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Es beinhaltet im Kern eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit den östlichen Nachbarn der Europäischen Union (EU), die voraussichtlich im April 2009 auf einem EU-Sondergipfel vom Europäischen Rat angenommen werden soll. Die so genannte „östliche Partnerschaft“ soll in Zukunft als Ergänzung zur Europäischen Nachbarschaftspolitik die Beziehungen der Länder Ukraine, Moldau, Georgien, Aserbaidschan, Armenien und Belarus zu den Mitgliedsstaaten der EU intensivieren. Gleichzeitig soll eine multilaterale Komponente die regionale Zusammenarbeit stärken, ohne den beteiligten Staaten allerdings einen Beitrittsmechanismus in Aussicht zu stellen.
Seit der letzten EU-Erweiterungsrunde und der Orangenen Revolution in der Ukraine mehrten sich auf den verschiedenen politischen Ebenen innerhalb der EU die Stimmen, die für eine Verdichtung der Beziehungen der EU zu ihren östlichen EU-Anrainer eintreten, um Demokratie, Sicherheit und Stabilität auch östlich der Außengrenzen der EU zu fördern und die Energiesicherheit in Europa zu gewährleisten. So fordert z.B. der Europaparlamentarier Elmar Brok (EVP) in seinem Bericht über das Strategiepapier der Kommission zur Erweiterung 2007 („Brok-Papier“ ), die Europäische Kommission auf, für diese Staaten einen Raum zu schaffen, der auf die gemeinsamen Politiken der Union aufbaut, „um eine schrittweise Annäherung an die EU-Standards zu erreichen und so den Weg zu ihrer immer umfassenderen Integration in das europäische Haus zu ebnen“.
Ähnliche Positionen zur „Ostpolitik“ der EU werden auch in Polen vertreten, welches sich aus historischen und kulturellen Gründen als Anwalt dieser Staaten betrachtet. Im Mai 2008 legten Polen und Schweden ein Konzept zur „östlichen Partnerschaft“ vor. Krzysztof Lisek (PO), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Sejm, unterstrich bei der Vorstellung dieses Arbeitspapiers im polnischen Parlament, dass die neue Ostpolitik der EU „kolossale strategische Bedeutung“ haben werde. Reformerische Kräfte werden in den östlichen Anrainerstaaten der EU gestärkt und fördern so die Modernisierung der gesamten Region.
Die grundsätzliche Übereinstimmung der deutschen und polnischen Positionen zu diesem Thema erfährt jedoch in der Zielvorstellung der EU-Erweiterung eine wichtige Einschränkung. Während man sich über die praktischen politischen Implikationen einer wirksamen Politik für die östlichen Partner der EU weitgehend einig ist, bestehen Differenzen darüber, ob die „östliche Partnerschaft“ bereits eine konkrete Vorstufe zum EU-Beitritt ist oder nicht. Anders als der deutsche Standpunkt, der im „Brok-Papier“ zum Ausdruck kommt und sich vorerst auf die Formel „alles außer den Institutionen“ verkürzen lässt, besteht in Polen weitgehende Einigkeit, dass eine europäische „Ostpolitik“ eine ausdrückliche Vorstufe zu einer Erweiterung der Union darstellt.
Inhaltliche Ziele der „östlichen Partnerschaft“
Das Konzept der „östlichen Partnerschaft“ sieht entsprechend dem polnisch-schwedischen Vorstoß vom Mai vor, eine gegenüber dem bisherigen Mechanismus der Europäischen Nachbarschaftspolitik engere bilaterale Partnerschaft zwischen den sechs östlichen Partnerländern und den 27 Staaten der Europäischen Union zu fördern. Darüber hinaus werden multilaterale Perspektiven eröffnet, um gemeinsamen Herausforderungen zu begegnen und die demokratischen Transformationsprozesse in den einzelnen Ländern zu stärken.
Die bilaterale Dimension – engere Anbindung an die EU
Durch Assozziierungsabkommen (AA) sollen auf bilateraler Ebene engere Verbindungen zwischen der EU und den Zielländern erreicht werden. Jedes dieser Abkommen, welches individuell gestaltet werden soll und somit Rücksicht auf die politische und wirtschaftliche Situation im jeweiligen Land nehmen kann, soll die Zielländer politisch und wirtschaftlich näher an die EU binden. Bei der Umsetzung dieser AA kann die EU auf ihre Erfahrungen bei der Implementierung der Stabilisierung- und Assozziieriungsabkommen (SAA) zurückgreifen, die mit den Staaten des westlichen Balkans unterzeichnet wurden und den vorgeschlagenen AA inhaltlich und strukturell sehr ähnlich sind. Dabei ist jedoch der deutliche Unterschied hervorzuheben, dass die SAA zwischen der EU und den Westbalkan-Staaten ausdrücklich Vorstufe zu Beitrittsverhandlungen mit der EU sind.
Im Rahmen dieser AA sind Kooperationen zwischen den östlichen EU-Anrainerstaaten und der EU in verschiedenen Bereichen vorgesehen. Im vorgelegten Papier werden insbesondere die Arbeitsfelder graduelle Annäherung an den europäischen Wirtschaftsraum, Mobilität und Sicherheit, Energiesicherheit und die Unterstützung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen erwähnt.
Die multilaterale Dimension – vier regionale Plattformen
Zwischen der Ukraine, der Republik Moldau, Georgien, Armenien, Aserbaidschan und Belarus sollen vier multilaterale Plattformen zu folgenden Themen geschaffen werden, um eine engere regionale Verzahnung in den Bereichen zu erreichen: 1. Demokatie, verantwortungsvolle Regierungsführung und Stabilität, 2. wirtschaftliche Integration und Annäherung an die EU-Standards, 3. Energiesicherheit und 4. grenzübergreifende Kontakte der Bevölkerung. Das dem Konzept beiliegenden Arbeitspapier schlägt Themen für die Arbeit in diesen vier Kernbereichen vor (Commission Staff Working Document).
Begleitet werden sollen diese multilateralen Arbeitsfelder durch so genannte Leuchtturm-Initiativen in folgenden Bereichen: Integriertes Grenzverwaltungsprogramm; Verbesserung der Kreditbereitstellung für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU); Förderung regionaler Strommärkte, der Energieeffizienz und erneuerbarer Energieträger; Entwicklung des südlichen Energiekorridors (Die EU unterstützt zur Diversifizierung der Energiequellen und -transportwege den Bau der Nabucco-Pipeline von Baku (Aserbaidschan) über Georgien und die Türkei bis nach Österreich); Zusammenarbeit bei der Katastrophenvorsorge und der Bewältigung natürlicher und von Menschen verursachter Katastrophen.
Das neue Konzept der europäischen „Ostpolitik“ – Starke politische Symbolik
Das Konzept der „östlichen Partnerschaft“ enthält nüchtern betrachtet zunächst einmal wenig Neues. Dies gilt sowohl für die inhaltliche Ausgestaltung der verschiedenen Kooperationskonzepte, die an bestehende Instrumente der EU anknüpfen (z.B. Europäische Nachbarschaftspolitik ) als auch die institutionelle Gestaltung, die auf früheren Initiativen aufbaut. Mit dem Vorschlag die bestehende (geographische) Lücke zwischen Schwarzmeer-Synergie und nördlicher Dimension zu schließen, sendet die EU allerdings starke symbolische Signale an die teilnehmenden Länder aus. Die „östliche Partnerschaft“ ist somit sicher kein Neuanfang der europäischen „Ostpolitik“, aber dennoch ein wichtiger politischer Anstoß für neue Initiativen und könnte zu einer „neuen Qualität der Nachbarschaftspolitik“ führen, wie es der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments Jacek Saryusz-Wolski (PO) dem polnischen Boulevard-Magazin Fakt erklärte. Nach dem Vorstoß des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy eine Mittelmeerunion („Barcelona-Prozesses – Union für das Mittelmeer“) ins Leben zu rufen, ist es nun insbesondere der polnisch-schwedischen Initiative zu verdanken, dass die Staaten östlich der EU-Außengrenzen nicht aufs politische Abstellgleis geraten. In Polen wird deshalb die „östliche Partnerschaft“ auch als ausdrückliches Gegengewicht zur Mittelmeerunion gesehen.
Auch begegnet die EU mit dieser östlichen Wertepartnerschaft der russischen Logik der „geopolitischen Einflusssphären“ auf dem europäischen Kontinent, die sich nach dem Georgienkonflikt deutlich abgezeichnet hatte. Gleichzeitig wird jedoch betont, dass die „östliche Partnerschaft“ parallel zur strategischen Partnerschaft der EU mit Russland vorangetrieben werden soll und man ausdrücklich nicht die Absicht habe „neue Trennlinien in Europa“ (José Manuel Barroso) zu schaffen. Mit diesem Schritt und der bereits vorher beschlossenen Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Russland öffnet die EU Moskau die Tür zu gemeinsamen Gesprächen, macht allerdings gleichzeitig unmissverständlich deutlich, dass europäische Werte auch in den Beziehungen der EU zu ihren osteuropäischen Anrainern gelten.
Mit dem Vorschlag der östlichen Partnerschaft erhofft man sich zudem einen wenngleich eingeschränkten Dialog mit Belarus herbeizuführen. Das Land gilt als „letzte Diktatur Europas“ und ist in keines der regionalen Projekte – insbesondere auch nicht in die Europäische Nachbarschaftspolitik - der EU eingebunden. Im Papier wird jedoch ausdrücklich hervorgehoben, dass „das Format der Teilnahme Belarus’ an der „östlichen Partnerschaft“ von der Entwicklung der allgemeinen Beziehungen zwischen Belarus und der EU“ abhänge. Ob dies jedoch gelingt, scheint ebenso wie die Teilnahme des belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko am Gründungsgipfel der „östlichen Partnerschaft“ im Frühjahr 2009 mehr als fraglich.
Als problematisch am Vorschlag der „östlichen Partnerschaft“ wird von Experten die Heterogenität der Zielstaatengruppe angesehen, die weder eine gemeinsame Identität noch gemeinsame Interessen verbinden. Zusätzliche Transformationsanreize von Seiten der EU können somit im Rahmen dieser Initiative nur sehr selektiv gegeben werden. Insbesondere der Ukraine, die eine Vollmitgliedschaft in der EU anstrebt, bietet das Konzept keinen Vorteil gegenüber dem status quo. Die Tatsache, mit Ländern wie Moldau oder Armenien, für die eine EU-Beitrittsperspektive in mehr als weiter Ferne liegt, in eine Schublade gesteckt zu werden, erweckt dort nicht gerade eine breite Zustimmung für diesen Vorstoß der EU. Dennoch hat die GUAM-Gruppe (Georgien, Ukraine, Aserbaidschan, Moldau) den polnisch-schwedischen Entwurf in der so genannten Batumi-Deklaration begrüßt und somit eine Grundlage zur erfolgreichen Umsetzung des Konzepts geschaffen.
Für die Funktionsfähigkeit des Konzeptes der „östlichen Partnerschaft“ ist von herausragender Bedeutung, dass Kooperationen mit allen 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union entwickelt werden und nicht nur diejenigen EU-Staaten, die sich traditionell stark für die östlichen Anrainerstaaten der EU einsetzten an diesen Plänen teilnehmen. Schon an den geteilten Reaktionen, die der schwedisch-polnische Vorschlag in der EU hervorrief, lässt sich ablesen, dass Überzeugungsarbeit zu leisten ist: Während in den Staaten der Visegrad-Gruppe, bei den Ostseeanrainern Schweden und Finnland und auch in Deutschland positive Aspekte die Diskussion um die „östliche Partnerschaft“ dominierten, übten vor allem Bulgarien und Rumänien Kritik. Sie fürchten, dass die „östliche Partnerschaft“ „ihre“ Initiative der Schwarzmeersynergie in den Hintergrund drängt. Auch Länder wie Italien, Spanien und Frankreich zeigten sich nicht zuletzt wegen ihrer Fokussierung auf den Mittelmeerraum eher skeptisch gegenüber dem neuen Vorschlag.
In diesem Sinne gilt es, das neue Konzept inhaltlich mit Leben zu füllen, konkrete Maßnahmen und Projekte zu entwickeln und diese umzusetzen. Wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der „östlichen Partnerschaft“ könnten die tschechische (1. Halbjahr 2009) und insbesondere die schwedische (2. Halbjahr 2009) und die polnische EU-Ratspräsidentschaft (2. Halbjahr 2011) geben. Allerdings gibt es in Polen auch Stimmen, die sich über das Konzept kritisch äußern. Der stellv. Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Sejm Paweł Kowal (PiS) wies darauf hin, dass der polnisch-schwedische Vorschlag gerade im Vergleich zur Mittelmeerunion „zu wenig ambitioniert“ und nur als eine „kleine Modifizierung der Nachbarschaftspolitik“ zu betrachten sei und die EU für die Region klare Beitrittsperspektiven geben müsse .Die polnische Regierung aus Bürgerplattform und Polnischer Volkspartei hält dennoch an diesem Konzept fest, um ihre Vorreiterrolle in der europäischen „Ostpolitik“ auszubauen.
Auch aus Sicht des Präsidenten des Deutschen Bundestages Norbert Lammert (CDU) spräche manches dafür, das Thema "europäische Ostpolitik" zu einem Schwerpunkt zu entwickeln. Denn damit ginge auch die prinzipielle Frage nach der weiteren Entwicklung der EU“ einher. Dabei unterstrich er, dass die gemeinsame Entwicklung und Verwirklichung des Konzeptes der „östlichen Partnerschaft“ durch Deutschland und Polen, die in dieser Frage ähnliche Interessen verfolgen, eine Chance für die gemeinsame Arbeit beider Länder sein könnte.
“Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020: Welche Agenda für Berlin?“ (Teil I)
“Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020: Welche Agenda für Berlin?“ (Teil II)
“Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020: Welche Agenda für Berlin?“ (Teil III)
„Die Seele des Europaprojekts neu entdecken“
Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert Europas sein