„Es ist an der Zeit für uns und für mich, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben uns auf diese Herausforderung vorbereitet. Wir sind uns ihrer bewusst und nehmen sie mit großer Zuversicht an“.
Schnörkellos und direkt war die Antrittsrede[i] des neuen Präsidenten Uruguays, Luis Lacalle Pou, am 1. März vor beiden Kammern des nationalen Parlamentes in Montevideo. Die Botschaft war eindeutig. Hier kommt ein Mann mit einem klaren Plan für sein Land, der vom ersten Moment an die Zügel fest in der Hand hält. Mit mitunter bebender Stimme appellierte Lacalle Pou an die republikanische Tradition seines Landes, den Dialog mit allen Parteien aber auch an die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen, um sein Land für die Moderne zu rüsten.
Der Amtsantritt des neuen uruguayischen Präsidenten am 1. März 2020 war nicht nur ein beeindruckendes Spektakel, sondern eine politische Zeitenwende. Nach 15 Jahren Regierung durch die „Frente Amplio“, welche liberal-progressive bis links-orthodoxe Kräfte, vereint, führen Luis Lacalle Pou und Beatriz Argimón, die erste Frau im zweithöchsten Staatsamt überhaupt, eine bürgerliche Koalitionsregierung an.
Nach seiner Vereidigung im Parlament erhielt Lacalle Pou auf der Plaza de Independencia im Herzen der Hauptstadt aus den Händen seines Amtsvorgängers Tabaré Vázquez und unter dem Jubel seiner zahlreich erschienen Anhänger die präsidiale Schärpe überreicht. Auf dem Weg vom Parlament in die Altstadt wurden Lacalle Pou und Argimón von über 4000 Reitern aus dem Inland eskortiert. Diese einmalige Geste erinnerte nicht nur an die für das Nationalgefühl so wichtige Tradition der Gauchos, sondern machte auch deutlich, wem der Präsident zu einem wichtigen Teil seinen knappen Wahlerfolg am 24. November 2019[ii] zu verdanken hatte – dem uruguayischen Hinterland, welches sich von der scheidenden Regierung vielfach vernachlässigt gefühlt hatte.
Politik in die Wiege gelegt
Politischer Erfolg ist alles andere als eine Neuheit in der Familie des promovierten Juristen Lacalle Pou, dem mit 46 Jahren jüngsten Präsident Uruguays seit Ende der Diktatur 1985. Der grüne Ford Oldtimer (Baujahr 1937), der den neuen Präsidenten zu seiner Amtseinführung transportierte, hatte den gleichen Dienst im Jahr 1990 bereits seinem Vater, Ex-Präsident Luis Alberto Lacalle Herrera, geleistet. Erster Benutzer des Wagens war jedoch Luis Alberto de Herrera, Großvater des heutigen Präsidenten und zweifacher Kandidat für das höchste Staatsamt in den 1920er Jahren.
Bei aller Tradition präsentierte sich Lacalle Pou im Wahlkampf dynamisch und modern, was sich unter anderem in einem sehr professionellen Social-Media-Auftritt wiederspiegelte. Der passionierte Surfer trägt schulterlanges Haar und verzichtet gerne auf die Krawatte. Lacalle Pou gilt als guter Kommunikator und Brückenbauer. So gelang es ihm, die verschiedenen, in der Vergangenheit oft heftig zerstrittenen Fraktionen seiner 1838 gegründeten Traditionspartei „Partido Nacional“ hinter sich zu vereinen. Die Bilder, wie Lacalle bei der Amtseinführung nicht nur alle Minister, sondern auch politische Gegner und mehrere Zuschauer am Straßenrand herzlich umarmte, sagen viel über den Stil des neuen Präsidenten aus. Gleichzeitig scheut Lacalle Pou, wenn nötig, jedoch auch nicht die politische Konfrontation mit offenem Visier. Beide Facetten wurden in seiner Antrittsrede deutlich. Einerseits betonte der neue Staatschef, dass er keine Regierung der „anderen Hälfte“ als während der letzten 15 Jahren anführen wolle. Anderseits machte er aber auch klar: „Wir wollen fortsetzen, was gut gemacht wurde, besser machen, was schlecht gemacht wurde und vor allem umsetzen, was man in den vergangenen Jahren nicht umsetzen konnte oder wollte“.
Heterogene Koalition
Seine Fähigkeiten als Brückenbauer wird Lacalle Pou insbesondere zum Zusammenhalt seiner heterogenen und nicht unproblematischen Koalition benötigen. Das von ihm kommunikativ geschickt „Vielfarbenkoalition“ getaufte Bündnis umfasst ein weites ideologisches Spektrum von linksliberal über bürgerlich bis hin zu traditionell-konservativ und (rechts-)populistisch.
Neu in der uruguayischen Geschichte ist dabei der Zusammenschluss der beiden Traditionsparteien und historischen Antagonisten Partido Nacional (PN) und Partido Colorado (PC). Ein auf Kompetenz und Kooperation ausgerichteter Wahlkampf und insbesondere der gemeinsame Gegner Frente Amplio hatte jedoch eine Überwindung dieses Antagonismus ermöglicht. Komplizierter wird die Zusammenarbeit mit dem dritten großen Koalitionspartner, der erst im letzten Jahr gegründeten Bewegung „Cabildo Abierto“ (CA) des Ex-Generals Guido Manini. Mit einem strikten Law-and-order-Wahlkampf und populistisch-militaristischen Untertönen konnte CA bei den Parlamentswahlen im Oktober 2019 aus dem Stand fast 11,5 Prozent der Stimmen gewinnen, eine politische Sensation im sehr festgefahrenen Parteiensystem Uruguays. Auch wenn Lacalle Pous in den letzten Jahren zunehmend in die politische Mitte gerückte PN mit 30 von 99 Abgeordneten und zehn von 30 Senatoren die bei weitem stärkste Kraft der Koalition ist, benötigt Lacalle jedoch nicht nur die Stimmen der PC (13 Abgeordnete und vier Senatoren) sondern insbesondere auch von CA (elf Abgeordnete und drei Senatoren) zum Erreichen einer parlamentarischen Mehrheit. Zwei Kleinparteien mit je einem Abgeordneten komplettieren das Regierungsbündnis.
Sicherheit, Wirtschaft, Bildung
Entsprechend der Schwerpunkte seines Wahlkampfes machte Lacalle in seiner Amtsantrittsrede deutlich, wo für ihn die größten Reformbaustellen liegen – bei der inneren Sicherheit, der Ankurbelung der Wirtschaft und einer Verbesserung des Bildungssystems.
Das Thema Sicherheit hatte den Wahlkampf wie kein anderes dominiert und wird von vielen Experten als entscheidender Faktor des Wahlsieges Lacalle Pous angeführt. Hintergrund ist die dramatisch verschlechterte Sicherheitslage im Land. So stieg die Zahl der Raubüberfälle nach offiziellen Statistiken allein in den letzten fünf Jahren um 53 Prozent und die der Morde um 46 Prozent. Besorgniserregend ist dabei, dass die Hälfte der Morde in Folge von Bandenkriminalität und Drogenschmuggel geschahen. Besonders betroffen waren die ärmeren Außenbezirke der Hauptstadt, wo sich die sozial schwächere Bevölkerung in ihren Erwartungen an den dort traditionell starken Frente Amplio enttäuscht sah. Verbrechensbekämpfung war eines der zentralen Wahlversprechen von Tabaré Vazquéz 2014 gewesen. Bei der Ansprache dieses Problemfeldes war Lacalle Pou im Wahlkampf so erfolgreich, dass selbst Anhänger der Frente Amplio hier positive Erwartungen an die neue Regierung haben.[iii] Die Entscheidung des neuen Präsidenten, seinen hoch angesehenen und sicherheitspolitisch profilierten ehemaligen innerparteilichen Konkurrenten Jorge Larrañaga zum Innenminister zu machen, kann als strategisch geschickter Schachzug gewertet werden.
Ferner hat Uruguay Strukturreformen zur Reduzierung des Staatsdefizits und einen Plan zur Haushaltskonsolidierung nötig. Im Jahr 2019 betrug die Neuverschuldung laut offiziellen Angaben 4,6 % und lag damit weit über der laut europäischem Stabilitäts- und Wachstumspakt zulässigen Obergrenze von 3 %. Seit 2014 stieg die Schuldenquote Uruguays von 61 auf 71 % des BIP. Die Inflationsrate lag in den letzten Jahren konstant hoch um die 7,5 %. Darüber hinaus schwächelt der uruguayische Arbeitsmarkt. 2019 lag die Arbeitslosenquote bei 8,9 %, was dem schlechtesten Wert seit zwölf Jahren entspricht. Darunter leidet vor allem die junge Bevölkerung: Die Jugendarbeitslosigkeit (unter 24-jährige) liegt bei 27,7 %.
Die Herausforderungen für Azucena Arbeleche, einer von nur zwei Frauen im vierzehnköpfigen Kabinett Lacalle Pous, als neue Wirtschafts- und Finanzministerin, sind dementsprechend groß. Im Bereich der Haushaltskonsolidierung, und der Verbesserung des Investitionsklimas für ausländische Unternehmen dürfte ein Konsens in der Koalition möglich sein. Das Versprechen, bei der Haushaltskonsolidierung auf Steuererhöhungen zu verzichten, wird den Spielraum dabei jedoch geringhalten. Die angekündigte Liberalisierung des Energiesektors sowie Arbeitsmarktreformen dürften auf deutlichen Widerstand der in Uruguay sehr starken Gewerkschaften stoßen.
Schließlich hat Lacalle Pou die Reform des Bildungswesens zu einer seiner Prioritäten erklärt und aufgrund der hohen Schulabbrecherquote und der schlechten Studierfähigkeit gar einen Bildungsnotstand ausgerufen. In der PISA-Studie schnitt Uruguay im internationalen Vergleich zuletzt enttäuschend ab und hat in dieser Erhebung während der letzten 15 Jahre keine Fortschritte gemacht. Die angewachsenen Bildungsausgaben (von 2,5 Prozent des BIP 2004 auf 4,9 Prozent 2017) haben kaum zu besseren Ergebnissen, sondern zu mehr Personaleinstellungen und höheren Gehältern geführt. Bislang sind alle Versuche, das Bildungssystem grundlegend zu reformieren, gescheitert. Die mächtige Lehrergewerkschaft ADES hat bereits zu Streiks aufgerufen, ohne dass Details zur angestrebten Bildungsreform breit diskutiert wurden.
Neue Töne in der Außenpolitik
Einen klaren Kurswechsel im Vergleich zu den letzten 15 Jahren erwartet Uruguay insbesondere auch in der Außenpolitik. Unter den Frente Amplio-Regierung beinhaltete diese im Verhältnis zu den linksautoritären Regimes der „bolivarischen“ Achse wie Kuba, Venezuela und Nicaragua eine neutrale bis offen unterstützende Einstellung. Die klare Abgrenzung von dieser Politik war eines der ersten klaren Signale Lacalle Pous. Der neue Präsident machte deutlich, keine Vertreter von „Diktaturen“ bei seiner Amtseinführung begrüßen zu wollen. In Havanna, Caracas und Managua erwartete man somit erfolglos eine entsprechende Einladung.
Ein wichtiges Signal in der Antrittsrede Lacalle Pous war weiterhin die Forderung nach einem schnellen Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen dem regionalen Integrationsmechanismus Mercosur und der Europäischen Union. Uruguay wolle sich zudem für eine Flexibilisierung der Handlungsspielräume der Mitgliedsstaaten innerhalb des Mercosur einsetzen, versprach der neue Präsident.
Demokratisches Vorbild
Trotz aller Herausforderungen zeigte die Amtseinführung des neuen Präsidenten einmal mehr eindrucksvoll, wie sehr Demokratie und das Streben nach Einheit Teil der politischen Kultur Uruguays sind. Es waren dabei insbesondere die vielen kleinen Gesten, wie der demonstrative gegenseitige Applaus zwischen Lacalle Pou und seinem Amtsvorgänger Tabaré Vázquez bei der Amtsübergabe, welche diesem Tag eine große Würde verliehen. In Uruguay, so die Botschaft, beginnt ein neuer politischer Abschnitt, der sich trotz allem Wandel unzweifelhaft und harmonisch in die lange demokratische Tradition des Landes einreiht. Die Tatsache, dass eine der ältesten Traditionsparteien Lateinamerikas die neue Regierung anführt ist ein Sonderfall auf einem Kontinent, der sich vor allem durch das Auflösen traditioneller Parteistrukturen und durch einen dramatischen Ansehensverlust der demokratischen Institutionen charakterisiert. Es liegt nun an Luis Lacalle Pou, das Land auf diesem erfolgreichen Weg fortzuführen. Die Botschaften bei seiner Amtseinführung waren in dieser Hinsicht ein vielversprechender Anfang.
Anmerkungen
[i] Die komplette Rede findet sich unter https://www.presidencia.gub.uy/comunicacion/comunicacionnoticias/lacalle-pou-discurso-completo-asamblea-general.
[ii] Eine Wahlanalyse findet sich im Länderbericht der KAS Uruguay: „Stabilitätsanker im Treibsand“ vom Dezember 2019. Abzurufen unter https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/uruguay-stabilitaetsanker-im-treibsand.
[iii] Rafael Porzcanski, Director de opinión pública de opción consultores, im Interview mit El Observador, 20.02.2020.
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