI) als die derzeit bedeutsamste technische Innovation. Dabei gehe es nicht mehr darum „wollen wir KI benutzen?“ – schließlich greifen wir alle im Alltag ganz selbstverständlich darauf zurück - sondern „wie wollen wir KI benutzen?“ Durch den vermehrten Einsatz von KI im militärischen Bereich stelle sich jedoch die Frage, unter welchen rechtlichen, politischen und ethischen Voraussetzungen sie verwendet werden dürfe. Besonders im Hinblick auf die Innere Führung, die sogenannte Unternehmensphilosophie der Bundeswehr, müsse angesichts dieser neuen technologischen Entwicklungen der Verantwortungsrahmen nicht nur in einer parlamentarischen Debatte diskutiert, sondern konkret für die Anwendung durch Soldatinnen und Soldaten geklärt werden – Forderungen, welche der Sammelband aufgreift.
In seiner Keynote sprach der Stellvertreter des Inspekteurs der Luftwaffe, Generalleutnant Dr. Ansgar Rieks, über vier Dimensionen, welche der Sammelband abbildet: Politik, Militär, Technik und Ethik. Für die politische Dimension sei die Rechtzeitigkeit einer ethischen Debatte bei der Betrachtung von Technik von besonderer Bedeutung.
In der militärischen Dimension führte Rieks an, dass sich die digitale Transformation der Streitkräfte stets aus der Bedrohungslage ableiten sollte. Um vor Bedrohungen von außen gewappnet zu sein, müsse auch die Bundeswehr effektiv technisiert werden, damit die Soldatinnen und Soldaten ihren Auftrag besser erfüllen könnten. Hierbei sei KI zentral, da sie beispielsweise ein detaillierteres Lagebild ermögliche, die Freund/Feind–Erkennung präzisiere und dadurch Entscheidungen schneller getroffen werden könnten. In der fortschreitenden Automatisierung und Technisierung der militärischen Sphäre stelle sich jedoch anschließend die Frage, so Rieks, wie der Mensch in diesem Umfeld weiterhin die Entscheidungshoheit behalten könne und ob dafür auch die Innere Führung verändert werden müsse.
Abschließend formulierte Dr. Ansgar Rieks noch sieben Wünsche für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz im militärischen Rahmen: (1) Um gegenüber dem Gegner im Vorteil zu sein, müsse die Verwendung von KI angestrebt werden. (2) Die politische und öffentliche Debatte solle sachkompetent auf Basis technischer Kenntnisse geführt werden. (3) Die ethische Diskussion zu KI solle gründlich aber mit einer klaren zeitlichen Begrenzung geführt werden. (4) Ethik solle eher unter christlichen als unter juristischen Gesichtspunkten betrachtet werden. (5) Es müssten ethische Kriterien auf die technische Welt angewendet werden. (6) Der Mensch solle immer Teil des Entscheidungsprozesses bleiben – aber an der richtigen Stelle. (7) Von Beginn an solle „ethics by design“ der Vorzug gegeben werden anstatt wichtige ethische Fragen erst nach Abschluss der Entwicklungsphase zu diskutieren.
Beim Themenforum über KI, deren Chancen, Risiken und das Potential sowie auch die Bedeutung für den Schutz von Soldatinnen und Soldaten diskutiert sowie aktuelle Beispiele aus der Ukraine erläutert. Vor Ort waren dabei: Airbus, Fraunhofer FKIE, Cyber Innovation Hub der Bundeswehr, Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V., Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V., Traversals, Complexium, Tucan.ai, Quantum-Systems und Flynex.
Im Anschluss diskutieren Dr. Eva Högl, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Serap Güler MdB, Mitglied im Verteidigungsausschuss, und Prof. Dr. Natascha Zowislo-Grünewald, Professorin an der Universität der Bundeswehr München unter Moderation von Amelie Stelzner-Doğan, Referentin für Bundeswehr und Gesellschaft. Kern der Debatte waren die sicherheitspolitischen und militärischen Herausforderungen im Zuge des Einsatzes moderner Technologien wie KI bei der Bundeswehr. Der Krieg in der Ukraine habe die Bedeutsamkeit der Bundeswehr wieder in das Bewusstsein der deutschen Gesellschaft gerufen. Wie nachhaltig diese sei, werde sich in künftigen parlamentarischen Entscheidungen zeigen. Diesbezüglich führte Zowislo-Grünewald an, dass die Gesellschaft auch in den vergangenen Jahrzehnten ein großes Vertrauen zur Bundeswehr genossen habe, gegenüber der nun notwendigen Stärkung der Bundeswehr jedoch deutlich viel weniger zögerlich sei als die Politik und den Weg zu einer einsatzfähigen Bundeswehr mitgehen würde, wenn die Politik diesen ernsthaft angehe. Dabei sei KI für eine einsatzfähige Bundeswehr von größter Priorität.
Güler hingegen betonte, dass die Bundeswehr zwar auch schon in der Vergangenheit eine generelle Unterstützung in der Bevölkerung erhalten habe, dies aber bis zum russischen Angriffskrieg nicht bedeutet habe, dass es eine Mehrheit für größere Investitionen und Innovationen in der Bundeswehr gegeben habe. Nun sei der Fokus auf die Landes- und Bündnisverteidigung gerichtet. So dürfe bei der aktuellen Lage jedoch nicht vergessen werden, dass die Bundeswehr auch weiterhin sich am Internationalen Krisenmanagement beteiligen soll, was deutlicher und besser kommuniziert werden müsse. Der derzeitige Auslandseinsatz der Bundeswehr in Mali sei hierfür ein passendes Beispiel, so Güler, denn die Bundeswehr müsse – neben anderen Partnern - sicherstellen, dass sie kein politisches und militärisches Vakuum in Mali hinterließe. Güler plädierte so für ein tieferes Verständnis für Friedenseinsätze.
Högl führte an, dass das Zusammenwirken der Inneren Führung und der Anwendung von KI von großer Bedeutung sei. Es benötige so viel Innere Führung in Künstlicher Intelligenz wie möglich und so viel Künstliche Intelligenz in Innerer Führung wie nötig. Die KI unterlege aber auch einem permanenten Überprüfungsprozess, der im Parlament geführt werden müsse. Fortlaufend solle über die Grenzen und Grundlagen des Einsatzes von KI diskutiert werden. Darüber hinaus müsse der militärische Einsatz von KI deutlich in die Gesellschaft kommuniziert werden. Dabei sei es besonders wichtig, den Mehrwert von KI herauszustellen, um in der Gesellschaft Verstehen und Verständnis über die Anwendung von entsprechenden Waffensystemen zu erlangen.
In seinem Schlusswort verdeutlichte Prof. Dr. Wolfgang Koch, Professor am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie, dass die Politik sowohl den gesellschaftlichen als auch den politischen Rahmen schaffen müsse, in welchem zum einen die Bundeswehr auch in Zukunft Platz findet und zum anderen die fortschreitende Technisierung im Zusammenspiel mit dem Militär eine gute Verbindung eingehen könne. Dazu brauche es eine systematische Entwicklung von ethischen Anforderungen und fachspezifischen Kriterien, um einen anwendungsorientierten und ausgewogenen Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der militärischen Sphäre zu ermöglichen. Dies müsse nun mit Mut vorangebracht werden, um die Bundeswehr für die Zukunft fit zu machen.
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