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REUTERS / Paul Lorgerie

Извештаи од земјата

Die Bundeswehr zieht nach Niger – ein neues Sicherheitsvakuum in Mali?

Deutschland will bis Mai 2024 den Bundeswehr-Einsatz in Mali beenden und stattdessen sein militärisches Engagement im Nachbarstaat Niger ausbauen, das ebenfalls mit Instabilität und Dschihadisten kämpft. Die lange Abzugszeit ist zugleich ein Angebot an Malis Militärmachthaber, sich noch einmal zu überlegen, ob sie wirklich voll auf eine Kooperation mit Russland setzen – oder sich wieder kooperativer gegenüber dem Westen zeigen. Die Regierung in Bamako hatte den Einsatz einer Blauhelm-Mission, zu der die Bundeswehr gehört, in jüngster Zeit immer mehr behindert, so dass neben Deutschland auch Großbritannien und andere Staaten die Reißleine zogen.

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На почеток

Der westafrikanische Flächenstaat Niger ist nun der neue Schwerpunkt Deutschlands und der Europäischen Union bei Militärkooperationen, um ein Übergreifen der dschihadistischen Gefahr aus Nord-Mali zumindest einzudämmen. Seit dem Abzug der Franzosen mit ihrer Anti-Terror-Operation Barkhane aus Mali hat sich die Sicherheitslage im Norden des Landes deutlich verschlechtert. Die Terrorgruppe Islamischer Staat hat in den letzten Monaten dort viel Territorium erobert– hier fehlt ganz klar der Verfolgungsdruck der Franzosen. Zehntausende Menschen aus ländlichen Regionen haben die Flucht Richtung der Stadt Gao ergriffen – wo die Bundeswehr stationiert ist – sowie in die Nachbarländer Algerien und Niger. Manche Diplomaten fürchten, Dschihadisten könnten wieder - wie schon 2012 - den Norden Malis unter ihre Kontrolle bringen.

Die Bundeswehr trainiert in Niger im Rahmen der „Operation Gazelle“ bereits seit 2018 Spezialkräfte am Standort Tillia. Im Gegensatz zu der erfolglosen EU-Ausbildungsmission EUTM in Mali gibt es bescheidene Erfolge in Niger zu verzeichnen. Dort haben Deutschland und andere EU-Staaten bewusst einen etwas robusteren Ansatz gewählt und z.B. mit den nigrischen Kräften mit scharfer Munition und im Gelände trainiert. Es wurden Lehren aus dem Einsatz in Mali gezogen, wo die EU unbedingt jedes Risiko vermeiden wollte – dort wurden Soldaten aus zusammengewürfelten Einheiten mit Holzgewehren fern von der Front ausgebildet, ohne Nachbetreuung der Soldaten. Die Bundeswehr hat in Tillia eine Akademie für nigrische Spezialkräfte aufgebaut, die im Dezember übergeben werden soll. Etwa 30 Ausbilder aus Deutschland, Italien, Belgien und den Vereinten Staaten werden aber vor Ort bleiben, um weiter auszubilden und den persönlichen Kontakt zu den nigrischen Offizieren aufrecht zu erhalten.

Die in Tillia ausgebildeten nigrischen Kräfte werden vor allem im Grenzgebiet zu Mali und Burkina Faso eingesetzt, wo sich Islamischer Staat und andere Gruppen stark ausgebreitet haben. Dort ist es auf nigrischer Seite in letzter Zeit etwas ruhiger geworden. Sorge bereitet den Nigrern und westlichen Partnern allerdings, dass Terroristen in letzter Zeit den Norden von Burkina Faso als Ruhe- und Rückzugsraum nutzen. Es gab bisher eine militärische Kooperation zwischen Niger und Burkina Faso, diese wurde aber seit dem jüngsten Putsch in Ouagadougou eingestellt – die Armee Burkina Fasos hat sich nach mehreren Angriffen von Dschihadisten aus dem Grenzgebiet offenbar zurückziehen müssen. Mit Mali gibt es auch keine gemeinsamen Militäroperationen mehr, seitdem sich die Beziehungen zwischen Bamako und Niamey deutlich verschlechtert haben. Die einst mit deutscher und französischer Hilfe unterstützte, grenzüberschreitende Eingreiftruppe (Force Conjointe) der G5 Sahel-Staaten hat die Arbeit ebenfalls eingestellt. Mali ist zudem ganz aus dem Bündnis ausgetreten.

 

Niger kämpft an verschiedenen Fronten

Niger kämpft mit Sicherheitsproblemen gleich an mehreren Fronten: Neben dem Dreiländereck mit Mali und Burkina Faso sind Dschihadisten auch im Südosten Nigers in der Region des Tschadsees sowie im nördlichen Nachbarland Libyen aktiv. Eine wachsende Kriminalität im südlich gelegenen Nigeria macht sich auf Grund grenzüberschreitendem Banditentums nun auch im Niger bemerkbar.

Die EU setzt – trotz oder gerade wegen dieser Herausforderungen - voll auf Niger und will ab 2023 eine neue Mission starten. Die EU-Außenminister wollen im Dezember Einzelheiten beschließen. Details sind noch nicht bekannt, doch die EU will dem Vernehmen nach Training an weiteren Standorten anbieten und im Rahmen der sog. European Peace Facility auch Waffen und Munition für nigrische Kräfte liefern. Hier werden die Konsequenzen aus dem EU-Einsatz in Mali gezogen, wo ein wenig realistisches Training Russland Tür und Tor geöffnet hat, um Mali die Dienste von Söldnern und Ausbildung mit scharfer Munition anzubieten. Die Erfahrungen der „Operation Gazelle“ sollen in die künftige Mission einbezogen werden – die Deutschen haben persönliche Bindungen zu den nigrischen Soldaten aufgebaut, etwa mit ihnen bei Übungen gezeltet. Deutschland finanziert auch Unterkünfte für Soldaten und ihre Familien, die sich in Tillia heimisch fühlen sollen. Die nigrische Armee war bisher kaum in der Fläche präsent, die Akademie mit den Unterkünften und ähnliche Projekte anderer EU-Partner soll dies ändern. Dies ist eine deutliche Verbesserung zur EU-Ausbildungsmission in Mali, wo die Ausbilder in der Regel nach dem Training keinen Kontakt mehr zu den Maliern hatten. 

Frankreich hat Teile seiner aus Mali abgezogenen Soldaten und schweren Waffen bereits in Niger stationiert, wo sie in Dossi und Ouallam nahe dem Dreiländereck mit Mali und Burkina Faso zusammen mit den nigrischen Kräften Dschihadisten bekämpfen. Die Aufgabenteilung ist damit wieder genauso geregelt wie vorher in Mali – die Franzosen kämpfen aktiv mit schwerem Gerät wie Hubschraubern und Jets, andere europäische Akteure legen den Schwerpunkt auf Training und Ausrüstung der nigrischen Soldaten. Neben Deutschland trainieren andere EU-Länder wie Italien sowie die Vereinigten Staaten Einheiten der Spezialkräfte an verschiedenen Standorten. Die Amerikaner unterhalten zudem eine Drohnenbasis in der nördlichen Stadt Agadez, um von dort dschihadistische Gruppen in Südlibyen zu überwachen.

Die Regierung von Präsident Mohamed Bazoum begrüßt die Kooperation mit westlichen Armeen, um die mehr als 800 Kilometer lange Grenze zu Mali in der Wüste besser kontrollieren zu können. Niger will bis 2025 die Stärke seiner Armee verdoppeln und benötigt dabei jede Hilfe, nicht nur bei der Ausbildung und Ausrüstung der künftigen Soldaten, sondern auch beim Bau von Kasernen und Militärkrankenhäusern.

 

Westliche Kooperation birgt Risiken für Niger

Die schnell wachsende westliche Militärpräsenz birgt aber auch Risiken. Niger hat zwar im Gegensatz zu anderen Sahelstaaten wie Mali und Burkina Faso eine demokratisch legitimierte Regierung, aber die staatlichen Institutionen sind fragil. Das Land kämpft mit einer rasant wachsenden Bevölkerung, die zumeist in Armut lebt. Seit der Unabhängigkeit 1960 hat es immer wieder Putsche gegeben. Die Opposition im Parlament lehnt die Stationierung insbesondere aus der früheren Kolonialmacht vehement ab. Ein Oppositionsbündnis hat bereits mehrfach zu Protesten aufgerufen, die zumeist von den Behörden verboten wurden – trotzdem bleibt die Lage angespannt.

Wie im restlichen Sahelraum gibt es ein starkes antifranzösisches Sentiment, auch angefeuert von pro-russischen Trolls, aber auch vom häufig undiplomatischen Auftreten französischer Vertreter – diese waren nach der Ankündigung des Mali-Einsatzes schnell vorgeprescht, um deren Verlegung nach Niger anzukündigen, offenbar bevor die Regierung in Niamey zugestimmt hatte. Nach einem Aufschrei der Opposition ruderten die Franzosen zurück, doch dies war ein gefundenes Fressen für pro-russische Influencer in den sozialen Medien. Frankreich steht ohnehin in Niger in der Kritik, weil ein französischer Staatskonzern seit Jahrzehnten fast den gesamten Uranbedarf Frankreichs aus dem Norden des Landes deckt. Lange Zeit bezahlte das Unternehmen nach Einschätzung von Experten sehr wenig dafür.

Viele Nigrer können sich ähnlich wie die Menschen in Mali und anderswo in der Region nicht erklären, wieso sich dschihadistische Gruppen in den letzten Jahren so stark im Sahelraum ausbreiten konnten. Staatliche Medien schüren dieses Misstrauen, indem sie gern verschweigen, dass ein Mangel an staatlichen Dienstleistungen wie Schulen außerhalb der Hauptstädte verarmte junge Männer in die Hände von Dschihadisten treibt. Den Rest erledigen russische Trolls, um Stimmung gegen den Westen zu machen.

Bazoum hat zuletzt versucht, gegenüber Frankreich etwas mehr Distanz zu zeigen. Seine Regierung kaufte von der Türkei Drohnen für die Streitkräfte, obwohl auch Paris stark für die eigenen Modelle geworben hatte. Im November besuchte zudem eine russische Delegation Niamey, um eine Militärkooperation anzubieten. Niger hat nach Angaben von Diplomaten kein Interesse an der Entsendung von Wagner-Söldnern wie in Mali, könnte aber durchaus russische Waffen kaufen. Die Lokalmedien berichteten ausführlich über den Besuch der Delegation, der sicher auch innenpolitische Gründe hatte. Bazoum kann so der Opposition zeigen, dass das Land mit allen Seiten redet – und den Franzosen signalisieren, dass sie nicht zu offensiv auftreten sollen.

 

Aktionsgebiet Golf von Guinea – Vakuum Mali

Deutschland und andere westliche Staaten, die sich jetzt aus Mali zurückziehen und sich in Niger stärker engagieren, unterstützen auch die sogenannte Accra-Initiative. Dies ist ein 2017 ins Leben gerufenes Bündnis von westafrikanischen Staaten, die gemeinsam und grenzüberschreitend Terrorismus in der Region bekämpfen wollen. Es handelt sich um die Küstenstaaten im Golf von Guinea, also Benin, Togo, Ghana und Côte d’Ivoire, die zunehmend von dschihadistischen Attacken aus dem Sahelraum betroffen sind, vor allem aus Burkina Faso, das ebenfalls Teil der Initiative ist.  Die Militärregierung in Ouagadougou ist nach einem erneuten Putsch allerdings derzeit kaum handlungsfähig und eher mit der eigenen Machtsicherung beschäftigt.

Mali war ursprünglich mit Niger als Beobachter bei der Accra-Initiative zugelassen, ist aber nicht in weiteren Überlegungen involviert. Die Regierung in Bamako, die sich 2020 an die Macht geputscht hatte, hat sich regional isoliert und seitdem mehrere diplomatische Konflikte mit Cote d’Ivoire und Niger ausgetragen. Mali setzt voll auf eine Kooperation mit Russland, die bislang allerdings keine bleibenden Erfolge gebracht hat. Im Gegenteil: Anhaltende Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen von russischen Söldnern an Zivilisten haben den Dschihadisten nach Einschätzung von Sicherheitsexperten eher neuen Zulauf beschert.

Doch ohne eine Einbindung Malis und die Kooperation der malischen Regierung wird sich der Terror allerdings nicht eindämmen lassen, da der Norden und das Zentrum des Landes dessen Epizentrum in Westafrika sind. Von hier aus expandieren die dschihadistischen Gruppen seit Jahren in die Region. Deutschland hat anders als die anderen abziehenden Nationen entschieden, noch anderthalb Jahre im Land zu bleiben. Die Bundeswehr kann daher zur Sicherung der für Februar 2024 vorgesehenen Wahlen beitragen – falls diese wie geplant stattfinden werden. Ohne Blauhelme könnten Wahllokale in Gao und anderen Orten im Norden Malis nicht öffnen.

Möglicherweise gibt es bis dahin ein Umdenken, falls sich die Beziehungen zu Russland oder die entsprechenden Rahmenbedingungen ändern würden. Zum einen könnten die Militärs und Söldner in der Ukraine gebraucht werden, zum anderen ist deren Bezahlung nach Angaben von Diplomaten nicht geklärt. Moskau macht anders als westliche Staaten nichts umsonst. Russland soll Interesse an Malis Goldvorkommen geäußert haben, aber es ist ein langwieriger Prozess, eine Mine in Betrieb zu nehmen. Die Regierung schreckte bisher zurück, einer im Land tätigen westlichen Firma die Lizenz wegzunehmen – dies hätte weitreichende Konsequenzen, sollte Mali im Ausland verklagt werden. Dennoch halten sich die Gerüchte, dass Mali dies noch tun könnte. Die Regierung hat eine Buchprüfung aller im Lande tätigen Unternehmen angekündigt, angeblich um deren Effektivität zu überprüfen – dies hat bei ausländischen Firmen die Alarmglocken schrillen lassen.

Sollte sich der Mali-Einsatz für Russland finanziell nicht auszahlen, so die Hoffnung einiger Diplomaten, könnte sich Russland wieder zurückziehen. Moskau hat in Mali ohnehin mit wenig Aufwand bereits seine geopolitischen Ziele erreicht – Frankreich und die meisten anderen westlichen Truppensteller sind abgezogen, während Partner wie Deutschland zwar noch vor Ort bleiben – allerdings mit deutlichem kleinerem Handlungsspielraum und wachsendem Sicherheitsrisiko für seine Soldaten.

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Leiterin Auslandsbüro Ghana

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