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Heute vor 65 Jahren: Ein Meilenstein der deutsch-israelischen Verständigung

Am 14. März 1960 trafen sich der israelische Premierminister David Ben-Gurion und Bundeskanzler Konrad Adenauer im New Yorker Hotel Waldorf Astoria.

Das erste Treffen der beiden Staatsmänner Adenauer und Ben-Gurion in New York legte den Grundstein für die deutsch-israelischen Beziehungen und wirkt bis heute fort.

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Was sich heute vor 65 Jahren im 35. Stock des New-Yorker Traditionshotels Waldorf Astoria in der Präsidentensuite abgespielt hat, war bemerkenswert. Und das für den Mai dieses Jahres bevorstehende 60. Jubiläum der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel lässt sich ohne dieses „Präludium“ kaum sinnvoll erklären. Die erste Begegnung zwischen dem Staatsgründer Israels David Ben-Gurion und Konrad Adenauer war so spektakulär, dass der Pressechef Adenauers damals kalauerte, nur ein Bild von „Prinzessin Margret-Rose und Chruschtschow vor dem Traualtar“ wäre noch außergewöhnlicher gewesen als das Portrait der beiden Staatsmänner, die sich offensichtlich bestens verstanden. „Es gibt wohl kein symbolträchtigeres Bild der Aussöhnung als das der beiden Repräsentanten von Opfer und Täternation, die sich freundlich die Hände schütteln“, so beurteilt der Judaist Michael Brenner die politische Bedeutung dieser Szene. Die „Chemie“ zwischen den beiden Staatsmännern stimmte derartig, dass beide ihre Beziehung später vehement als „Freundschaft“ charakterisiert haben, eigentlich eine schiere Unmöglichkeit, eine Zumutung angesichts des bodenlosen Abgrunds den der Holocaust und die Mordtaten Deutschlands hinterlassen haben.

Die bewusst inszenierte Beiläufigkeit des Treffens überdeckt den langen Vorlauf, den diese geradezu epochale Station auf dem Weg zu den heute sehr engen deutsch-israelischen Beziehungen genommen hat. Längst war seit dem Luxemburger Abkommen, dem dreifachen Präzedenzfall freiwilliger Reparationen, an Individuen und mit Israel an einen Staat, der zuvor noch nicht existiert hatte, hinter den Kulissen Vertrauen gewachsen. Adenauer hatte nicht nur selbst penibel darüber gewacht, dass die Vereinbarungen eingehalten wurden, sondern auch unter strenger Geheimhaltung eine Säule der Beziehungen errichtet, die bis heute ein tragender Bestandteil der Beziehungen ist: Die militärische Kooperation zwischen beiden Staaten. So wie bis heute bedrohliche „Vernichtungsphantasien“ gegenüber dem Staat am östlichen Mittelmeer existieren, waren die „Lieferungen“ aus Deutschland auch damals im wahrsten Sinne des Wortes „überlebenswichtig“. Zu sehr manövrierte Israel immer am Abgrund des Verlustes der staatlichen Existenz entlang. Die strenge Geheimhaltung für die Militärhilfe – die nie eine Einbahnstraße war und von der auch die Bundesrepublik z.B. in Form von Geheimdienstinformationen und der Lieferung der Maschinenpistole „Uzi“ profitierte - ist erklärbar: Spätestens seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion im Herbst 1955 fürchtete das Auswärtige Amt, dass die arabischen Staaten die DDR anerkennen und damit den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellen würde. Aus diesem Grund bremste die Bundesregierung den zunehmend aufkommenden Wunsch der Israelis nach der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen bis in das Jahr 1965 aus.

Handelte es sich vordergründig um das überfällige Kennenlernen der beiden Herren, die sich – längst „lebende Legenden“ in ihren Ländern – auf Augenhöhe begegneten und um einen allgemeinen Austausch wurden auch andere Anliegen auf den Tisch gebracht. Von David Ben-Gurion wurde eine als „Anleihe zur weiteren Entwicklung Israels“ deklarierte Wirtschaftshilfe in Höhe von 500 Millionen Dollar in den Raum gestellt. Aber auch eine Wunschliste nach weiteren Waffenlieferungen wurde erörtert, die nicht zuletzt Fernlenkgeschosse und U-Boote umfasste. Adenauer sagte seine Hilfe zu, äußerte sich aber nicht konkret über die Höhe des zu gewährenden Kredites. Bis zum erneuten Treffen der beiden Staatsmänner 1966 „kochte“ die Debatte, welche Zusagen tatsächlich getroffen worden waren. Immerhin wird die Bundesregierung im Rahmen dieser Aktion, die unter dem Decknamen „Geschäftsfreund“ firmierte, bis 1966 Finanzhilfen in Höhe von fast 630 Millionen DM überwiesen haben, was sonstige Waren- und vor allem Waffenlieferungen noch nicht einmal umfasst hatte.

Bis heute – und heute vielleicht noch erbitterter denn je – tobt der Streit darüber ob und wie sehr diese Kooperation, die deutschen Zugeständnisse und mithin auch das Treffen in New York Ausdruck einer pragmatischen Haltung – und wie einige Forscher behaupten – einer Strategie des „Whitewashing“ war, die letztlich moralische Motive vollständig negiert und nur und ausschließlich aus politischen Interessen heraus handelt. Der als „Satiriker“ verkleidete Aktivist Jan Böhmermann hat eben in einem Videoessay für die New York Times in diesem Sinne Geschichtsklitterung betrieben. Er zitierte aus einem Interview, das Konrad Adenauer 1966 dem ZDF dem Journalisten Günter Gaus gegeben hatte und in dem er in der Tat eine höchst problematische Formulierung benutzte. Dort sagte er wörtlich: „Die Macht der Juden auch heute noch, insbesondere in Amerika, soll man nicht unterschätzen. Und daher habe ich sehr überlegt und sehr bewusst – und das war von jeher meine Meinung – meine ganze Kraft daran gesetzt, so gut es ging, eine Versöhnung herbeizuführen zwischen dem jüdischen Volk und dem deutschen Volk.“ Das ist klar mit antisemitischen Konnotationen versehen, erscheint aber in einem völlig anderen Licht, wenn man die Sätze berücksichtigt, die Adenauer davor genutzt hat und die immer wieder unterschlagen werden. An Gaus gerichtet, der selbst – auch nicht unproblematisch - die „Judenfrage“ aufgebracht hat, sagt er: „Warum haben Sie die Judenfrage als eine ungemein wichtige Frage immer bezeichnet und sich danach auch verhalten? Erstens aus einem Gefühl der Gerechtigkeit. Wir hatten den Juden so viel Unrecht getan, wir hatten solche Verbrechen an ihnen begangen, dass sie irgendwie gesühnt werden mussten oder wiedergutgemacht werden mussten, wenn wir überhaupt wieder Ansehen unter den Völkern der Erde gewinnen wollten.“ Damit ist das pragmatische Motiv, nämlich das „Eintrittsticket“ zurück in den „Club“ der freiheitlichen Nationen deutlich an die zweite Stelle gerückt. Unzählige Formulierungen dieser Art, auch nach seinem Besuch in Yad Vashem, aber auch Erwähnungen in seinen Memoiren, auch die Art, in der der Katholik Adenauer mit dem Versagen der eigenen Kirche angesichts der Shoah gehadert hat, verweisen darauf, wie sehr er sich der ungeheuren moralischen Dimensionen bewusst war, die die Beziehungen hatten.

Vor allem wird hier unterschlagen, dass Adenauer alles andere als antisemitisch eingestellt war. Von frühesten Kindertagen an ist sein Verhältnis zum Judentum außergewöhnlich positiv geprägt. Das beginnt als Schüler am Apostelgymnasium, an dem ein gutes Miteinander von christlichen und jüdischen Schülern herrschte. Es setzt sich fort im Kreis der jüdischen Freunde und Förderer, die die Karriere Adenauers in der Kölner Zeit massiv unterstützen. Mit den Kölner Stadtdirektoren Hertha Kraus und Albert Kramer, letzterer fällt dem NS-Regime zum Opfer, platziert er in seiner unmittelbaren Umgebung zwei Personen jüdischen Glaubens. Seine Affinität für die Jüdinnen und Juden war so bekannt, dass die NS-Propaganda ihn selbst als Juden portraitierte. Die bis heute unerträgliche Schrift des Goebbels-Mitstreiters Johann van Leer mit dem Titel „Juden sehen Dich an“, die Adenauer als Juden portraitiert, oder Karikaturen mit eindeutig jüdischen Stereotypen im „Westdeutschen Beobachter“ gehen in die gleiche Richtung.

Nach seiner Absetzung durch die Nationalsozialisten, die ihn in finanzielle Nöte bringt, sind es, das wird er immer wieder gegenüber seinen israelischen Gesprächspartnern betonen, jüdische Bekannte und Freunde, die anbieten, ihm auszuhelfen. Ungewöhnlich ist daran aber auch, dass schon in seinen Zeiten als Kölner Oberbürgermeister neben diese Haltung auch eine ausgeprägte Vorliebe für den Zionismus getreten ist. Konrad Adenauer wurde 1927 eines der besonders prominenten Mitglieder der zionistischen Organisation in Deutschland, des sogenannten „Pro-Palästina-Komitees“. Und er war alles andere als eine „Karteileiche“ in diesem Gremium, was in einem bemerkenswerten Brief Adenauers an den Präsidenten des Vereins Johann Heinrich Graf von Bernstorff deutlich wird, in dem er mit unverhohlener Bewunderung schreibt: „Ich hoffe, dass die Sympathie der Welt und die Opferbereitschaft der Judenheit die Wiederauferstehung des Landes sichern wird, der die Wiederauferstehung der hebräischen Sprache bereits vorangegangen ist.“ In diesem Zusammenhang stellt der Adenauer-Experte Hans Peter Mensing die interessante durchaus faktengestützte Spekulation an, ob dieses bekannte Engagement Adenauers nicht auch bereits in dieser Zeit der zionistischen Führungspersönlichkeit David Ben-Gurion aufgefallen ist, der sich mehrfach aus Anlass von zionistischen Veranstaltungen in der Zeit der Weimarer Republik in Deutschland aufhält. Auch das mag eine Hintergrundmusik für das Treffen der beiden Herren in New York gewesen sein, das von einer außerordentlich positiven Grundstimmung geprägt war.

Auch wenn beide Staatsmänner sehr unterschiedlich waren, der rheinisch-katholische Konservative und der sozialistische Zionist, hatten beide auch frappierende Ähnlichkeiten, die der frühere deutsche Botschafter in Israel, Niels Hansen, in einem Satz auf den Punkt gebracht hat. Sie seien vergleichbar in „ihrer mit sprödem, kantigen Charisma gepaarten streitbaren, jeder Routine abholden Führungsstärke und Entscheidungsfreude, in unbegrenzter zupackender Energie, gediegener Fachkompetenz und tiefem Pflichtbewußtsein, in ihrer Zähigkeit und Beharrlichkeit, in nüchternem, mißtrauischem, unsentimentalem politischen Pragmatismus und taktischer Begabung, trotzdem aber, vor allem, in ihrer unbeirrbaren Grundsatztreue und dem Mut, auch gegen den Strom zu schwimmen“.  

Für beide war das Treffen in New York, das in vielen Bildern festgehalten worden ist, die bis heute zu den Ikonen der deutsch-israelischen Beziehungen gehören, nicht nur wegen der Ergebnisse wichtig, sondern es war auch zugleich der Beginn einer Freundschaft, von der beide in ihren Reden und in Interviews freimütig sprachen, obwohl Sie sich nur ein weiteres Mal trafen: Im Jahr 1966, ein Jahr nachdem sein Nachfolger Ludwig Erhard die diplomatischen Beziehungen zu Israel aufgenommen hatte, reiste Konrad Adenauer nach Israel und besuchte im Rahmen seiner Reise auch das Refugium des ebenfalls bereits 1963 zurückgetretenen israelische Premierministers in der Wüste Negev, im Kibbuz Sde Boker. Hier fiel die herzliche aufgeschlossene Stimmung, in der sich beide wiedersahen, auf, die noch einmal deutlicher spürbar war als noch bei ihrem Treffen in New York. Adenauer wünschte dem israelischen Volk, „dass es immer solche Führer hat, wie Ben-Gurion einer ist“ und der israelische Politiker versah ein Buchgeschenk an Adenauer mit der sprechenden Widmung: „Dem vorbildlichen Staatsmann, dem Menschen von hoher Moral, dem treuen Freund.“

Die freundschaftlichen Gefühle Ben-Gurions gegenüber dem deutschen Politiker wurden besonders an der Tatsache offenbar, dass der israelische Politiker nach dem Tod Adenauers im April 1967 den Entschluss traf, zur Beerdigung des deutschen Staatsmannes ins Rheinland zu reisen. Er tat dies, obwohl das bedeutete, mit dem damaligen Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger zusammentreffen zu müssen, der aus israelischer Perspektive durch seine Mitgliedschaft in der NSDAP als belastet galt. Es wurde der erste Besuch eines ehemaligen oder aktiven israelischen Regierungschefs in Deutschland, der noch immer keine Normalität darstellen konnte und der auch deshalb auf hohe Aufmerksamkeit traf.

In dem schon genannten Interview mit dem damaligen ZDF-Journalisten Günter Gaus betonte Adenauer an anderer Stelle: „Freundschaft entsteht aus einer Harmonie in den beiderseitigen Überzeugungen und aus dem Vertrauen, das man gewinnt“. Die Harmonie in den Auffassungen der beiden Staatsmänner und das Vertrauen, das beide einander geschenkt hatten, hatten den Grundstein für Beziehungen der beiden Nation gelegt, die niemals „normal“ sein werden, die aber heute außerordentlich eng und gut sind. Es ist ein doppelter Glücksfall, dass ausgerechnet die schwierige Zeit nach dem großen deutschen Menschheitsverbrechen der Shoah zwei Akteure gefunden hat, die einander idealtypisch ergänzt haben und die neben die reine Interessenpolitik eine Fähigkeit gesetzt haben, die bis heute für die Beziehungen einen „Leitstern“ darstellen sollte: Die Fähigkeit zur Empathie.

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Dr. Michael Borchard

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29 stycznia 2020
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