„Die Psychologie ist das schwierige in Europa, das erleben wir jetzt gerade auch wieder am Beispiel der griechischen Finanzkrise“, sagte der frühere Präsident des Europäischen Parlaments Hans-Gert Pöttering vor rund 100 Rechtsexperten. Neben allen Diskussionen über die rechtliche Ausstattung der Europäischen Union sei daher auch die menschliche Komponente stärker zu beachten. „Nichts ist möglich ohne die Menschen, nichts dauerhaft ohne Institutionen“, zitierte der KAS-Vorsitzende mit Jean Monnet einen der Gründerväter der Europäischen Gemeinschaft.
Den Vertrag von Lissabon bezeichnete Hans-Gert Pöttering als Ergebnis eines langen Weges, mit dem sich das Europäische Parlament endgültig sein politisches Mitbestimmungsrecht erkämpft hat. Besonders ging er auf die Aufwertung bei außenpolitischen Fragen ein.
In seinem Impulsreferat machte der Präsident der Robert-Schuman-Stiftung Jean-Dominique Giuliani deutlich, dass der Vertrag von Lissabon noch nicht die endgültige Lösung für eine Ordnung in der Europäischen Union ist. „Wir verwalten das Erbe der Gründungsväter der Europäischen Gemeinschaft, unser eigenes Erbe müssen wir aber erst noch vorbereiten“, sagte Giuliani. Dazu seien politischer Mut und mehr Koordination zwischen den Mitgliedsstaaten notwendig.
Zudem mahnte Giuliani eine gemeinsame europäische Vision an: „Wir diskutieren zu wenig über unsere Ziele und zu viel über die Instrumente, mit denen wir sie erreichen wollen.“ Als wichtige Werte in der Europäischen Union nannte er die gegenseitige Solidarität sowie die gemeinsame Verständigung auf eine Soziale Marktwirtschaft zum Wohle des Menschen.
Zum Abschluss des Vormittags-Panels nahm Prof. Torsten Stein von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken einen rechtspolitischen Kommentar zu den Impulsreferaten vor. Zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen machte Stein den Vertrauensverlust in die Europäische Union, der zunehmend selbst überzeugte Europäer erfasse und durch die allgegenwärtige Griechenlandkrise genährt werde. Der Zuspruch gehe verloren, wenn Recht nicht eingehalten werde. Der Verlust von Autorität und Respekt sei die Folge.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – alte wie neue – hätten aus politischen Eigeninteressen wiederholt gegen gesetztes Recht verstoßen oder dieses zumindest nicht richtig eingehalten, wie im Falle des Stabilitätspaktes. Die Griechenlandkrise offenbare die Notwendigkeit einer möglichst schnell umzusetzenden Reform des Währungssystems. Diese müsse Regeln für zumindest einen zeitweiligen Austritt eines Mitgliedsstaates aus der Währungsunion enthalten. Aber auch ein Ausschluss sollte möglich sein. In der anschließenden Diskussion wurden die Reichweite des Lissabon-Urteils des Bundesverfassungsgerichts und die Rolle der Bundesländer erörtert. Kontrovers war die Frage, ob die strikte Beachtung des Rechts das europäische Projekt voranbringt oder zum Scheitern führt.
Im Nachmittags-Panel führte Peter Altmaier MdB die Krise der Europäischen Union und des Gemeinschaftswährung auf einen Mangel an Führung in der EU zurück. Möglicherweise sei die europäische Integration bisher zu sehr als juristisches Problem erörtert worden und zu wenig als politische Herausforderung. Nach Altmaier werden die Schwerpunkte der Integration in den nächsten zwanzig Jahren vor allem im Bereich des Klimaschutzes und der Demokratisierung der EU liegen. Das Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen habe deutlich gemacht, dass Europa mit einer starken Stimme sprechen müsse.
Mit Blick auf die Demokratisierung zeigte sich Altmaier zuversichtlich, dass sich das Europäische Parlament sukzessive seine Rechte holen werde. Gleichzeitig forderte er eine erhöhte Berücksichtigung von Europa-Themen im Bundestag ein. Die Unions-Fraktion schlage daher eine „Europastunde“ im Parlament vor, bei der einmal im Quartal dezidiert über verschiedene Aspekte der Europapolitik diskutiert werden könne.
Thema des Impulsreferates von Professor Thomas von Danwitz war „Die Verantwortung des Europäischen Gerichtshofes für die europäische Integration“. Er machte anhand von Beispielen deutlich, dass der Vorwurf, der Europäische Gerichtshof würde jede sich bietende Möglichkeit zur Vergemeinschaftung ergreifen, nicht zutrifft. Vielmehr schütze er auch die nationalen Verfassungsidentitäten. Problematisiert wurden in der folgenden Diskussion unter anderen der vom Bundesverfassungsgericht beanspruchte Vorbehalt des letzten Wortes und die Frage, wer entscheidet, wenn es zum Konflikt kommt.
Das letzte Panel widmete sich dem Verhältnis von europäischem, internationalem und nationalem Strafrecht. In seinem Impulsreferat kam Professor Christoph J. M. Safferling zu dem Schluss, dass das deutsche Strafrecht den europäischen Wettbewerb nicht scheuen müsste, es müsse sich ihm aber auch stellen. Die Podiumsdiskussion ging unter anderen den Fragen nach, wie die gegenseitige Anerkennung in Strafsachen ermöglicht werden könnte und wie die Sicherungsverwahrung rechtsstaatlich neu geordnete werden muss.
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