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Länderberichte mal anders

Inklusive Bildung in Usbekistan

Inklusion weltweit – Aktueller Stand aus Usbekistan

Die Integration von Menschen mit Behinderungen in alle Bereiche der Gesellschaft hat eine hohe Priorität für das moderne Usbekistan. Bereits 2009 hat Usbekistan das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNCRPD) unterzeichnet und 2021 ratifiziert. Seit dem Amtsantritt von Präsident Schawkat Mirsijojew im Jahr 2016 wurden große Anstrengungen unternommen, um angemessene Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen zu schaffen und ihnen Zugang zu Bildung zu gewährleisten.

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Statistische Daten

Usbekistan zählt heute mehr als 37 Millionen Einwohner. Nach den neuesten Daten weisen rund 14 Prozent der usbekischen Bevölkerung (ab 3 Jahren) eine Behinderung auf. 3,5 Prozent der Bevölkerung sind schwerbehindert. 54 Prozent der Behinderungen sind altersbedingt.

Betrachtet man die Kennzahlen, ist aber folgender Hinweis erforderlich: Die Zahlen beziehen sich nur auf die Menschen, die vom Staat offiziell als behindert registriert sind. Es gibt jedoch auch Menschen mit Behinderungen, die nicht gemeldet werden. Für eine offizielle Registrierung müssen entsprechende Dokumente einer speziellen Kommission vorgelegt werden. Erst wenn die Kommission feststellt, dass die Person tatsächlich behindert ist, wird sie in das Register aufgenommen und erscheint in den Statistiken. Eine automatische Registrierung wurde noch nicht umgesetzt. Aus diesem Grund gibt es nicht registrierte Usbekinnen und Usbeken, die zu Hause von Familienmitgliedern betreut werden und nicht in den Statistiken auftauchen.

 

Gesellschaftliche Akzeptanz und Integration

Die Haltung gegenüber Menschen mit eingeschränkten Möglichkeiten in Usbekistan ist ein Erbe der früheren Sowjetzeit. Anstatt Bedingungen zu schaffen, die die Integration dieser Menschen in die Gesellschaft ermöglichen, sodass sie unter den gleichen Bedingungen wie ihre Altersgenossen studieren und arbeiten können, hat sich die in der Sowjetunion angewandte Praxis gehalten, spezielle Bildungseinrichtungen für diese Menschen zu gründen und sie von der Gesellschaft getrennt zu behandeln. Deshalb gibt es Sonderschulen für Behinderte. In Regelschulen sind behinderte Kinder sehr selten anzutreffen.

In den meisten Fällen werden sie zu Hause unterrichtet. Frauen sind in der Regel einer doppelten Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Behinderung ausgesetzt. Beispielsweise kann sich die Behinderung eines Mädchens aufgrund der in der Gesellschaft vorherrschenden negativen Stereotypen negativ auf ihre Zukunft oder sogar auf die Zukunft ihrer anderen Familienmitglieder auswirken. Infolgedessen verheimlichen Eltern oft die Einschränkungen ihrer Kinder, insbesondere ihrer Töchter, und wenden sich nicht an die Behörden, um die Behinderung registrieren zu lassen. In vielen Fällen schämen sich Eltern und Verwandte für ihre Kinder und versuchen, sie aus Angst vor sozialer Stigmatisierung zu Hause zu behalten. Dies verstärkt ihre soziale Isolation und führt zu Anpassungsproblemen, wenn sie älter werden.

Als Anreiz für die Registrierung einer Behinderung in Usbekistan dient die monatliche Invaliditätsrente. Sie beträgt Dezember 2023 800.000 UZS (ca. 64 USD). Aber erstens wegen der stereotypen Haltung gegenüber Menschen mit eingeschränkten Möglichkeiten in der Gesellschaft und zweitens wegen der bürokratischen Schwierigkeiten, die mit der Eintragung einer Behinderung in das Register verbunden sind, vermag auch diese Rente oftmals nicht dazu zu motivieren, sich registrieren zu lassen.

 

Reformen

Die usbekische Regierung ist sich des sowjetischen Erbes bewusst und hat in den letzten Jahren eine Vielzahl an Reformen auf den Weg gebracht, um die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Präsident Schawkat Mirsijojew verkündete am 3. Dezember 2022, dem Internationalen Tag für Menschen mit Behinderungen, dass Usbekistan eine integrative Gesellschaft schaffen werde, in der alle Bürgerinnen und Bürger, einschließlich Menschen mit Behinderungen, die gleichen Chancen haben. Im Jahr 2020 wurde das Gesetz über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verabschiedet. Im Bildungssystem wird zurzeit ein Programm zur Entwicklung einer inklusiven Bildung umgesetzt.

Usbekistan hat – wie eingangs erwähnt – die UN-Behindertenrechtskonvention am 7. Juli 2021 ratifiziert. Der Beitritt zur Konvention soll dazu beitragen, die nationale Gesetzgebung und das Sozialschutzsystem für Menschen mit Behinderungen weiter zu verbessern und mit internationalen Normen und Standards in Einklang zu bringen.

Bereits im Jahr 2020 hat die Regierung das Konzept für die Entwicklung der inklusiven Bildung im Bildungssystem für die Jahre 2020–2025 verabschiedet. Im Konzept sind unter anderem folgende Aufgaben enthalten:

  • Aufbau eines inklusiven Bildungssystems, spezielle Ausstattung der allgemeinen Bildungseinrichtungen und Ausbildung von spezialisierten Lehrkräften,
  • Schrittweise Ausstattung der Internate mit speziellen Anlagen.

Darüber hinaus sieht das Konzept vor, dass bis 2025

  • der Anteil der Kinder mit Behinderungen, die allgemeinbildende Schulen besuchen, von 16,5 Prozent auf 40 Prozent steigt,
  • der Anteil der Kinder mit Behinderungen in spezialisierten Schulen von 26,8 auf 16 Prozent sinkt,
  • der Anteil der Kinder, die zu Hause unterrichtet werden, von 16,8 auf 11 Prozent sinkt.

Im Schuljahr 2021/2022 wurde in 42 allgemeinbildenden Schulen in einigen Städten und den Bezirken der Hauptstadt Taschkent ein inklusives Bildungssystem versuchsweise eingeführt. Die positiven Erfahrungen sollen schrittweise auf andere Regionen des Landes ausgeweitet werden.

Im Jahr 2023 wurde zudem die Nationale Agentur für Sozialschutz unter dem Präsidenten Usbekistans gegründet. Im Land leben neun Millionen Menschen, die sich in einer schwierigen Situation befinden. Dazu gehören beispielsweise Menschen mit Behinderungen, alleinlebende ältere Menschen oder Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Die neue Agentur wird sich um den sozialen Schutz dieser Bevölkerungsgruppen kümmern. Auch die Schaffung eines günstigen Umfelds für die Existenzsicherung von Menschen mit Behinderungen gehört zu ihren Aufgaben.

Der usbekische Rechtsrahmen enthält neuerdings das Konzept inklusiver Bildung. Im Jahr 2020 wurde erstmals eine Definition der inklusiven Bildung in das Bildungsgesetz aufgenommen. Artikel 15 des Gesetzes klassifiziert die inklusive Bildung als eine Form der Bildung. Artikel 9 besagt, dass behinderte Kinder oder Kinder, die einer Langzeitbehandlung bedürfen, in staatlichen spezialisierten Schulen, allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen inklusiv oder individuell zu Hause unterrichtet werden.

 

Zugang zur Bildung

In Usbekistan wurde ein Konzept für die Entwicklung des Hochschulwesens bis 2030 entwickelt. Das Konzept sieht folgende Maßnahmen zur Entwicklung inklusiver Bildung vor:

  • Erweiterung der Bildungsangebote für Studentinnen und Studenten mit Behinderungen und Verbesserung ihrer Qualität, Entwicklung inklusiver Bildungsprozesse, Einführung adaptiver Technologien,
  • Schaffung umfassender Bedingungen für die soziale Anpassung von Studentinnen und Studenten mit Behinderungen, Förderung des Inklusionsgedankens.

Um Menschen mit Behinderungen zu fördern, werden ihnen bevorzugte Rechte bei der Zulassung zu Hochschulen eingeräumt. In diesem Zusammenhang wendet der usbekische Staat eine Maßnahme der positiven Diskriminierung an, das heißt er gewährt bestimmten Minderheiten besondere Privilegien und Vorteile, zum Beispiel aufgrund einer Behinderung oder anderer Faktoren. Es wurden zwar Gesetze und Verordnungen erlassen, die verschiedene Quoten und Vergünstigungen im Bildungsbereich vorsehen. Dennoch sind in der Praxis die meisten Bildungseinrichtungen nach wie vor nicht barrierefrei. Es werden auf der Ebene der Hochschulen und Universitäten keine angemessenen Bedingungen für Studentinnen und Studenten mit Behinderungen geschaffen.

Die inklusive Bildung in Usbekistan, die auf dem gleichberechtigten Zugang von Menschen mit Behinderungen zum allgemeinen Bildungssystem basiert, befindet sich in einem frühen Entwicklungsstadium. Daher ist es noch schwierig, unter den Bedingungen einer unterentwickelten inklusiven Schulbildung und der damit verbundenen ungleichen Ausgangslage für Studienbewerberinnen und Studienbewerbern mit Behinderungen von einer inklusiven Hochschulbildung zu sprechen. Deshalb sind in der aktuellen Entwicklungsphase der inklusiven Bildung staatliche Quoten und Vergünstigungen im Bildungsbereich notwendig. Die Initiativen und Reformen der letzten Jahre geben jedoch Hoffnung, dass eine inklusive Bildung langfristig erreicht werden kann.

Derzeit wird in Usbekistan die Entwicklungsstrategie „Usbekistan 2030“ umgesetzt. Sie gliedert sich in fünf Schwerpunkte, die in 100 Ziele unterteilt sind. Zwei dieser Ziele betreffen die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Diese sind:

  • Ziel 23: Einrichtung eines neuen Systems zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und Schaffung eines komfortablen und unterstützenden Umfelds für sie.
  • Ziel 28: Senkung der Arbeitslosenquote auf sieben Prozent durch Gewährleistung einer stabilen und effektiven Beschäftigung der Erwerbsbevölkerung (einschließlich Jugendlicher und Menschen mit Behinderungen).

Die Strategie „Usbekistan 2030“ unterstreicht einmal mehr, dass die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen auch zukünftig hohe Priorität genießt. Zweifelsohne besteht eine der wichtigsten Aufgaben des Landes darin, geeignete Rahmenbedingungen für die inklusive Bildung zu schaffen und weiterzuentwickeln sowie die materiell-technische Basis inklusiver Bildungseinrichtungen zu stärken. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um Stereotype und kulturell bedingte Vorurteile in der Gesellschaft abzubauen.

 

Schlussfolgerung

Die Inklusion im Bildungsbereich in Usbekistan ist ein neues Konzept, das sich in den letzten sieben Jahren entwickelt hat. Obwohl sie auf dem Weg ist, sich zu verbessern, gibt es aber noch viele Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, um eine wirklich inklusive Bildung für alle Menschen zu gewährleisten.

Usbekistan hat verschiedene Gesetze und Vorschriften erlassen, um den Zugang zur Bildung für Personen mit Behinderungen, zu verbessern. Dazu gehört auch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention. Das Recht auf Bildung ist in der usbekischen Verfassung verankert und wird durch verschiedene nationale Programme und Strategien unterstützt. Das neue Gesetz über die Bildung von 2020 beinhaltet den Begriff „Inklusion“.

Gleichzeitig gibt spezialisierte Schulen und Klassen für Personen mit besonderen Bedürfnissen. Deren Integration in allgemeine Schulen nimmt in den letzten Jahren zu. Einige reguläre Schulen haben begonnen, inklusive Bildung anzubieten, stecken jedoch noch in den Kinderschuhen. Viele Schulen und Bildungseinrichtungen nicht vollständig barrierefrei, was den Zugang für Personen mit Behinderungen erschwert. Es gibt einen Mangel an speziell ausgebildeten Lehrkräften, die auf die individuellen Bedürfnisse eingehen können. Es besteht ein Bedarf an erhöhter Sensibilisierung und Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft und der Bildungsgemeinschaft für inklusive Bildung.

Die Weiterentwicklung der inklusiven Bildung in Usbekistan hängt von kontinuierlichen Reformen und Investitionen in die Bildungsinfrastruktur und die Ausbildung von Lehrkräften ab. Die usbekische Regierung hat in den letzten Jahren gezeigt, dass der Schutz und die Förderung von Menschen mit Behinderungen hohe Priorität genießt. Da die Reformen im Land politisch nicht umstritten sind und gleichzeitig das internationale Ansehen erhöhen, ist davon auszugehen, dass Usbekistan sein Engagement fortsetzen wird. Um das Ziel einer inklusiven Bildung zu erreichen, wird Usbekistan jedoch Unterstützung benötigen. Deutschland mit seiner langjährigen Erfahrung sollte diese Chance ergreifen und sich Usbekistan als verlässlicher Partner anbieten, um die sich bereits verbessernde Inklusion im Land weiter zu stärken.

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Pessoa de contato

André Algermißen

Algermissen, Andre

Leiter des Regionalprogramms Zentralasien

andre.algermissen@kas.de +49 30 26996-3945
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Barbara Bergmann bild

Referentin für Inklusionsfragen in der Europäischen und Internationalen Zusammenarbeit

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