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Regierung Toledo vereidigt - Kampf gegen die Armut ist wichtigste Aufgabe

Am 28. Juli 2001 und damit genau 180 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung des Landes wurde Alejandro Toledo als 66. Präsident Perus vereidigt. Mit seiner Regierung und dem ebenfalls neu gewählten Kongress startet das in den vergangenen Jahren politisch stark beschädigte Andenland einen neuen demokratischen Anlauf.

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Dass Toledo sich dieser Herausforderung vor allem als Mann des Volkes und fest verwurzelt in der indianischen Traditionen Altperus stellen will, demonstrierte er eindrucksvoll in Form einer feierlichen Zeremonie in der inkaischen Ruinenstadt Machu Picchu, zu der ausschließlich die höchsten Repräsentanten des Staates und die internationalen Gäste eingeladen worden waren. Einen Tag nach der offiziellen Vereidigung in Lima legte er an dieser zentralen Stätte der nationalen Identifikation Perus nochmals den Amtseid ab und unterzeichnete überdies zusammen mit den Präsidenten aus weiteren vier Andenländern die "Erklärung von Machu Picchu". In diesem Übereinkommen - für Toledo das erste internationale Dokument in seiner Funktion als Staatspräsident - verpflichten sich die Präsidenten von Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Venezuela und Peru zur Verteidigung der Demokratie, der Menschenrechte und explizit der Rechte der indigenen Bevölkerung. Darüber hinaus bekundeten die fünf Staatspräsidenten ihren Willen zur Bildung einer Allianz im Kampf gegen die Armut: Bis zum Jahr 2015 soll in jedem Unterzeichnerstaat die Armut um 50 Prozent reduziert werden.

Kabinettsliste mit Überraschungen

Das von Toledo erst drei Tage vor der Regierungsübernahme vorgestellte Kabinett konnte durchaus mit einigen Überraschungen aufwarten. So wurde mit dem ehemaligen Justizminister Diego García Sayan nur ein einziger Minister aus der Übergangsregierung von Valentín Paniagua übernommen, allerdings in der Funktion des Außenministers. Zudem finden sich auf der Kabinettsliste die beiden Vizepräsidenten Raul Diez Canseco (Industrie) und David Waisman (Verteidigung) sowie der bekannte Journalist Fernando Rospigliosi, der das Innenministerium leiten wird.

Damit sind erstmals zwei Zivilisten mit der Leitung der im lateinamerikanischen Kontext traditionell mit hochrangigen Militärs besetzten Ressorts Verteidigung und Inneres beauftragt. Die wohl größten Hoffnungen sind mit der Ernennung des internationalen Bankers Pedro Pablo Kuczinski (kurz PPK genannt) verknüpft, der als Chef des Wirtschaftsministeriums den ökonomischen Aufschwung des Landes in die Wege leiten soll.

Höchstes Erstaunen erntete jedoch die Bestallung des Juristen und Wirtschaftsexperten Roberto Dañino zum Vorsitzenden des Ministerrats ohne eigenen Geschäftsbereich. Trotz des unbescholtenen Rufs Dañinos musste Toledo dann auch einige Kritik aus den eigenen Reihen einstecken: Politische Schwergewichte wie der Generalsekretär von Toledos Partei "Perú Posible" und neuer Gesundheitsminister Luis Solari äußerten offenbar erhebliche Bedenken gegen seine Ernennung, weil er die vergangenen Jahre über vorwiegend in den USA gelebt hatte und sein Bekanntheitsgrad in Peru daher dementsprechend gering war. Vielleicht bestand Toledos Intension aber gerade darin, mit der Berufung einer eher unbekannten Persönlichkeit in die wichtige Position des Premierministers a priori jegliche Konkurrenz aus dem eigenen Hause zu vermeiden.

Regierungserklärung mit Realitätsbezug

In seiner "Botschaft an die Nation", die der frisch vereidigte Staatspräsident am 28. Juli vor dem vollständig versammelten Kongress und unter hochrangiger internationaler Beteiligung (die Bundesregierung wurde vom Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Dr. Rudolf Seiters, vertreten) abgab, erklärte Toledo den Kampf gegen die Armut zur zentralen Aufgabe seiner Regierung und präzisierte in diesem Zusammenhang vor allem das Wirtschaftsprogramm, das sich besonders auf die Förderung der Tourismusindustrie sowie des für Peru wichtigen Segments der kleinen und mittleren Unternehmen konzentrieren wird.

Es gehe vor allem darum, die Rate der am Produktionsprozess beteiligten Arbeitskraft von derzeit nur 50 Prozent zu steigern und die Löhne insbesondere im hoffnungslos unterbezahlten öffentlichen Dienst auf ein angemessenes Niveau zu bringen. So sollen ein Kleinstkreditfonds in der Höhe von 50 Millionen US-Dollar zur Förderung von Unternehmensgründungen eingerichtet, das Tourismusaufkommen bis zum Jahr 2006 auf drei Millionen Touristen jährlich (heute knapp eine Million) gesteigert und insgesamt 400.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Zudem sollen die Ausgaben für das Erziehungswesen drastisch erhöht werden und am Ende der Legislaturperiode 30 Prozent des Staatshaushaltes umfassen!

Als weitere Zukunftsaufgaben nannte Toledo u.a. die Dezentralisierung des extrem zentralistisch organisierten Staates, eine umfassende Reform der Streitkräfte und verstärkte Anstrengungen bei der Bekämpfung des Drogenhandels. Von der breiten Öffentlichkeit wurde die Regierungserklärung überwiegend positiv aufgenommen; sogar die christdemokratische Präsidentschaftskandidatin Lourdes Flores, die ihre Hauptaufgabe jetzt in der Herausbildung einer funktionsfähigen demokratischen Oppositionskraft sieht, zollte Toledo Respekt und sprach von einer zwar sehr allgemein gehaltenen, aber auch an den ökonomischen und sozialen Realitäten orientierten Regierungserklärung. Dennoch wird Toledo nicht umhin kommen, dass man ihn schon in naher Zukunft an den ambitionierten Vorgaben messen wird.

Regierungsantritt in schwierigen Zeiten

Die politische Situation zum Zeitpunkt der Regierungsübernahme durch Alejandro Toledo kann nur bedingt als stabil oder gar als ruhig bezeichnet werden. In weiten Kreisen der Bevölkerung sind zwar das Ende der Fujimori-Montesinos-Regierung sowie die Realisierung des transparenten und demokratischen Wahlprozesses mit Freude und Genugtuung aufgenommen worden, doch bestimmen gleichzeitig Zweifel und Misstrauen gegenüber dem neuen Präsidenten, seiner Regierungsmannschaft sowie der Durchführbarkeit seines Regierungsprogramms weite Teile der öffentlichen Meinung.

Die Gründe für diese Zurückhaltung sind eng verknüpft mit der seit dem Wahlkampf 2000 (damals trat Toledo noch gegen Ex-Präsident Fujimori an) nicht abreißenden Kette von Aufdeckungen über persönliches Fehlverhalten Toledos in den letzten Jahren (u.a. ging es um Drogenmißbrauch, eine außereheliche Vaterschaft, die heimliche Neuheirat mit seiner Ex-Frau Eliane Karp im Frühjahr 2000, unklare Quellenangabe der Wahlkampffinanzierung sowie Spekulationen über deren private Verwendung).

Diese Ereignisse haben in der Mehrheit der Bevölkerung ein Bild vom neuen Präsidenten entworfen, das in erster Linie von fehlender Prinzipientreue und Unzuverlässigkeit geprägt ist. Nur die eigentliche Toledo-Anhängerschaft, die auch zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang dieses Jahres nie mehr als 35 Prozent der Wahlpflichtigen ausgemacht hat, erwies sich gegenüber den - ob nun berechtigten oder unberechtigten - Anschuldigungen als immun und wertete den Aufdeckungsjournalismus als reine Anti-Toledo-Kampagne. Die vergangenen Wochen und Monate haben jedenfalls deutlich gemacht, dass die Person Alejandro Toledos das peruanische Volk eher polarisiert denn eint.

So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass seit dem Sieg Toledos gegen den Sozialisten Alan García in den Stichwahlen um das Präsidentenamt bis zum Tag der Regierungsübernahme Streiks und Protestkundgebungen in allen Landesteilen durchgeführt worden sind. Bei den Protestierenden handelte es sich vor allem um Bürger aus den armen und ärmsten Bevölkerungsschichten, die auf die prekäre Situation in ihren Städten und Gemeinden aufmerksam machten und die Befriedigung von Grundbedürfnissen (Zugang zu sauberem Wasser, Elektrizität etc.) einforderten.

Als besonders probater Ausdruck des Protests galten stunden- und z. T. tagelange Blockaden der wichtigsten Verkehrsadern Perus, bei denen auch gewalttätige Zusammenstöße mit der Polizei in Kauf genommen oder gar provoziert wurden, da sich die Ordnungskräfte ausgesprochen zurückhaltend und deeskalierend verhielten. Es besteht kein Zweifel, dass die Streiks geplant und auch vor Ort professionell organisiert worden sind.

Die Frage nach den Organisatoren und ihren Beweggründen kann aber nur spekulativ beantwortet werden. Klar ist zumindest, dass die einzige Kraft, die einen effektiven Nutzen aus der mittelfristigen Destabilisierung der politischen Lage ziehen könnte, die politische Linke ist, denn die peruanischen Christdemokraten und Konservativen brauchen - abgesehen davon, dass ihnen jegliche Streikkultur abgeht - vor allem Zeit zur Selbstfindung und fallen damit allein theoretisch als Initiatoren aus.

Doch nicht nur die Linke, die sich möglicherweise die baldige Regierungsübernahme erhofft, gibt der Regierung Toledo höchstens ein Jahr bis zur Aufgabe. Dies Einschätzung findet sich landesweit und in allen Gesellschaftsschichten. Seine unrealistischen und wirtschaftlich nicht einlösbaren Wahlkampfversprechen, so die Kritiker, würden Toledo schon bald auch bei der eigenen Gefolgschaft, der armen Bevölkerung in den ländlichen Gebieten und im Andenhochland diskreditieren und damit zu Fall bringen.

Ein derartiges Szenario hieße jedoch, dass für die politische Zukunft Perus mit dem Schlimmsten gerechnet werden müsste. Politisches und wirtschaftliches Chaos zumindest wären vorprogrammiert. Daher gibt es - ob man nun der neuen Regierung nun Sympathien oder Antipathien entgegenbringt - in nationalem wie internationalem Interesse nur eine Alternative: eine über die gesamte Legislaturperiode hinweg dauernde und im Resultat erfolgreiche Regierung Toledo!

Renaissance der Parteien?

Mit dem Wahlprozess dieses Jahres scheint auch das von der Regierung Fujimori systematisch zerstörte traditionelle Parteiengefüge des Landes wiederaufzuleben, wenn auch mit einigen neuen Akteuren. Bereits vor den Wahlen begann sich eine gewisse Polarisierung in drei politische Grundströmungen abzuzeichnen:

  • eine durch Alan García neu vereinigte Linke unter der Führung der sozialistischen APRA (die einzige der traditionellen Parteien, die überlebt hat);
  • eine durch Toledos Bewegung/Partei "Perú Posible" repräsentierte politische Mitte,
  • und eine durch Lourdes Flores´ Kandidatur initiierte Neuformierung der christdemokratischen und christsozialen Kräfte unter dem Banner der Bewegung "Unidad Nacional".
Erstmals seit vielen Jahren hat sich hiermit die Chance auf die Herausbildung dauerhafter Parteienstrukturen eröffnet. Dieser Entstehungsprozess setzt sich aus zwei Teilaspekten zusammen: der Entwicklung der politischen Organisationen mit Bewegungscharakter hin zu wirklichen Parteien auf der einen, und die jeweilige Selbstdefinition und -positionierung dieser Bewegungen/Parteien im politischen Spektrum auf der anderen Seite.

Gerade aber die Regierungsbewegung "Perú Posible" steht in diesem Zusammenhang vor einer internen Zerreißprobe, die möglicherweise sogar die künftige Einheit der Bewegung gefährden kann. Zu unterschiedlich sind die politischen Kräfte, die sich unter dem Parteizeichen "T" (für Toledo bzw. trabajo/Arbeit) zusammengefunden haben:

Neben Vertretern der klassischen Sozialdemokratie einerseits und einem rein neoliberalen Flügel hat sich auch eine nicht zu unterschätzende christdemokratische Kraft etabliert, deren Vertreter sowohl in Lima als auch in den Provinzen vielfach die wichtigen lokalen und regionalen Parteipositionen besetzen. Die Zukunft von "Perú Posible" als gestaltende politische Kraft ist daher heute noch keineswegs gesichert. Alejandro Toledo selbst hat sich schon in Wahlkampfzeiten nicht zur Zukunft seiner Bewegung geäußert und scheint nach dem Erreichen seines politischen Traumes auch künftig kein gesteigertes Interesse an diesem Thema zu haben.

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Sebastian Grundberger

Direktor Regionalprogramm Parteiendialog und Demokratie /Länderprogramm Uruguay

sebastian.grundberger@kas.de +598 2902 0943

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