Hintergrund: Der Schengen-Raum
In der größten visumsfreien Zone der Welt können Bürgerinnen und Bürger der Schengen-Staaten aufgrund des freien und uneingeschränkten Personenverkehrs die Binnengrenzen der Mitgliedsländer ohne Personen-kontrolle überqueren. Des Weiteren ermöglicht das Schengen-Visum Aufenthalte und Besuchsreisen bis zu 90 Tagen im gesamten Schengen-Gebiet. Dabei regelt das Schengener-Durchführungsabkommen (SDÜ) von 1990[1] Ausgleichsmaßnahmen, die durch den Wegfall von Kontrollen der Binnengrenzen einheitliches Recht sowie Sicherheit garantieren soll. Dazu gehören u. a. die Vereinheitlichung der Vorschriften für Einreise und Aufenthalt, Asylfragen, Maßnahmen gegen grenz-überschreitenden Drogenhandel und polizeiliche Zusammenarbeit sowie die justizielle Kooperation der Parteistaaten.
Derzeit sind 26 Länder Mitglied des Schengen-Abkommens: darunter alle EU-Staaten mit Ausnahme[2] von Irland, Zypern, Bulgarien und Rumänien. Hinzu kommen Island, Norwegen, Liechten-stein und die Schweiz, die zwar nicht Teil der Europäischen Union sind, jedoch Teil der Schengen-Staaten.
Mit der Zugehörigkeit zum Schengen-Raum gehen viele Vorteile für die Mitgliedsstaaten einher. So bedeutet der Wegfall der Grenzkontrollen nicht nur mehr Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch ein Mehr an Sicherheit durch effizientere und bessere Kontrollen der Schengen-Außengrenzen und zusätzliche Maßnahmen an den Binnengrenzen (z.B. durch mobile Grenzraumüberwachung).
Kroatiens Beitritt zum
Schengen-Raum
Um Mitglied der Schengen-Zone werden zu können, müssen sich potenzielle Beitrittsstaaten einer Reihe von Evaluierungen[3] unterziehen. Hier wird geprüft, ob alle Voraussetzungen zur erfolgreichen Anwendung der Schengen-Vorschriften erfüllt werden können: so etwa die Verantwortung für die Kontrolle der Schengen-Außengrenzen und eine wirksame Kooperation mit Strafver-folgungsbehörden anderer Schengen-Staaten. Sind die Evaluierungsmissionen beendet und kommen zu dem Schluss, dass ein Staat den Beitritt und die daraus resultierenden Verpflichtungen zu bewältigen in der Lage ist, bleibt noch die notwendige einstimmige Annahme aller Mitgliedstaaten und die Zustimmung des Europäischen Parlaments.
Im Fall von Kroatien fand der Evaluierungsprozess von 2016 bis 2020 statt. In diesem Zeitraum überprüften Sachverständige der Mitgliedstaaten sowie der Kommission die Anwendung der Schengen-Regelungen durch Kroatien u. a. in den Bereichen der gemeinsamen Visumpolitik und polizeilicher Zusammenarbeit, Daten-schutz, des Schengener Informations-systems, Außengrenzenmanagements und der Rückkehr / Rückführung. So wurde im Rahmen der Evaluierungen beispielsweise im Jahr 2020 ein gezielter Kontrollbesuch durchgeführt, um die Maßnahmenumsetzung im Außengren-zenmanagement zu überprüfen, nachdem bei vorherigen Ortsbe-sichtigungen festgestellt wurde, dass insbesondere bei den Landgrenzen Mängel hinsichtlich einer unzu-reichenden Zahl an Mitarbeitenden, noch nicht eingerichtete Überwachungs-systeme an der der Grenze zu Bosnien und Herzegowina sowie viele „Übergangsstellen“ für den kleinen Grenzverkehr bestanden.
Nach Beseitigung unter anderem dieser Schwachpunkte bestätigte der Euro-päische Rat dann im Dezember dieses Jahres unter Leitung des tschechischen Vorsitzes, dass das bis dato jüngste EU-Mitglied alle Voraussetzungen in den relevanten Bereichen für einen Beitritt zum Schengen-Raum erfüllt.
Migration: Kroatien in der Kritik
Trotz der Erfüllung aller 281 Schengen-Kriterien war bis zuletzt nicht sicher, ob der kroatische Beitritt zum Schengen-Raum aufgrund migrationspolitischer Bedenken von Seiten der Österreichs oder Ungarns – unter anderem aufgrund des Vorwurfs illegaler Pushbacks – verhindert werden könnte. So kritisierten auch mehrere Menschenrechtsor-ganisationen (darunter Amnesty Inter-national, Human Rights Watch, Border Violence Monitoring Network und das International Rescue Committee) die Entscheidung der EU mit der Begrün-dung, die Wahrung der Grundrechte zu missachten; insbesondere von Schutz-suchenden an seinen Außengrenzen.
Kroatien richtete dabei im Juni des vergangenen Jahres einen Mechanismus ein, der die Einhaltung von Menschen-rechten durch unabhängige Kontrollen von Grenzeinsätzen vorsieht, die Asylbewerber sowie Migrantinnen und Migranten betreffen. Damit ist das Land an der Adria der erste Mitgliedstaat, der über einen solchen Kontroll-mechanismus verfügt.
Freude über die Entscheidung
in Kroatien
Angesichts der Entscheidung für Kroatien als jüngstes Schengen-Mitglied ist die Freude im Land dank der damit einhergehenden Vorteile für Bürger-innen und Bürger, Wirtschaft, Tourismus und Grenzgängern groß. Wirtschafts-analysten rechnen mit einer Vergünstigung von Warentransporten aufgrund der nun verkürzten Wartezeiten an den Grenzübergängen. Die Tourismusbranche rechnet mit mehr Kurz- und Wochenendurlaubern, die bisher von kilometerlangen Staus an den Grenzen abgeschreckt wurden. Auch Ministerpräsident Plenković betont die Vorteile der Schengen-Mitgliedschaft und unterstreicht, dass ca. 75% der anreisenden Touristinnen und Touristen sowie 80% der eingeführten Waren aus Schengen-Staaten stammen. „Mir ist kein anderes Land bekannt, das am selben Tag dem Euro-Raum und Schengen beitritt“[4], kommentiert der Regierungs-chef weiter. Der kroatische Innen-minister Davor Božinović twitterte dazu am 8. Dezember: „Auf unserem Weg nach Europa gibt es keine Grenzen mehr. Wir haben alle Bedingungen erfüllt, einen langen und anspruchsvollen Prozess durchlaufen […] Mit Kroatien im Schengen-Raum profitieren alle – Bürger, die Wirtschaft, Kroatien und die EU.“[5]
Ursprünglich sollten mit Kroatien auch Bulgarien und Rumänien, die bereits seit 2007 Mitglieder der Europäischen Union sind, in die Schengen-Zone auf-genommen werden. Obwohl die Aufnahme beider Länder seit 2011 empfohlen wird, gibt es dafür keine Mehrheit – u. a. aufgrund der Bilanz beider Staaten bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität und stei-genden Migrationszahlen über die Balkanroute.
Abschied von der kroatischen Kuna: Einführung des Euros im Land
Mit dem Beitritt Kroatiens in den Schengen-Raum ist die europäische Integration auf dem besten Wege: Denn zeitgleich soll zum 1. Januar 2023 auch der Euro eingeführt werden, der die Nationalwährung Kuna ablösen wird. Aktuell umfasst die Euro-Zone 19 Mitgliedstaaten; die Währung wird von rund 341 Millionen Menschen genutzt.[6]
Dabei ist dies nicht das erste Mal, dass die Kroatinnen und Kroaten ihr Geld umtauschen müssen. Bereits 1994 wurde der Kroatische Dinar, der nach der Unabhängigkeitserklärung des Landes im Jahr 1991 eingeführt wurde, durch die Kuna ersetzt.
Der Beschluss für den Währungswechsel bzw. das Einführungsgesetz wurde im Mai 2022 im kroatischen Parlament gefasst, in den zwei darauffolgenden Monaten stimmten dann auch die zuständigen Gremien der EU dafür. Der Umstellungskurs beträgt 1€ = 7,53450 kn. Zudem werden seit September Preise in beiden Währungen ausgezeichnet.
So wird man Teil der Euro-Zone
Zunächst sind alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union dazu verpflichtet, den Euro als gesetzliche Währung einzuführen.[7] sobald die sog. Konvergenzkriterien, auch als Maastricht-Kriterien bekannt, erfüllt werden.[8] Diese wurden 1992 im Vertrag von Maastricht festgelegt und umfassen rechtliche sowie wirtschaftliche Voraussetzungen für die Währungs-einführung. Die Mehrheit der Konvergenzkriterien sind in Art. 126 und Art. 140 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU) festgehalten. Um Teil der Euro-Zone zu werden, müssen folgende vier Kriterien erfüllt sein:[9] Zunächst darf die Inflationsrate nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über derjenigen der drei preisstabilsten Mitglieder liegen (Preisniveaustabilität). Die Haushalts-stabilität beschreibt, dass die Staatsschulden nicht mehr als 60% des BIP, und das Haushaltsdefizit nicht mehr als 3% des BIP betragen dürfen. Die Wechselkursstabilität zielt darauf ab, dass ein Staat mindestens zwei Jahre lang ohne Abwertung am Wechselkurs-mechanismus teilgenommen haben muss. Zuletzt geht es um die Stabilität langfristiger Zinssätze: Der Zinssatz, der langfristige Staatsanleihen betrifft, soll nicht mehr als zwei Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei preis-stabilsten Mitglieder liegen. Wie strikt genau mit der Erfüllung der Maastricht-Kriterien umgegangen werden muss oder soll, ist jedoch seit ihrer Einführung im Jahr 1992 umstritten und wird vielerseits diskutiert.
Ob ein Beitrittskandidat für das Euro-Währungsgebiet geeignet ist oder nicht, wird dann gemeinsam von der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) anhand einer Bewertung der Konvergenz-kriterien - basierend auf einem Konvergenzbericht - entschieden. Eine Empfehlung muss dann noch mit einer qualifizierten Mehrheit der Mitglied-staaten der Euro-Zone angenommen werden.
Kroatien erfüllt die
Maastricht-Kriterien
Im Konvergenzbericht Kroatien be-treffend wird die Erfüllung der Maastricht-Kriterien bestätigt. Nach der Bewertung und unter Berücksichtigung sonstiger für die wirtschaftliche Integration und Konvergenz maß-geblicher Faktoren (wie beispielsweise die Entwicklung der Zahlungsbilanzen und der Integration der Finanz- und Arbeitsmärkte sowie der Märkte für Produkte), ist die Kommission zu einer positiven Bewertung gekommen - und begrüßt Kroatien nun als neues Währungsmitglied ab Januar 2023
Und die Vorteile der Euro-Einführung in Kroatien sind vielversprechend: So erklärte Premierminister Andrej Plenković, dass der Beitritt zur Euro-Zone die Kosten und Risiken der Währung und des Umtausches eliminieren, aus-ländische Investitionen im Land ankurbeln, die Zinssätze senken und die Möglichkeiten zur Finanzierung des Kapitalmarkts verbessern und so ein Anstieg des Lebensstandards folgen wird.[10] Für das Land, das stark von seinem Tourismus-Sektor abhängt, besteht auch die mit der Euro-Einführung verbundene Hoffnung, durch den Wegfall des Währungs-umtausches noch mehr Touristen zum Urlauben in Kroatien zu bewegen.
Aber: Nicht alle freuen sich über
die Euro-Einführung
Doch nicht alle zeigen Freude über den neuesten Erfolg des Landes. Skeptische
Stimmen warnen davor, die eigene Landeswährung aufzugeben; auch die Angst vor aufgerundeten Preisen und abfallendem Lebensstandard in der Bevölkerung ist groß. Diese Euro-Skepsis spiegelte sich auch in der Initiative „Schützen wir die Kroatische Kuna“ wider, die von rechts-konservativen Parteien wie den Kroatischen Souveränisten (HS) mit dem Ziel eines landesweiten Referendums zur Abstimmung über die Beibehaltung der Kuna initiiert wurde. Ziel war es, eine Bestimmung in die Verfassung aufzunehmen, die eine Änderung der nationalen Währung nur nach einem vorangegangenen Referendum be-schließen kann. In einer zweiwöchigen Kampagne wurden 334.582 Unter-schriften gesammelt; doch um ein landesweites Referendum abhalten zu können, müssen mindestens zehn Prozent der Wählenden bzw. mehr als 370.000 Menschen unterschreiben. Die Initiative mit der Begründung, die kroatische Wirtschaft sei zum jetzigen Zeitpunkt zu schwach für einen Währungswechsel, erreichte somit nicht die erforderlichen Quoten.
Kroatien auf dem Weg der europäischen Integration
Zur Mitgliedschaft nun auch in der Euro-Zone gratulierte ebenfalls die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen: „Durch die Einführung des Euro in Kroatien wird auch der Euro gestärkt. Zwanzig Jahre nach der Einführung der ersten Banknoten ist der Euro zu einer der wichtigsten Währungen der Welt geworden und hat die Lebensgrundlagen von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern in der gesamten Union verbessert. Der Euro ist ein Symbol der europäischen Stärke und Einheit. Meinen Glückwunsch an Kroatien!“[11]
Mit der Einführung der neuen Währung und der Mitgliedschaft im Schengen-Raum erreicht Kroatien damit zum 1. Januar 2023 seit dem EU-Beitritt des Landes im Jahr 2013 innerhalb eines Jahrzehnts zwei große Meilensteine der europäischen Integration.
Ein Ziel gilt es jedoch noch zu erreichen: die Mitgliedschaft in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Aber auch hier ist Kroatien auf einem guten Weg. Im Januar dieses Jahres erhielt die Regierung eine Einladung zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, sechs Monate später nahmen die OECD-Mitgliedstaaten den Beitrittsplan für Kroatien an. Der kroatische Außen-minister Gordan Grlić Radman kommentierte: „Dies ist heute ein historischer Moment für uns […] nach dem Beitritt zum Schengen-Raum, nach dem Beitritt zum Euro-Raum wird dies wirklich das Sahnehäubchen sein“. Denn laut Grlić Radman ist die Mitgliedschaft in der OECD eine klare Anerkennung dafür, dass das Land u. a. die höchsten globalen Standards respektiert und den Werten der Demokratie und der Rechts-staatlichkeit verpflichtet ist. Doch der Beitrittsprozess kann dauern.
Nun bleibt also abzuwarten, wie sich die Einführung des Euros und der Beitritt zum Schengen-Raum künftig auf das Land und seine Bürgerinnen und Bürger auswirken wird. Der kroatische Weg zur vollen europäischen Integration nähert sich damit seinem Ziel.
[1] Das SDÜ wurde 1990 zwar unterzeichnet, trat jedoch erst 1993 in Kraft und aufgrund fehlender technischer und rechtlicher Voraussetzungen wurde die praktische Anwendung der SDÜ-Bestimmungen erst mit der sog. „Inkraftsetzung“ im Jahr 1995 umgesetzt.
vgl. https://bit.ly/3uITnqQ
[2] Nicht zu vergessen: Vatikanstadt, San Marino und Monaco haben zwar offene Grenzen, sind jedoch keine Schengen-Mitglieder; die Kanarischen Inseln als Sonder-Mitglied der EU beispielsweise jedoch schon - obwohl außerhalb des europäischen Kontinents gelegen.
[3] Seit 2013 ist die Europäische Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten für den Schengener Evaluierungsmechanismus zuständig. vgl. https://bit.ly/3FMtv3G
[4] https://bit.ly/3iOLzkl
[5] https://bit.ly/3FJU49n
[6] https://bit.ly/3VQOc3U
[7] Davon ausgenommen ist Dänemark: In den EU-Verträgen ist eine Opt-out-Klausel vorgesehen, welches das Land von der Euro-Einführung befreit.
[8] Dabei liegt es in der Hand der Mitgliedstaaten, eine Strategie zum passenden Beitrittszeitpunkt zu entwickeln. Es gibt keinen Zeitplan seitens der EU hierfür.
[9] vgl. https://bit.ly/2GzjNnx
[10] https://bit.ly/3WcHCo0
[11] https://bit.ly/3hmQCs3
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