Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, hielt einen Impulsvortrag zum Thema der Veranstaltung. Bei Leistungsvergleichen zwischen den Bundesländern schneide Bremen immer wieder sehr schlecht ab. Besonders Viertklässler weisen Rückstände von bis zu einem Schuljahr auf und 40% der Grundschüler erreichten die Mindeststandards in Rechtsschreibung nicht. Die bisherige „Entschuldigung“ für diesen Zustand, Bremen habe als Stadtstaat gänzlich andere Bedingungen und sei somit nicht sinnvoll mit den Flächenländern zu vergleichen, habe aber seit einiger Zeit ausgedient, da der andere hanseatische Stadtstaat Hamburg sein Bildungssystem deutlich verbessern und ins Mittelfeld aufrücken konnte.
Des Weiteren kritisierte Meidinger, dass die bremische Regierung das Leistungsprinzip als etwas Schlechtes ansehe und die Mess- / Vergleichbarkeit von Leistungen reduziere, um mehr Gleichheit zu schaffen. Offensichtlich entferne die Aufweichung von Bemessungskriterien aber nicht die Ungleichheiten, sondern mache diese nur weniger sichtbar. Für Meidinger ist das Leistungsprinzip hingegen ein großer Fortschritt. Begonnen mit dem preußischen Abiturreglement von 1788 habe diese Entwicklung dafür gesorgt, dass weniger der Besitz oder Stand des Elternhauses zähle, sondern viel mehr die Fähigkeiten des einzelnen Schülers für dessen Erfolg maßgeblich würden. Diese Errungenschaft müsse man erhalten bzw. wiederherstellen.
Im Anschluss fand eine Podiumsdiskussion statt, an der neben Meidinger auch Torsten Klieme, Staatsrat der Senatorin für Kinder und Bildung, Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing vom Institut für Schulpädagogik der Universität Marburg, Vorsitzende des Deutschen Philologen Verbandes, und Yvonne Averwerser (CDU) teilnahmen. Die Moderation übernahm Kai Niklasch. Die Diskussion befasste sich mit der Rolle des Leistungsprinzips in der Bremer Bildungspolitik, insbesondere im Hinblick auf den Lehrermangel und die Überlastung von Lehrern sowie die steigende Zahl von Abiturienten, obwohl Bremen bei der Schulqualität Schlusslicht bleibt. Dabei wurde auch die Rolle der Digitalisierung des Schulwesens und der Bildungskultur diskutiert.
Klieme ging während der Diskussion auf Meidingers Vortrag ein und bestritt, dass die Situation von Hamburg und Bremen vergleichbar sei, da Letzteres eine deutlich andersgelagerte Sozialstruktur habe. Somit seien andere Herangehensweisen von Nöten.
Lin-Klitzing erklärte, das Ziel der Schulbildung müsse sein, die Schüler hochschulreif und reif für die Ausbildung und das Leben zu machen. Hierfür benötige man jedoch vor allem viel Zeit, welche unteranderem aufgrund der aufwendigen Zeugniserstellung – bremische Lehrer bräuchten den acht- bis zwölffachen Aufwand - fehle. Dass immer weniger Schüler die deutsche Sprache ausreichend gut beherrschten, sei ein weiteres Problem, welches die Vermittlung von Lehrinhalten erschwere. Hierbei könne sich Bremen jedoch ein Beispiel an Hamburg und Hessen nehmen. Beide Bundesländer sehen für entsprechende Fälle ein Vorschuljahr vor, um den Umgang mit dem Deutschen zu fördern.
Averwerser übte eine Generalkritik an der Bildungspolitik Bremens. Die beschriebenen Probleme seien von der Politik viel zu lange nicht angegangen worden und man habe gehofft, dass diese sich von selbst lösen würden. Die Grundzüge des heutigen Zustandes bestünden auch nicht erst seit der Migrationskrise 2015 oder aufgrund der ukrainischen Flüchtlinge, sondern bereits seit Jahrzehnten. Inzwischen habe insbesondere der Umstand einer verstärkten Personalmangellage die Lösung der Bildungsprobleme zusätzlich erschwert. Ohne eine Entlastung der Lehrkräfte könne keine Kehrtwende in der Bildung umgesetzt werden.
Am Ende der Podiumsdiskussion wurde diese für das Publikum geöffnet, welches seine Fragen an die Podiumsgäste stellen konnte.
Jan-Oliver Buhlmann, Vertreter des Wirtschaftsrates und Unternehmer, hielt die Schlussansprache. Er erklärte, dass Bildung maßgeblich über Erfolg und Misserfolg der Wirtschaft entscheide und lobte das Vorgehen Bremens bei der Digitalisierung seines Schulsystems. Gleichzeitig bemängelte er, die Fokussierung der Diskurse auf den Inhalt von Fächern wie Deutsch oder Mathe, während die „Persönlichkeitsentwicklung“ der Schulabgänger aber oft weit zurückbliebe. Zuletzt appellierte er, Beurteilungen nicht sofort als Verurteilungen zu verstehen und das Leistungsprinzip nicht mehr als Ausgrenzung wahrzunehmen. Er verabschiedete die Teilnehmer und beendete die Veranstaltung.
Insgesamt nahmen über 110 Personen an der Veranstaltung teil. Die Diskussion bot den Teilnehmern die Möglichkeit, sich mit den aktuellen Herausforderungen der Bremer Bildungspolitik auseinanderzusetzen und sich mit Experten auf diesem Gebiet auszutauschen.
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Politisches Bildungsforum Bremen
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