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Verdrängung statt Aufklärung

нь Dr. Helmut Reifeld

Das rasch wachsende AIDS-Problem

Auf dem G-8-Gipfel in Genua wurde am 20. Juli d. J. angekündigt, dass die Industriestaaten mindestens drei Milliarden Dollar in einen neu geschaffenen "globalen Gesundheitsfonds" einzahlen werden, der in erster Linie der AIDS Bekämpfung in den Entwicklungsländern zugute kommen soll. Hiervon könnte insbesondere auch Indien profitieren, das unter Experten als der "schlafende Riese" in der weltweiten Entwicklung von AIDS gilt. Wie groß ist der Bedarf in Indien, und welche Chancen können der internationalen Hilfe eingeräumt werden?

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эзлэх хувь

Am 7. Juli d. J. wurden in der Nähe von Lucknow, der Landeshauptstadt des Bundesstaates Uttar Pradesh, vier Vertreter von indischen Nichtregierungsorganisationen (NRO) verhaftet, die im Rahmen eines Projekts zur AIDS-Aufklärung engagiert waren. Ihnen wird vorgeworfen, obszöne Literatur (Pornographie) verbreitet, Beihilfe zu strafbaren Handlungen (Homosexualität) geleistet zu haben und konspirativ tätig gewesen zu sein. Obwohl bereits zahlreiche Hilfsorganisationen und auch die Medien auf den rein sachlichen Charakter dieser Tätigkeit hingewiesen haben, wurde gegen sie Strafanzeige erstattet. Auf der Grundlage des "Indian Penal Code" (Section 377) befinden sie sich seit nunmehr vier Wochen in Haft, da das Gesetz weder Haftverschonung noch Kaution erlaubt. Dieser Vorgang wird nur vor folgendem Hintergrund verständlich:

  • AIDS-Aufklärung findet bisher in Indien nur sehr begrenzt statt, sie ist in der Regel auf urbane Gebiete beschränkt und stößt in der Bevölkerung oft auf Verständnislosigkeit.
  • Nicht nur Maßnahmen zur Prävention, auch der Kampf gegen AIDS wird in Indien überwiegend von NROen geleistet, die überwiegend vom Ausland finanziert, aber nur sehr begrenzt von der indischen Regierung unterstützt werden.
  • Das Gefahrenbewusstsein und selbst das Wissen um die Existenz der Krankheit sind äußerst begrenzt. Das Phänomen AIDS wird weitgehend tabuisiert.
Indien hat mit rund vier Millionen Menschen bereits heute die zweit höchste Zahl an AIDS Erkrankungen weltweit. Zwar mag diese absolute Zahl im Verhältnis zur Bevölkerung noch als gering erscheinen; betroffen sind aber vor allem die jüngeren, produktiven und reproduktiven Altersgruppen. Die Steigerungsraten bei Kindern sind überproportional hoch. Experten von UNICEF haben darauf hingewiesen, dass die drastische Steigerung von Sterbefällen bei Kindern unter fünf Jahren auf AIDS zurückzuführen sei. Die Ursache hierfür wiederum ist darin zu sehen, dass die größten Dunkelziffern unter den Frauen zu suchen sind.

Die Spitze des Eisberges

Das Gefahrenbewusstsein in der Bevölkerung und das Verantwortungsbewusstsein unter den Verantwortung Tragenden sind erschreckend gering. Anders als in Südostasien wird die Immunschwäche AIDS in Südasien noch vielfach ignoriert oder bagatellisiert. Dabei gilt unter Experten Indien als der "schlafende Riese" dieser Epidemie, die dort in den kommenden zehn Jahren ähnliche Ausmaße zu erreichen droht, wie sie bereits heute in Afrika zu sehen sind. Dennoch spielen nicht nur eine große Mehrheit der Bevölkerung, sondern auch die offiziellen Stellen die Gefahr herunter. Von einigen Apologeten des Hindunationalismus wird AIDS sogar gelegentlich als ein Symptom für den Verfall des Westens dargestellt.

Aber allein schon die offiziellen Zahlen sind besorgniserregend. Demnach sterben zur Zeit pro Jahr etwa 300.000 Inder an AIDS, mindestens 500.000 werden neu infiziert. Die Gesamtzahl der HIV positiv Infizierten wird auf derzeit fünf Millionen geschätzt. In Bundesstaaten wie Karnataka, Maharashtra oder Manipur sind dies bereits mehr als zwei Prozent der Bevölkerung, in einigen Großstädten bis zu fünf Prozent. Da sich diese Zahlen in den vergangenen drei bis vier Jahren verdoppelt haben, rechnet die WHO in den kommenden zwei bis drei Jahren mit einer erneuten Verdoppelung. Und betroffen sind keineswegs nur die ärmeren Schichten, sondern alle Teile der Bevölkerung.

Was die Zahl der gemeldeten AIDS-Erkrankungen betrifft, handelt es sich bekanntermaßen lediglich um die Spitze des Eisberges. Jeder Mediziner oder sonstige Experte, der unmittelbar in diesem Bereich arbeitet, wird zugeben, dass die meisten Erkrankungen und selbst die meisten Todesfälle unerkannt bleiben. Selbst wenn in den Krankenhäusern auf dem Lande die technische Ausstattung vorhanden ist, heißt das nicht, das sie funktioniert. Und wenn sie funktioniert, bedeutet dies nicht, dass sie benutzt wird, denn der öffentliche Druck, Klarheit zu schaffen, ist minimal.

Selbst für Thailand, das über das beste medizinische Überwachungssystem in Südostasien verfügt, schätzt die WHO, dass allenfalls 30% der tatsächlichen Fälle gemeldet werden. Für Indien dürfte die Dunkelziffer noch wesentlich höher liegen, da hier zum einen die Methoden der Überwachung weder systematisch noch standardisiert sind. Zum anderen sind die bestehenden Familienstrukturen fast überall im Land noch derart rigide, dass Themen dieser Art völlig unter den Teppich gekehrt werden.

Regionale Besonderheiten

Was das bisherige Erscheinungsbild der Krankheit betrifft, gibt es in Indien erhebliche regionale Unterschiede. Als die am stärksten betroffene Region gilt demnach das Einzugsgebiet von Mumbai, das die größte Dichte an sogenannten "csw" (commercial sex workers) aufweist. Unter diesen müssen bereits bis zu 70 Prozent als HIV-positiv eingestuft werden, so dass inzwischen schon 4.2 Prozent der dortigen Bevölkerung infiziert worden sind. Unter den Großstädten stehen an zweiter und dritter Stelle jeweils die Gebiete um Chennai und Calcutta, während Delhi noch nicht wesentlich über dem Landesdurchschnitt liegt.

Unter den Bundesstaaten steht Karnataka an erster Stelle, weil es das Zentrum des LKW-Fernverkehrs ist. Insgesamt ist die Konzentration der Krankheit entlang der Fernstraßen auffallend hoch. Aufgrund der erwähnten Prostitution in und um Mumbai steht Maharashtra an zweiter Stelle. Ebenfalls sehr hohe Zahlen weisen einige Bundesstaaten im Nordosten Indiens auf, vor allem Manipur und Nagaland, jedoch aufgrund völlig anderer Ursachen. Während in der Region um Mumbai drei Viertel aller Erkrankungen auf heterosexuelle Kontakte zurückzuführen sind, resultieren im Nordosten 77 Prozent der Erkrankungen aus dem Drogenkonsum. Nirgendwo sonst in Indien ist dieses Verhältnis derart krass.

Im Unterschied hierzu scheinen die armen, aber bevölkerungsreichen Bundesstaaten im mittleren Norden (Bihar, Uttar Pradesh, Orissa und Madhya Pradesh) bisher weitgehend von der Erkrankung verschont geblieben zu sein. In diesen Bundesstaaten leben rund 400 Millionen Menschen, deren medizinische Betreuung noch weit unter dem indischen Durchschnitt liegt. Dies bedeutet, dass selbst in vielen Krankenhäusern die technischen Voraussetzungen fehlen, um AIDS überhaupt zu diagnostizieren.

Bisher sind fast sämtliche der verfügbaren Daten in Städten erhoben worden und auch der größte Teil der Hilfsgelder ist den urbanen Zentren zugute gekommen. Jedoch leben 70 Prozent der indischen Bevölkerung auf dem Lande. In keinem der oben genannten vier Bundesstaaten hat es bisher repräsentative Tests oder gesicherte Analysen gegeben. Die Vermutung auch auf Seiten der WHO, diese Gebiete könnten als weitgehend verschont gelten, muss als vage bezeichnet werden und eine Ausbreitung der Immunschwächekrankheit dort gilt unter Experten als Katastrophenvision.

Benachteiligungen für Frauen

Was eine Ausbreitung von AIDS unter der Bevölkerung insgesamt betrifft, muss für Indien mehr als wahrscheinlich für jedes andere Land die ungleiche Stellung der Frauen und deren begrenzte Mit- und Selbstbestimmung in Rechnung gestellt werden. Mädchen werden in Indien während ihrer gesamten Kindheit benachteiligt. Sie sind drei mal so häufig unterernährt wie Jungen, sie lernen nur halb so häufig lesen und schreiben und sie werden wesentlich früher als Jungen zu körperlicher Arbeit herangezogen. Hinzu kommt, dass sie ab dem Jugendlichenalter in Abhängigkeitsverhältnissen (sei es bei der Arbeit, sei es innerhalb der Kastenhierarchien oder im eigenen Sozialverband) häufig sexuell missbraucht werden.

Jedoch ist das Thema des sexuellen Missbrauchs, zu dem nur relativ wenige gesicherte Daten vorliegen, in Indien äußerst sensibel. Je weiter man in der sozialen Hierarchie nach unten schaut, um so uferloser werden die Dunkelziffern. Es wird geschätzt, dass die Hälfte aller Prostituierten in Indien minderjährig sind. Aber auch im privaten Bereich gibt es wenig Schutz. Einige Schätzungen behaupten sogar, dass in bestimmten Gebieten bis zu zwei Drittel aller Mädchen vor Eintritt in das Erwachsenenalter sexuell missbraucht werden; drei Viertel davon im eigenen häuslichen Bereich.

Das Ausmaß der Gewaltverbrechen gegen Frauen im großen und der alltäglichen Gewalt im kleinen ist erschreckend. Tendenziell nehmen die Gewalttaten gegen Frauen insbesondere in den Städten kontinuierlich zu. Sogar Justizbehörden gehen davon aus, dass in Indien etwa in jeder Sekunde ein Straftat gegen eine Frau verübt wird, eine schwere Straftat etwa alle 20 Sekunden, ein Mord alle 15 Minuten. Offiziell gilt Vergewaltigung als schwere Straftat.

Unter diesen Bedingungen machen auch soziale Faktoren Frauen anfälliger für AIDS. Im Unterschied zu Südostasien erkranken Mädchen drei mal so häufig an der Immunschwächekrankeit wie Jungen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Lebensbedingungen für Frauen, die an AIDS erkrankt sind, sehr häufig als menschenunwürdig bezeichnet werden müssen. Anders als Männer werden sie sowohl von ihrem Ehepartner als auch von dessen und der eigenen Familie verstoßen. Soziale, medizinische oder gar psychologische Auffangmöglichkeiten für diese Frauen gibt es bisher nur rudimentär. Ähnlich problematisch ist die Situation für die AIDS-Waisen vor allem dann, wenn es sich um Mädchen handelt, da Jungen sehr viel bereitwilliger von den Familien aufgenommen werden.

Defizite in der Bekämpfung

Selbst in den am stärksten betroffenen Gebieten sind die Hilfs- und Vorsorgemaßnahmen der Regierung äußerst gering. Das sehr viel kleinere Thailand zum Beispiel wendet 15 mal mehr Gelder für Vorsorge auf als Indien. Es gibt kaum Möglichkeiten einer stationären Behandlung. Selbst in der Hauptstadt Delhi mit ca. 14 Millionen Einwohnern gibt es nur ein einziges Zentrum, das auf die Betreuung von AIDS Kranken spezialisiert ist. Das Phänomen der AIDS-Waisen wird überhaupt noch nicht problematisiert.

Krankenhäuser insbesondere in abgelegenen Gebieten sind häufig gar nicht in der Lage, AIDS als Todesursache zu diagnostizieren, da ihnen die Möglichkeiten fehlen, zuverlässige Bluttests durchzuführen. Verfügen sie über die entsprechenden Möglichkeiten, unterlassen sie es oft dennoch, um die entsprechenden Kosten zu sparen. In vielen Fällen führt die geringe Immunität der Patienten dazu, dass andere Krankheiten - vor allem Tuberkulose - hinzukommen, die dann als Todesursache angegeben werden. Da 50 bis 80 Prozent der AIDS Kranken sich auch noch TB zuziehen, ist der Anteil der TB-Opfer in ländlichen Gebieten überproportional hoch.

Die einzige staatliche Organisation, die für die Bekämpfung von AIDS zuständig ist, ist die "National Aids Control Organisation" (NACO). Entsprechend häufig gerät sie in das Feuer der Kritik. Ihr wird vorgeworfen, sich fast ausschließlich mit urbanisierten Gebieten zu beschäftigen und die ländlichen völlig zu vernachlässigen. Ferner habe sie bisher keine sytematischen Erhebungsmethoden entwickelt und die Vorsorgemaßnahmen sträflich vernachlässigt. Vor allem beklagen NROen, dass die bürokratischen Hürden, um Unterstützung von NACO zu bekommen, nahezu unüberwindlich sind.

Die nachhaltigsten Hilfsabkommen im Bereich AIDS hat Indien mit den spezialisierten internationalen Organisationen und speziell aus den USA. Die WHO und UNAIDS leisten in großem Umfang technische, logistische und auch materielle Hilfe, die nicht zuletzt den unabhängigen NROen zugute kommt. Ferner gibt es spezielle Abkommen mit den USA zur medizinischen Zusammenarbeit im Bereich der AIDS-Forschung. Und es gibt eine unüberschaubare Zahl von weltweiten Hilfsprogrammen zur Gesundheitsvorsorge, für die AIDS-Aufklärung in der Regel ein Programmpunkt unter anderen ist.

Die meisten Initiativen zur AIDS-Bekämpfung in Indien selber werden demgegenüber von indischen NROen durchgeführt, die vor allem durch internationale Hilfsprogramme unterstützt werden. Diese Gruppen arbeiten zum Teil unentgeltlich und mit sehr viel Engagement. Über die internationale Hilfe hinaus, die den Löwenanteil ausmacht, bekommen diese Gruppen oft leichter Unterstützung von der indischen Industrie als von der Regierung. Aber selbst wenn die international zur Verfügung gestellten Hilfsgelder optimal genutzt werden, so schätzen die unmittelbar mit den Problemen konfrontierten Experten, wird sich die Zahl der Infizierten in den kommenden vier Jahren verdoppeln. Sollten die offiziellen Stellen so passiv bleiben wie bisher, wird sie sich verdreifachen. Würden sich allerdings die bisher nur vermuteten Dunkelziffern drastisch bestätigen, können es schon im Jahre 2005 sogar fünf bis sechs mal so viele sein wie heute.

Von den Vertretern der NROen wird immer wieder darauf hingewiesen, dass - zum Beispiel im Vergleich zu den Ländern Südostasiens - das Wissen in der Bevölkerung über die Gefahren von AIDS erschreckend gering ist. Dabei ist der Grad der Aufklärung im Süden Indiens wesentlich höher als im Norden und ebenso in Städten höher als auf dem Land. In den beiden südlichen Bundesstaaten Tamil Nadu und Kerala sowie in den Metropolen wissen zwischen 50 und 75 Prozent der Menschen, wie sie sich vor einer Infektion schützen können. In den ländlichen Gebieten Westbengalens wissen dies (laut WHO) nur 13 Prozent. Die gleiche regionale Diskrepanz findet sich bei der Frage nach dem außerehelichen Geschlechtsverkehr und der damit zusammenhängenden Verwendung von Kondomen. Während im Süden 4,2 Prozent der Bevölkerung "nicht-reguläre Partnerbeziehungen" zugeben, sind es im ländlichen Westbengalen nur 0,7 Prozent. Während dabei in Tamil Nadu 77 Prozent ein Kondom benutzen, sind es in fast allen ländlichen Gebieten Nordindiens unter zehn Prozent.

Konsequenzen und Perspektiven

Insgesamt sind das verfügbare Datenmaterial immer noch zu vage und die bisher entwickelten Erhebungsmethoden zu begrenzt, um ein authentisches Bild der Entwicklung von AIDS in Indien zu zeichnen. Dennoch empfehlen die Experten der WHO und der Weltbank Indien dringend, insbesondere die Zuständigkeitsstrukturen zu straffen. Die chronisch schwerfällige und ineffiziente Bürokratie des Landes muss sich nicht nur bei jeder Katastrophe immer wieder neu internationale Schelte anhören, sie hat sich insbesondere im Bereich der AIDS-Bekämpfung als besonders unfähig erwiesen, in irgendeiner Form präventiv tätig zu werden.

Auch von vielen indischen Hilfsorganisationen und -gruppen wird deshalb gefordert, die AIDS-Bekämpfung zur "Chefsache" zu erklären und sie direkt dem Premierminister zu unterstellen. Analog müssten die Programme in den Ländern direkt in der Verantwortung der Ministerpräsidenten liegen. Erste Initiativen in diese Richtung wurden im Bundesstaat Andhra Pradesh, der ebenfalls zu den überdurchschnittlich betroffenen zählt, bereits umgesetzt.

Als weitere Maßnahmen müssten viele der seit langem anstehenden Reformen im allgemei nen Gesundheitswesen beschleunigt umgesetzt werden. Ohne mehr Hygiene in den Krankenhäusern, mehr Sicherheit bei Bluttransfusionen und verbesserte Gesundheitsaufklärung steht es schlecht um die Chancen für AIDS-Bekämpfung.

Einer der wichtigsten Schritte dürfte jedoch sein, das Thema auch auf der politischen Ebene zu enttabuisieren, zumal die jährlichen Verluste für die Volkswirtschaft des Landes schon jetzt auf 9 Milliarden US-Dollar geschätzt werden. Aber auch in der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt scheinen den Politikern die Wählerstimmen näher zu sein als die Meinung von Experten. Die meisten Politiker (aus allen Parteien) versuchen, AIDS als ein isoliertes Problem zu behandeln und den Eindruck erzeugen, dieses Problem ließe sich durch subventionierte Kondome in Grenzen halten. Ferner kritisieren sie sehr gern, dass die internationalen Hilfsgelder zu schnell und zu unkontrolliert ausgegeben würden.

Die Hauptursache für die eingangs erwähnten Verhaftungen in Lucknow ist darin zu sehen, dass die meisten Menschen (und vor allem auch die Behörden) sehr leicht verunsichert sind, wenn das Thema Sexualität überhaupt zur Sprache kommt. Es wird daher unumgänglich sein, mehr Problembewusstsein zu schaffen, und zwar schon in den Schulen, aber auch in den Universitäten und den Behörden, in Gefängnissen und selbst im Gesundheitswesen. Vor allem aber unter den "csw".

Eine der größten Schwierigkeiten ist dabei nach wie vor, das Thema insgesamt zu enttabuisieren. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Indien deutlich sowohl von Afrika als auch von Südostasien. Es ist deshalb zweifelhaft, ob sich die Erfolgsmodelle aus Thailand ("100% condom use") in absehbarer Zeit auf Indien übertragen lassen. Statt dessen müssen mehr Kräfte für die Aufklärung im Land selber und sogar spezifisch in den jeweiligen Regionen mobilisiert werden, von denen ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit verlangt werden, spezifische Zugangswege zu finden, um alle Teile der Bevölkerung zu erreichen. Unabhängig davon, dass die Zeit drängt, sollten jedoch die Aussichten, die bestehenden Tabus rasch aufzulösen, nicht zu optimistisch eingeschätzt werden.

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