Relacje po wydarzeniach
Verhindert eine Organspende den natürlichen Strebeprozess oder ist ein Hirntoter ein Verstorbener, so dass eine Organentnahme möglich wäre? An dieser für das Transplantationswesen zentralen Fragestellung schieden sich die Geister. Die Positionen der Referenten hätten kaum gegensätzlicher sein können.
Renate Greinert
(Kritische Aufklärung über Organtransplantation KAO) bezog ganz klar Stellung gegen Organspende. Ihr Engagement resultiere aus den sehr persönlichen Erfahrungen eines Unfall-Todes Ihres jungen Sohnes. Eine damals erteilte Zustimmung zur Spende eines Organs habe zu einer umfänglichen Organentnahme geführt und bei ihr in der Folge ein unsägliches Trauma ausgelöst. Sie sei zu der Überzeugung gelangt, dass Ihr Sohn am Sterben gehindert worden sei. Sterbende müssten noch seelische Prozesse vollenden; ein Mensch brauche das Sterben. Die medizinische Behandlung ihres Sohnes sei, nachdem der Hirntod diagnostiziert wurde, ausschließlich darauf ausgerichtet gewesen, Organe lebend entnehmen zu können. Das Hintod-Konzept sei aus ihrer Sicht nicht haltbar. Weltweit existierten die unterschiedlichsten Hintod-Definitionen. Schon von Anfang an sei immer wieder angezweifelt, ob ein Hirntoter tatsächlich verstorben sei.
Dr. Frederic Hartung
von der Deutschen Stiftung Organtransplantation DSO ging es in seinem Beitrag um eine Aufklärung über Voraussetzungen, Verfahren, Abläufe einer postmortalen Organspende. Dr. Hartung betonte, das Ziel einer Organspende sei Leben zu retten.
Eine Organentnahme sei in Deutschland nur unter zwei Voraussetzungen möglich: Wenn der Hirntod diagnostiziert wurde und eine Zustimmung des Spenders vorliege. Bei Fehlen eines schriftlich verfassten Willens könnten Angehörige einer Organspende zustimmen. Außerdem existierten weitere Ausschlusskriterien, z. B. infektiöse Erkrankungen, Malignome.
Der Hirntod werde in Deutschlang als unwiederbringlicher Funktionsausfall von Gross-, Kleinhirn und Hirnstamm, als sog. Ganzhirntod verstanden. Beim Hintod seien alle Funktionen des Gehirns erloschen, somit sei eine Steuerung aller lebenswichtiger Körperfunktionen wie Atmung, Kreislauf, Körpertemperatur nicht mehr möglich. Ohne Gehirn kein individuelles Leben. Nach medizinischer Lehrmeinung stelle der Hirntod den Tod des menschlichen Individuums dar.
In Deutschland müssten 2 unabhängige Untersucher den Hirntod nachweisen. Sie dürften weder an der Organentnahme, noch an der Organvermittlung und –transplantation beteiligt sein. Die Untersuchung werde i.d.R. nach 12 Std. wiederholt, doch könne diese Frist unter besonderen Umständen und mit Zusatzuntersuchungen verkürzt werden. Die Vorschriften in Deutschland zur Hirntod-Feststellung zählten zu den sichersten überhaupt. Der Weg von der Organspende bis hin zur Transplantation bestehe aus folgenden Schritten: Hirntod-Diagnose, Information der DSO über eine mögliche Organspende, Kontaktaufnahme mit den Angehörigen, Weitergabe der Daten an Eurotransplant (Vermittlungsstelle für die Organzuteilung), Organentnahme, -präparierung, -transport, Transplantation.
In MV habe es im vergangenen Jahr 27 Transplantationen gegeben. Für Herz, Lunge, Leber gebe es keinen dauerhaften Ersatz. Patienten mit unheilbarem Leiden an Herz, Lunge, Leber könnten ohne Transplantation nicht überleben.
Prof. Lang
(Universität Greifswald) ging zunächst auf das Transplantationsgesetz ein. Dieses enthalte Regelungen z. B. über die Zustimmung zur Organspende, die Vermittlung und Übertragung von Organen, die Aufnahme auf Wartelisten, die zentralen Akteure des Transplantationswesens (z. B. Transplantationszentren, DSO, Eurotransplant, Bundesärztekammer). Das Gesetz verbiete Organhandel. Interessant sei, was das Gesetz alles nicht regle. So werde z. B. der Todesbegriff nicht eindeutig geklärt. Das Gesetz definiere zwei Zuteilungskriterien: Erfolgsaussicht und Dringlichkeit. Diese aber seien widersprüchlich, denn es könne durchaus gesagt werden: je höher die Dringlichkeit, desto geringer die Erfolgsaussichten.
Das Schweigen des Gesetzgebers zu bestimmten Fragen werfe eine ganze Reihe von verfassungsrechtlichen Problemen auf. Z.B. ob die Bundesärztekammer hinreichend demokratisch legitimiert sei, Verteilungsentscheidungen über Leben zu treffen. Problematisch sei auch die Nichteindeutigkeit des Hirntod-Konzeptes, wodurch ein Konflikt mit dem Grundrecht auf Leben entstehe.
Prof. Lang konzentrierte sich im weiteren auf 2 Aspekte: Auf das Transparenzproblem und die Hirntodproblematik.
Transparenzproblem:
Das Transplantationswesen sei wenig transparent. Viele der Akteure seien privatrechtlich verfasst, z. B. Bundesärztekammer, DSO, Eurotransplant. Bei einem 'eigenartigen' Zusammenwirken von privaten und öffentlichen Institutionen fehle es nach wie vor an einer effektiven Kontrolle. Allerdings sei erst vor kurzem ein großer Fortschritt erreicht worden: In den Überwachungskommissionen seien neben den Vertragspartnern nun auch Vertreter von Bund und Ländern anwesend. Positiv sei auch, dass die Richtlinien der Bundesärztekammer (zentrale Normen für das Transplantationsgeschehen) vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigungspflichtig gemacht wurden.
Gleichwohl sei die organisationsrechtliche Konstellation höchst problematisch. Schwer würde vor allem die fehlende Legitimation der Ärztekammer wiegen, Gerechtigkeitsentscheidungen über Leben und Tod zu treffen.
Das
Hirntodkonzept
habe lange Zeit unangefochten gegolten. Seit einigen Jahren sei es aber in die Kritik geraten. Ist der Hirntod tatsächlich das Todeskriterium des Menschen? Die Befürworter bezögen sich auf die herausragende Bedeutung des Gehirns als zentrale Steuerungsinstanz für alle Lebensvorgänge. Gegner hingegen konstatierten, dass der angenommene Zusammenhang zwischen Hirntod und vollständigem Zusammenbruch der körperlichen Funktionen widerlegt sei. Neuere neurologische Forschungen ließen nicht den Schluss zu, das ausschließlich das Gehirn die Steuerungsfunktion übernehme. Hirntote wiesen vielmehr Vitalzeichen auf, könnten z. B. Stoffwechselprozesse aufrecht erhalten, Infektionen bekämpfen, Körpertemperatur regulieren.
Auch ein kohärenztheoretisches Argument spreche gegen den Hirntod. Für den Lebensbeginn komme es nach herrschender Auffassung nicht auf die Gehirntätigkeit an. Niemand behaupte, dass das Leben mit Beginn des Gehirns beginne. Somit könne schlecht behauptet werden, dass der Tod eintrete, wenn das Gehirn nicht mehr funktioniert.
Unter Verfassungsrechtlern mit medizinrechtlicher Ausrichtung werde das Hirntod-Konzept nicht mehr befürwortet, da es mit dem Grundrecht auf Leben nicht vereinbar sei. Diese Kritik sei bis in die Politik noch nicht vorgedrungen.
In der anschließenden
Diskussion
ging es vor allem um das Hirntod-Konzept.
Ein teilnehmender Mediziner ergänzte, dass es sich bei Patienten mit diagnostiziertem Hirntod immer um Intensivtherapierte handelt, d. h. beatmete mit intensiv-medikamentösen Maßnahmen am Leben erhaltene Patienten. Bei Abschaltung der organunterstützenden Maßnahmen würde die Patienten in kürzester Zeit versterben. Nur äußerst selten sei unter der Voraussetzung einer Beatmung noch ein Leben über einen etwas längeren Zeitraum möglich. Außerdem sei das Gehirn unzweifelhaft ein besonderes Organ. Leber / Nieren könnten ersetzt werden, ein Gehirn sei nicht ersetzbar. Vor seinem eigenen ärztlichen Erfahrungshintergrund sei das Konzept der Hirntod-Feststellung korrekt vertretbar.
Im weiteren wurden zwei Vorschläge zur Weiterentwicklung unterbreitet:
1. Wichtig sei es, die organisationsrechtliche Seite zu verbessern. Vorbild könne das Schweizer Modell einer
Verstaatlichung
mit staatlicher Kontrolle sein.
2. Das
Hirntod-Konzept
müsse anders gefasst werden. Der Hirntote sterbe unwiederbringlich, gleichwohl sei er ein sterbender Mensch. Doch Todesnähe mache nicht rechtlos. Die Grundrechte seien die vornehmsten Abwehrrechte gegen staatliche Zugriffe. Nach der (juristischen) Theorie der weiten Tatbestandsauslegung müsse man, wenn man nicht so genau wisse, einen weiten Schutzbereich eröffnen. Da wir den Zeitpunkt des Lebensanfangs und Lebensendes nicht genau kennen, spreche viel für eine weite Auslegung der Verfassung mit einem weitgehenden Schutz.
Unter folgenden Bedingungen könne Organspende / Transplantationen dennoch möglich werden: Im deutschen Rechtssystem sei Tötung auf Verlangen untersagt. Wenn § 216 (Strafgesetzbuch, Tötung auf Verlangen) teleologisch reduziert würde, würden Fälle, bei denen der Sterbeprozess unumkehrbar eingesetzt hat, nicht erfasst werden. Wenngleich auch diese Einordnung fragil sei, könne dennoch - so Prof. Lang - das Transplantationswesen damit ‚gerettet’ werden.
Die höchst interessante Diskussion hat sehr deutlich gezeigt: Strukturelle Veränderungen sind dringend erforderlich. Ein offener gesellschaftlicher Diskurs muss unbedingt geführt werden.
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