„Gaullistische Züge“ der CDU-Positionen im verteidigungs- und sicherheitspolitischen Bereich?
Staatspräsident Emmanuel Macron äußerte sich noch am Wahlabend auf der Social Media-Plattform X zu den Wahlergebnissen. Er gratulierte Friedrich Merz zum Wahlsieg und betonte, dass er entschlossener denn je sei, mit Deutschland zusammenzuarbeiten und sich für ein starkes und souveränes Europa einzusetzen. Angesichts ungewisser Zeiten seien Deutschland und Frankreich geeint. Die Bereitschaft Frankreichs mit Deutschland für ein „souveränes Europa“ zusammenzuarbeiten, wurde auch von Außenminister Jean-Noël Barrot aufgegriffen. Europaminister Benjamin Haddad ging in diesem Kontext auf die Politikfelder ein, in denen mehr deutsch-französische Zusammenarbeit benötigt werde: Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Verteidigung und Sicherheit, aber auch das Thema Immigration müssen von Deutschland und Frankreich gemeinsam angegangen werden, so Haddad. Der Abgeordnete Jean-Louis Thiériot der Partei Les Républicains, der als ausgewiesener Verteidigungsexperte gilt, reagierte auf die Rede von Friedrich Merz am Wahlabend und twitterte in deutscher Sprache, dass Merz‘ Äußerungen zur strategischen Abhängigkeit Europas von den USA einen Bruch und eine Bewusstseinsänderung darstellten. Wenn auf diese Worte nun Taten folgten, würde dies einen „epochalen und paradigmatischen Wandel“ darstellen.
Die Erwartungen an Deutschland in Frankreich sind insgesamt hoch. Die Vorsitzende der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, Brigitte Klinkert (Renaissance), sprach den Wunsch aus, dass möglichst schnell eine Koalition in Deutschland gebildet werde, damit der deutsch-französische Motor wieder eine zentrale Rolle für Europa einnehmen könne. Sie plädierte auch für ein möglichst schnelles Treffen zwischen Friedrich Merz und Staatspräsident Emmanuel Macron um die Zusammenarbeit „effizienter gestalten zu können“. Die positive Einordung des Wahlsiegs von Friedrich Merz, auch aus dem Präsidentenlager, erstaunt kaum. Im zentralen Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sieht man die CDU/CSU als zuverlässigeren Partner - nach der zurückhaltenden Unterstützung des ehemaligen Bundeskanzlers Olaf Scholz für eine starke Ukraine-Politik. Noch einmal bestärkt in dieser Einordnung sah sich die Regierungsmehrheit nach der klaren Kritik von Friedrich Merz an der amerikanischen Regierung am Wahlabend. Während in der Vorwahlberichterstattung in Frankreich immer klar der proeuropäische Kurs Friedrich Merz herausgearbeitet wurde, blickte man bisher auch mit Sorge auf die transatlantische Ausrichtung seiner Politik. In Paris sprach man nach der Rede von Merz am Wahlabend dann in Expertenkreisen mit Erleichterung von „gaullistischen Zügen“ des wahrscheinlich zukünftigen Bundeskanzlers, die unerwartet seien, aber mit Zuversicht in Frankreich aufgenommen wurden. Die Äußerungen von Friedrich Merz seien „eine späte Rache für General de Gaulle, der 1963 mit ansehen musste, wie der deutsch-französische Vertrag, den er gerade unterzeichnet hatte, bei der Ratifizierung durch den Bundestag mit einem atlantischen Kommentar versehen wurde, der ihn in seiner Substanz aushöhlte“, so ein französischer Diplomat auf X zusammenfassend für eine aktuell in Frankreich vorherrschende Perspektive auf die Kritik von Merz an den USA.
Parallelen zur demokratischen Krise Frankreichs
Die Schwesterpartei der CDU in Frankreich und Mitglied der Europäischen Volkspartei EVP, Les Républicains, begrüßte das Ergebnis der Partei und ordnete es als „Rückkehr der bürgerlich-konservativen Politik in Deutschland“ ein, so der derzeitige Fraktionsvorsitzende der Partei in der Nationalversammlung Laurent Wauquiez. Der Europaabgeordnete François-Xavier Bellamy, Mitglied des derzeitigen Interimsvorstands der Partei, betonte, dass klare Positionen in den Bereichen Sicherheit, Grenzschutz und Rückkehr zur Atomenergie europaweit zu einer neuen Stärke der Bürgerlich-Konservativen führen könnten.
Auf besonders großes Interesse stießen die Bundestagswahlen bei den französischen Linkspopulisten von La France Insoumise, die die guten Ergebnisse der Linken als Indiz dafür sehen, dass die eigene Loslösung aus der Zweckallianz mit den Sozialisten und den Grünen ein Befreiungsschlag ist. SPD und Grüne hätten sich durch den liberalen Kurs und die gesellschaftspolitische Annäherung an einen rechtsextremen Diskurs in ein politisches Aus gebracht, so Jean-Luc Mélenchon von der linksradikalen Partei La France Insoumise. Durch die Ausrichtung auf eine antirassistische und antiliberale Politik des Aufbruchs verdoppele die Linke ihr Ergebnis und kehrte auf die große Bühne zurück. Eine Zukunft der Linken sei somit laut Mélenchon wieder möglich.
Mit Blick auf die eigene politische Krise, die durch das Erstarken des rechtspopulistischen Lagers geprägt ist, schauen französische Medien mit Interesse und Entsetzen nun auch auf die Ergebnisse der Partei Alternative für Deutschland (AfD). Auffällig ruhig verhält sich dagegen die französische Partei Rassemblement National, die bisher auf die Wahlergebnisse der AfD nicht reagierte. Die Partei hatte sich Anfang 2024 im Kontext der Remigrationsdebatte in Deutschland klar von der AfD abzugrenzen versucht. Der stellvertretende Parteivorsitzende Sébastien Chenu verwies in einem Radiointerview am 24. Februar erneut auf den Bruch mit den deutschen Rechtspopulisten, beglückwünschte im Sinne des vom RN vollzogenen Entdämonisierungskurs den „Sieg der Konservativen“.
Der Vorsitzende der identitär geprägten Partei Reconquête, Eric Zemmour, war am Wahlabend in Berlin, besuchte die Wahlparty der AfD und ließ sich mit Alice Weidel fotografieren. „Die Welle der Freiheit und der Identität schreitet in den westlichen Kulturen voran“, so Zemmour, dessen Partei mit der AfD nach den Europawahlen die Fraktion Europa der Souveränen Nationen (ESN) im Europäischen Parlament gegründet hatte.
In den Kommentaren der französischen Tageszeitungen nach der Bundestagswahl, die die Herausforderungen für Friedrich Merz als „historisch“ bezeichneten, liest sich klar heraus, dass Frankreich und Deutschland ähnlichen demokratischen Herausforderungen durch die Verluste der traditionellen politischen Parteien ausgesetzt sind. Dazu gehören neben dem Erstarken der rechten und linken Ränder durch die Politikverdrossenheit der Wählerinnen und Wähler auch die klare Einflussnahme aus Russland und seit einigen Wochen auch aus den USA.
In Frankreich wartet man jetzt auf Friedrich Merz, eine handlungsfähige deutsche Regierung und auf neue Impulse und Schwung für die deutsch-französischen Beziehungen. Merz hatte in einer außenpolitischen Grundsatzrede bei der Körber-Stiftung am 23. Januar 2025 die „Erneuerung und Vertiefung“ der Beziehungen Deutschlands zu Frankreich beschworen. Daher blickt man nun aus Frankreich gespannt darauf, ob eine schnelle Koalitionsbildung gelingt, ob auf die geopolitischen Krisen gemeinsam reagiert werden kann und Antworten auf die Herausforderungen durch die neue Trump-Regierung, den Ukraine-Krieg oder auch in der Handelspolitik (Europa im Konflikt mit China und den USA) gegeben werden können. Für die Überwindung der Sprachlosigkeit, die oftmals auf beiden Seiten empfunden wurde, ist es nun in der neuen Konstellation in Deutschland und mit der Regierung in Frankreich notwendig, sowohl die formelle und informelle Parteienzusammenarbeit als auch z. B. die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung zu nutzen. Es müssen in allen Gremien der deutsch-französischen Zusammenarbeit dringend gemeinsame Lösungen in den oben genannten Themenbereichen aber auch im Gebiet der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, des Bürokratieabbaus, des digitalen Wandels und der Energiewende im Sinne Europas gefunden werden; auch damit in beiden Ländern populistische Kräfte wieder eingedämmt werden können.Tematy
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