„Wie kann es uns gelingen, dass NRW die erste klimaneutrale Industrieregion der Welt wird? Wie können wir Energieversorgung zuverlässig, preisgünstig und nachhaltig sicherstellen? Welche Rolle kommt dabei Wasserstoff zu?" Mit diesen Fragen leitete Simone Gerhards, die Leiterin des Regionalbüro Rheinland der Konrad-Adenauer-Stiftung, das diesjährige Dormagener Gespräch ein.
Das Expertengespräch unter der Schirmherrschaft von Hermann Gröhe MdB beschäftigte sich mit der Thematik, wie der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft maßgeblich für die „Mitgestaltung der Energiewende" sei, so der Schirmherr. Dabei lag der Schwerpunkt darauf, wie der Wirtschaftsstandort jetzt die Chancen nutzen und Veränderungen eingehen müsse.
Unter der Moderation von Prof. Jan-Philipp Büchler, dem Wirtschaftswissenschaftler und Innovations-Forscher, fanden zunächst Impulsreferate statt, um die Themenschwerpunkte und Expertisen der Referenten kennen zu lernen.
Prof. Karsten Pinkwart ist seit Juli 2020 Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung und seit Dezember 2021 im Beirat der Wasserstoff RoadMap Baden-Württembergs. Er begann seinen Impulsvortrag mit einer „Reise in die Welt des Wasserstoffs". „Wir müssen uns nach Resilienzgedanken umsehen!", erklärte der stellvertretender Bereichsleiter für Angewandte Elektrochemie am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT. „Denn bei unserem nationalen und europäischen Ziel von einer Erderwärmung von unter 2 Grad könne es nicht bleiben.“ Bereits bei einer Erderwärmung von 1.6 Grad gäbe es zum Beispiel Hamburg, Singapur und Jakarta nicht mehr. Er beantwortete seine selbst gestellte Frage darüber, was wir falsch gemacht hätten damit, dass wir „auf zu wenige und die falschen Pferde gesetzt" hätten. So steuerten wir geradezu auf einen weltweiten Mangel auf Erdöl zu.
Er machte deutlich, dass eine Analyse von und zu erneuerbaren Energien geschehen müsse, um die Fragen zu beantworten, wie wir Resilienz entwickeln und wo wir mit Wasserstoff weiterkommen können. Bei einer Wahl unserer möglichen Vertragspartner, als Beispiel nannte er Katar, müsse uns klar sein, dass wir unsere eigenen Nachhaltigkeitsziele untergraben könnten, wenn wir Verträge mit Ländern eingehen, die mehr Erdgas und Erdöl förderten. Weiterhin müssten unsere Sektoren zusammenarbeiten und örtlich unabhängig sein. Denn „was machen wir, wenn das Schiff aus den Niederlanden nicht mit dem Wasserstoff kommen kann, weil der Rhein trocken ist?", fragte Pinkwart.
Anschließend hielt Dr. Dieter Ostermann, Geschäftsführer der neoxid Group GmbH in Neuss und Vorstandsvorsitzender des Wasserstoff Hub Rhein-Kreis Neuss/Rheinland e.V., seinen Impulsvortrag. Bereits 2005 gründete er ein Startup, dass grünen Wasserstoff herstellen und verkaufen sollte. Doch der Markt habe noch 15 Jahre gebraucht, um so weit zu sein. Er zeigte an dem Beispiel eines lokalen Bäckers, der einen Wasserstoffofen bestellt hatte, wie bereits in der Gegenwart Co2-neutral und thermisch stickoxidfrei Brot gebacken werden könne. Nahtlos knüpfte er an den Wert des Wirtschaftsstandortes an, indem er über die Ziele des Wasserstoff Hub Rhein-Kreis Neuss/Rheinland e.V. aufklärte. Die „75 Mitglieder aus öffentlicher Hand, Unternehmen und der Forschung" wollen ein Expertennetzwerk sein und Ängste vor dem Wasserstoff nehmen, die in der Bevölkerung kursieren. Dieses Expertennetzwerk soll eine lokale Vernetzung in der Region, das „Hydrogen Valley" in Nordrhein-Westfalen, entstehen lassen.
Im Anschluss an die Vorträge stellte Büchler die Frage, wie junge Unternehmen in diesem noch neuen Markt Fuß fassen und Kommunen sie dabei unterstützen könnten. Ostermann erklärte, wie es 2005 für ihn und sein Start-Up war. Die Kommunen könnten helfen, indem sie das Gründen von Start-Ups spezifisch im Wasserstoff-Bereich unterstützten, denn von ihnen gäbe es so wenig in Europa, wie von Tech-Start-Ups generell allein in Düsseldorf. So wäre ein Technologie-Zentrum mit einer Wasserstoff-Infrastruktur hilfreich und Kapital müsse zur Verfügung gestellt werden.
Auf Büchlers Frage, wie Akzeptanz für Wasserstoff geschaffen werden könnte, sagte Pinkwart klar: „Zum Beispiel durch solche Veranstaltungen!" Es bestehe Aufklärungsbedarf und man müsse zeigen, dass Wasserstoff eine ganz normale chemische Substanz sei, mit der man tolle Sachen machen könne und müsse. Es sei „ein Energieträger, wie Methan, wie Benzin, wie Erdöl.“
Im Anschluss leitete Büchler die offene Diskussion ein. Ein Schüler, der die 11. Klasse des ausrichtenden Norbert-Gymnasiums besucht, fragte, ob man die Nord-Süd Energieautobahn nicht mit Wasserstoff nutzen könne. Ostermann erklärte, dass der Versuch an den Bürgern gescheitert sei, die "eine seltene Hamster-Sorte" entdeckt und geklagt hätten. Deswegen sei so wichtig, Ängste zu nehmen und zum Beispiel darüber aufzuklären, dass es bei ihm in 18 Jahren keinen Wasserstoff-Unfall gegeben habe. Eine Publikumsfrage nach politischer Komponenten beantwortete Pinkwart damit, dass die Politik sich nach der Wissenschaft richten müsse. Experten wie Linde, Thyssen Krupp und Umweltverbänden "ziehen bereits alle an einem Strang, weil es keine Alternativen zum Wasserstoff gibt." Die Rahmenbedingungen jedoch müsste die Politik schaffen. So erzählte Pinkwart, sein lokaler Energieversorger, habe ein Bild auf Twitter gepostet - "22 Aktenordner zur Genehmigung einer Windkraftanlage". Deswegen bräuchten wir lokale und regionale Player, welche den Weg ebneten, "um auch mal zu sagen: okay, wenn ich Wasserstoffzellen baue, dann gucke ich schon, dass das nach der Gesetzgebung, nach den Normen geht, aber ich hole nicht sieben Behörden an den Tisch, wo jeder ein ‘aber’ mitbringt - da wird das nichts.” Als Rückmeldung gab es von den circa 200 Teilnehmenden tosenden Applaus.
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