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Ist Chinas Weg zur Weltmacht unaufhaltbar?

нь Sarah Ullmann, Paul Tresp

Wie China Einfluss in Europa, Afrika und Südamerika ausübt

Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass China weltweit zur Nummer 1 aufsteigen will. Wie China dabei vorgeht, welche Rolle dabei die „Soft“ und „Hard Power“ spielen und welchen Einfluss dies auf die Länder in Europa, Afrika und Südamerika hat, haben wir in unserer Abendveranstaltung am 06.Mai gemeinsam mit vier Experten diskutiert. Eingeladen waren Vladimir Shopov, Gastreferent des European Council on Foreign Relations, Sebastian Grundberger, Leiter des Regionalprogramms Parteiendialog und Demokratie in Lateinamerika, Christoph Plate, Leiter des Medienprogramms Subsahara-Afrika und David Merkle, China-Referent der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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Die Teilnehmerzahl von 220 zeigte, wie groß das Interesse an dem Thema des Abends war.
In der Veranstaltung ging es darum, wie die liberalen Demokratien auf das Vorgehen Chinas reagieren sollten. Auf die eingangs gestellt Frage, was China unter „der Kunst, Freunde zu gewinnen“ verstehe, antwortete Sebastian Grundberger, dass es bei den Chinesen ein grundsätzlich anderes Verständnis von Freundschaft gebe, als das bei uns der Fall sei. China benutze die „Kunst, Freunde zu gewinnen“ in einem strategischen Kontext. Dabei handle es sich nicht um platonische Freundschaft, sondern um hilfreiche und nützliche Freundschaften. In Lateinamerika gewönne China neue Freunde u.a. durch konkretes Targeting oder durch konkrete Parteidiplomatie. Letzen Endes werde aber die Freundschaft von den Chinesen als Mittel zum Zweck genutzt.

Anschließend übernahm Christoph Plate, der aus Südafrika zugeschaltet war, das Wort. Er berichtete nicht nur davon, dass China bereits seit einer langen Zeit auf dem afrikanischen Kontinent präsent sei, sondern nun auch eine immer stärkere Medienpräsenz zeige. Deutlich werde die u.a. durch das verstärkte Angebot von Stipendien oder auch durch chinesische Investitionen im Mobilfunkbereich. Plate vermutet eine Strategie hinter Chinas Vorhaben: die Chinesen versuchen ihr Narrativ in den Vordergrund zu stellen und auf diese Weise den Zuspruch der Afrikaner zu gewinnen. Dies wiederum ermögliche den chinesischen Investoren den liberalen Markt in Afrika für ihre Strategie, Freund zu gewinnen, zu nutzen.

Vladimir Shopov, der live aus Bulgarien seine Eindrücke schilderte, berichtete über seine Studie, in der er den Fokus auf den Medieneinfluss Chinas in Südosteuropa untersucht hatte. Chinas Gegenwart werde immer allumfassender: Chinas Präsenz beeinflusst bereits nicht mehr nur die politische Meinungsbildung, sondern es sei auch eine immer stärkere werdende Präsenz Chinas in den Medien und in der Zivilgesellschaft zu spüren. Mit seiner traditionellen Herangehensweise gelänge es China, Kontakte zu Nichtregierungsorganisationen zu knüpfen und eine durchgehend positive Nachrichtenberichterstattung über das asiatische Land. Sehr besorgniserregend sei aber, dass die Chinesen Medien bzw. Anteile von Medienhäusern kauften. In seinen Augen verdeutliche dies nochmal das wachsende Engagement Chinas.

In Lateinamerika dagegen sucht China vor allem den Kontakt zu Parteien. Warum knüpft China aber keine Kontakte zu den lateinamerikanischen Regierungen selbst? Zunächst einmal gebe es keine systematischen Erhebungen darüber, wie China auf Parteien zugehe. Dass dies aber geschehe, stehe außer Frage und beweise auch das jüngste Beispiel in Uruguay. Die kommunistische Partei Chinas kontaktierte sämtlich Parteien, u.a. um einem Aufruf zur weltweiten Solidarität zu unterschreiben. Obwohl vielen Parteien gar nicht bewusst war, was genau sie unterzeichneten, lieferten viele ihre Unterschrift unter diesen Brief, so Grundberger. Erklären könnte man sich dieses Verhalten mit dem Informationsdefizit in Lateinamerika: China wird noch immer als weit entfernt und exotisch wahrgenommen. Dies erleichtere es der chinesischen Regierung, ihre Thesen in der lateinamerikanischen Öffentlichkeit zu platzieren. Problematisch sei allerdings, dass das politische Leben bzw. das Leben von Parteien in Lateinamerika recht kurzlebig sei, so Grundberger. Das bedeute, dass sobald ein Abkommen mit China geschlossen werde, meist die Nachfolger die Konsequenzen des Vertrages zu tragen hätte. Außerdem versuche China durch Stipendienprogramme junge Leute in ihr Land zu locken, mit dem Ziel, dass diese nach ihrer Rückkehr nach Lateinamerika positiv über ihre Erfahrungen in China sprechen würden. Grundberger berichtet weiter, dass es auch Austauschforen gebe, wo sich die chinesische Partei mit den südamerikanischen Parteien austausche.

Im Anschluss wurde eine Frage aus dem Chat aufgegriffen: Weshalb hat dieses anti-imperialistische Narrativ in Südamerika Erfolg, während es in Afrika weniger der Fall zu sein scheint? Tritt China in Afrika evtl. anderes auf, z.B. hinsichtlich der Beschäftigung Einheimischer? Hierzu sagte Grundberger, dass die Bevölkerung sehr viel weniger prochinesisch eingestellt sei, als ihre Regierungen. China sei nicht einfach im öffentlichen Bewusstsein, dennoch bemühen sich die Chinesen um ein positives Auftreten in der Öffentlichkeit. Christoph Plate fügte hinzu, dass China die Kunst beherrsche, für politische und soziale Zustände die passende Sprache zu finden. So verdeutlichte er nochmals, dass es in Afrika 42 verschiedene Länder mit unterschiedlichen Systemen und Vorgehensweisen gebe und China dies ausnutze, indem es Einfluss auf lokale Ereignisse und Parteien nehme.

Zudem wurde nochmal erwähnt, dass wir in Deutschland mittlerweile einen sehr kritischen Austausch über China haben und es auch viele Ungereimtheiten gebe. China ziehe daraus seine Konsequenzen: So würden beispielsweise kritische Berichterstatter überhaupt nicht mehr ins Land gelassen, wodurch sich teilweise die Beziehungen sogar noch verschlechtern.

Eine weitere Frage aus dem Chat folgte: Dienen deutsch-chinesischen Städtepartnerschaften der Freundschaft oder eher der Beeinflussung, um bei uns ein positives China-Bild zu erzeugen oder die systematische Unterdrückung der Uiguren, ins ein chinafreundliche Licht zu rücken? David Merkle sagte, es gebe ungefähr 120 Kommunen und Städte, die eine Partnerschaft mit China praktizierten. Dabei sei es ihm wichtig anzumerken, dass all diese Partnerschaften über eine zentrale staatliche Stelle liefen, die auch sehr eng mit der kommunistischen Partei Chinas verbunden sei. Von chinesischer Seite gebe es daher ein sehr großes Budget, um diese Partnerschaften zu pflegen, es werde darauf geachtet, dass den ausländischen Gästen kulturell und bildungstechnisch viel geboten werde. Von deutscher Seite sieht es dagegen ein wenig anders aus. Hier sei das Budget häufig begrenzt. So sei es sehr schwer einzuschätzen, welche Absichten China mit diesen Partnerschaften hege.

Ein weiterer Teilnehmer fragte im Chat, welche Möglichkeiten deutsche Unternehmen und die Politik in Deutschland und in der EU hätten, um sich dem hegemonialen Einfluss Chinas zu entziehen? Shopov stellte zunächst dar, dass eine etwas andere Lage in Südosteuropa bzw. im Balkan vorherrsche: Großunternehmen seien nicht so exportorientiert wie bspw. in Deutschland, wodurch die Beziehungen zu China nicht so relevant für sie sind. Obwohl sich viele Unternehmen im Westbalkan der Asymmetrie mit China bewusst seien, vertrauten sie den chinesischen Versprechen, das sie für die Firmen des Westbalkan meist große Investitionen bedeuteten. Shopov wiederholte nachdrücklich, dass es wichtig sei, Aufklärung über die Funktionsweise der chinesischen Wirtschaft zu betreiben. Denn die chinesische Regierung versuche u.a. das eigene System und die eigene Wirtschaft als Maßstab anzupreisen. Problematisch dabei sei, dass das Wirtschaftssystem in China sehr intransparent sei. Es gäbe nur eine kleine Gruppe von der Regierung nahestehenden Unternehmen, die tatsächlich von der chinesischen Wirtschaft profitieren.

Dann ging Shopov ebenfalls nochmal auf die Städtepartnerschaften ein. Er schilderte, dass Städtepartnerschaften besonders sichtbar in föderalistischen Staaten seien. Im Balkan, insbesondere in Bosnien trete dieses Phänomen auch vermehrt auf. China hätte sich umorientiert und arbeite nicht mehr auf der nationalen, sondern auf der subnationalen Ebene, um die Regierung der Staaten zu umgehen. Es gäbe Regionen, Städte und Kommunen, die sich benachteiligt fühlten und China ziehe daraus seinen Nutzen: es finde schnell wohlwollende Partner und habe die Möglichkeit seine Ideen oder auch seine Ideologie durchzusetzen.

Vladimir Shopov kritisierte, dass nicht nur in Lateinamerika, sondern eben auch in Teilen in der EU immer noch kein richtiges Verständnis der chinesischen Wirtschaft vorherrsche. China sei keine Privatwirtschaft, denn alles werde politisch gesteuert bzw. ist stark mit der chinesischen Regierung verbunden. Chinesische Unternehmen handelten nicht nach wirtschaftlichem Interesse, sondern nach dem Interesse der Regierung Chinas. Genauso sei die politische Partei in dem Sinne keine Partei wie wir sie in Europa kennen. Es wäre an der Zeit, dringend mit unseren Wertepartnern über China zu sprechen um darauf hinzuweisen, wie China eigentlich agiert.

Problematisch sei, wie gut sich China in den ausländischen Medien präsentiere. Das beste Beispiel dafür sei die teilweise erfolgreiche „Maskendiplomatie“ Chinas im Jahre 2020. Die europäischen Staaten leisteten, besonders seit der Corona-Pandemie, soviel wie niemand sonst in Afrika. Dennoch seien die sozialen Netzwerke mit Bildern und Beiträgen voll über chinesische Botschafter oder Firmen, die unter großem Jubel Beatmungsgeräte oder Masken ausliefern. Nach Shopov müsse die EU offensiver auftreten und die eigenen Leistungen aufzeigen, und das nicht nur in Afrika, sondern auf der ganzen Welt.

David Merkle stimmte diesem ebenfalls zu seiner Meinung nach muss der Wertediskurs offener und mit mehr Transparenz ausgetragen werden. Wir müssten uns festlegen, welche Rahmenbedingungen wir im Umgang mit China setzen wollten und könnten. Ein Warnsignal sollte für uns sein, dass beispielsweise zurzeit keine Publikationen in den dortigen Auslandsbüros veröffentlicht werden dürfen. Außerdem forderte er eine stärkere Regulation des kulturellen und medialen Bereiches, aber auch bei den akademischen Partnerschaften.

Die letzte, sehr ausführliche Frage aus dem Chat lautete: Sehen wir das ganze Thema nicht sehr einseitig, aus westlicher Sicht geprägt? Warum soll man den Weg Chinas aufhalten? Verwehren wir China nicht das, was der Westen für sich ganz normal empfindet: die positive Darstellung des eigenen Systems? Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass China in den letzten 2000 Jahren 1800 Jahre die Weltwirtschaftsmacht Nummer 1 gewesen ist und in den letzten 50 Jahren der "Westen" aber mehr menschliches Leid in der Welt verursacht habe als China. Der erneute Aufstieg Chinas zur Nummer 1 erfolge heute eben nur durch wirtschaftliche Aktivitäten.

Grundberger stellt fest, dass wir unsere universellen Werte, wie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verlieren würden, wenn wir China nicht entgegenträten und unsere demokratischen Abwehrkräfte dadurch stärken würden. Plate ergänzte, dass die Chinesen dem Diskurs auswichen, Kritik werde von ihnen nicht aufgenommen, sondern perle vielmehr ab. Dabei verwies er nochmals auf die Situation in Afrika, wo es auch eine gewisse Resilienz gebe. Das Bewusstsein in Afrika für das chinesische Verhalten sei da, man sei allerdings der Meinung, dass man, „den Chinesen nicht die Tür vor der Nase zu werfen“ dürfe, weshalb China vor Ort an Einfluss gewinne. Shopov ergänzte weiter, dass die politische Lage im Balkan ambivalent sei. Die wichtigste Aufgabe der EU sei nun mit den Ländern im Westbalkan einen strategischen Weg zu finden, wie man sich dem Einfluss Chinas widersetzen könne. Hier ergänzt Merkle, dass man sich gegen „Giganten wie China oder Russland“ untereinander verbünden müsse. Es sei wichtig darauf aufzubauen, was gemeinsam in den letzten Jahrzenten miteinander in der EU erreicht hat. Auch in China ist nicht alles Gold, was glänzt, so Merkle. Dieses Schlusswort griff Martin Reuber auf. Auch er verdeutlichte nochmal, dass das Schlüsselwort in dieser Angelegenheit die Transparenz sei. Man müsse wissen, was passiert. Genauso müsse man über unsere Wertegrundlagen sprechen und auch in der Lage sein, diese zu verteidigen – denn machen wir das nicht, verlieren wir die Grundlage unserer Existenz.

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Prof. Dr. Martin Reuber

Prof. Dr

Referent Europa- und Bildungspolitik, Büro Bundesstadt Bonn

Martin.Reuber@kas.de +49 2241 246 4218 +49 2241 246 54218

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