Título único
INTERNATIONALE KLIMASCHUTZVERPFLICHTUNGEN
Wenn es darum geht, bei den internationalen Klimaschutzbemühungen proaktiv mitzuwirken, ist Mexiko das Vorzeigeschwellenland schlechthin. Es hat sich nicht nur als erster Nicht-Annex-I-Staat freiwillig den ambitionierten Reduktionszielen für 2050 angeschlossen. Auch im Vorfeld der COP 21 in Paris sorgte Mexiko für große Aufmerksamkeit, weil es seinen INDC pünktlich und mit einem unerwartet ehrgeizigen Beitrag einreichte: Bis 2030 will das Land selbstständig ohne die Unterstützung des internationalen Klimaschutzregimes seine Treibhausgasemissionen um 22 Prozent gegenüber einem Business-as-usual-Szenariosenken. Sollte das Pariser Abkommen zu einer intensiveren multilateralen Klimaschutzkooperation, insbesondere in Form umfassenderer Technologietransfers und zusätzlicher internationaler Finanzierung, führen, könnte sich Mexiko sogar auf ein erhöhtes Minderungsziel von 36 Prozent festlegen.
Damit stehen den Sektoren mit den höchsten Anteilen am CO2-Ausstoß in Mexiko drastische Anpassungen bevor: In einem Regierungsdokument zum Thema wird bspw. festgehalten, dass die mexikanische Industrie gemeinsam mit dem Energiesektor bis 2030 43 Prozent ihres Stroms von „sauberen” Energiequellen beziehen und emissionsmindernde Technologien verstärkt einbeziehen muss. Im Transportbereich werden u. a. strengere Umweltregulierungen und Auflagen für Fahrzeuge und Industrieanlagen notwendig sein. Wichtig sind auch der Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems und die Förderung von Investitionen in strombetriebene Fahrzeuge. Daneben soll im Baugewerbe die Konstruktion von nachhaltigen und energieeffizienteren Gebäuden begünstigt werden. Zudem strebt Mexiko laut INDC unter Einbeziehung des Forstwirtschaftssektors einen rigorosen Entwaldungsstopp an.
Für die mexikanische Regierung gilt es, ihr Engagement im Kampf gegen den Klimawandel auch auf nationaler Ebene in einen rechtsverbindlichen Rahmen einzubetten und ein breit angelegtes Instrumentarium zur Mobilisierung von öffentlichen, internationalen und privaten Finanzmitteln zu etablieren.
GESETZLICHE VERANKERUNG DES INDC
Über die letzten zehn Jahre hat Mexiko mit Blick auf seine Klimaschutzpolitik beachtliche Fortschritte erzielt. Den größten Meilenstein der mexikanischen Klimapolitik bildet das „Allgemeine Klimagesetz” von 2012. Hier sind allgemeine Klimaziele, Strategien und Pläne aufgeführt, die darauf ausgerichtet sind, bis 2050 die Treibhausgasemissionen des Landes um 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 zu reduzieren. Daneben sollen die „sauberen” Energien bis 2024 mit mindestens 35 Prozent zur Stromerzeugung beitragen. Auf dieser Grundlage wurde im Juni 2013 die Nationale Klimastrategie 10-20-40 erlassen, eine Art Routenplaner mit konkreten Maßnahmen für die nächsten zehn, zwanzig und vierzig Jahre. Darüber hinaus trat 2014 das sogenannte „Klimawandel-Spezialprogramm 2014–2018” in Kraft mit 23 Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes um mehr als 80 Millionen Tonnen gegenüber dem Business-as-usual-Szenario.
Über diese Hauptinstrumente mexikanischer Klimapolitik hinaus untermauern zahlreiche Strukturreformen im Energiesektor die Klimaschutzpolitik noch zusätzlich. Hierbei fällt das Klimawandel-Gesetz, das die nachhaltige Energienutzung regulieren und die CO2-Emissionen im Stromsektor verringern soll, besonders stark ins Gewicht. Das Nationale Erneuerbare-Energien-Programm von 2015 knüpft an das oben genannte Spezialprogramm an und legt klare Ausbauziele für erneuerbare Energien fest.
INSTRUMENTE ZUR KLIMAFINANZIERUNG
Was die Bereitstellung von finanziellen Mechanismen zur Minderung von CO2-Emissionen anbelangt, so hat Mexiko über die letzten Jahre aufgeholt. Dies ist auch notwendig, wenn es seine ambitionierten Klimaschutzziele erreichen möchte. Den Schätzungen zufolge wird der mexikanische Staat bis 2030 zwischen 160 und 170 Milliarden US-Dollar dafür aufbringen müssen.
Allerdings gestaltet sich die Umsetzung zum Teil noch sehr schwerfällig. Bestes Beispiel dafür ist der mexikanische Klimafonds. Er wurde 2013 eingerichtet, um die gesamten Finanzmittel, die von der Regierung, dem Privatsektor und den internationalen Geldgebern für den Klimaschutz zur Verfügung gestellt werden, zu bündeln und auf die verschiedenen Mitigations- und Anpassungsprogramme bzw. -maßnahmen zu verteilen. Bis zum Jahr 2016 erhielt der Fonds jedoch aufgrund mangelnder gesetzlicher Regelungen und Koordinierung keine Mittel. Eine aktuell diskutierte Reform des Allgemeinen Klimagesetzes soll hier Abhilfe schaffen. Immerhin konnten durch klarere Regulierungen zuletzt bereits kleinvolumige Emissionsminderungsmaßnahmen in Höhe von 1,35 Millionen US-Dollar gefördert werden.
Neben dem Klimafonds existiert noch ein weiterer nationaler Fonds, der jedoch wesentlich geringere Mittel aufwenden konnte. Der „Fonds für den Energiewandel und die nachhaltige Energienutzung” (FOTEASE) konnte innerhalb von sechs Jahren 39 Projekte mit einem Gesamtbudget von knapp 9,1 Millionen mexikanische Peso (ca. 700.000 US-Dollar) finanzieren.
Ergänzend dazu wurde 2014 eine CO2-Steuer eingeführt. Damit sollen große Unternehmen und Verbraucher mit einem höheren Preis für fossile Energieträger belegt und zu einem sparsameren Umgang mit den endlichen Energieressourcen angeregt werden. Der Ertrag, der aus dieser Steuererhebung resultiert, soll für konkrete Reduzierungsmaßnahmen und den Ausbau erneuerbarer Energien verwendet werden. Im Vergleich zu anderen Ländern, die ebenfalls eine Abgabenlast auf die Nutzung von fossilen Brennstoffen erhoben haben, erzielte ihre Umsetzung in Mexiko aber nicht die erwarteten Ergebnisse. Das lässt sich in erster Linie auf den sehr niedrigen Steuersatz zurückführen, den der mexikanische Fiskus im Rahmen der letzten Steuerreform festgesetzt hat. Während der globale Durchschnittssatz für eine solche Gebühr bei 20 bis 30 US-Dollar je Tonne CO2 liegt, sind es in Mexiko gerade einmal fünf US-Dollar. Damit werden lediglich drei Prozent des Kraftstoffpreises besteuert, was in etwa einem Aufpreis zwischen fünf und 15 Cent pro konsumierten Liter Benzin, Diesel, Heizöl o. ä. gleichkommt. Die meisten Unternehmen ziehen es naturgemäß vor, diesen niedrigen Aufpreis zu zahlen anstatt große Investitionen für den klimafreundlicheren und ressourcenschonenderen Umbau ihrer Industrieanlagen aufzuwenden. Ein weiterer Schwachpunkt liegt darin, dass Erdgas von dieser Abgaberegelung ausgeschlossen ist, weil es laut nationalem Klimaschutzgesetz unter die Kategorie der „sauberen” Energien fällt. Dass es von 2014 auf 2015 zu einer erheblichen Minderung der Steuereinnahmen kam, hängt vor allem damit zusammen. Mexikos Stromerzeugung baute nämlich in diesen Jahren zunehmend auf Erdgas anstatt auf Erdöl. Während im Jahr 2014 noch knapp 520 Millionen US-Dollar durch diese Steuer in den Bundeshaushalt flossen, waren es 2015 nur noch 410 Millionen. Kritisch ist auch, dass bis zu diesem Zeitpunkt weder Klarheit über den Verwendungszweck des gesamten bisherigen Steueraufkommens herrscht noch geeignete Maßnahmen ermittelt worden sind, für die die Gelder verwendet werden könnten.
Ein weiteres Finanzwerkzeug, das die mexikanische Regierung bis 2018 etablieren möchte, ist ein Zertifikatssystem für erneuerbare Energien. Bei diesem Quotenmodell legt der Staat die Höhe des Anteils erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch des Landes fest und verpflichtet die Stromproduzenten und -lieferanten dazu, einen bestimmten und im zeitlichen Verlauf steigenden Anteil ihrer Stromproduktion bzw. -lieferung aus regenerativen Energien zu decken. Die Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen erhalten für ihre Stromproduktion Zertifikate, die sie auch an andere Akteure im Energiemarkt verkaufen können. Erwähnenswert ist zudem ein Emissionshandel-Pilotprojekt, mit dem die Regierung den Privatsektor auf einen geplanten verpflichtenden nationalen Emissionshandel ab 2018 vorbereitet.
Schlussendlich hat Mexikos Regierung auch die Rahmenbedingungen für die Erschließung von Green Bonds geschaffen. Bis 2016 konnte die nationale Entwicklungsbank von Mexiko, Nacional Financiera (NAFIN), dadurch insgesamt Anleihen in Höhe von 500 Millionen US-Dollar herausgeben. Mexikos Hauptstadt beteiligte sich mit 50 Millionen. 2018 wird für den Bau des neuen internationalen Flughafens die Ausgabe einer „grünen” Anleihe in Höhe von stattlichen sechs Milliarden US-Dollar erwartet.
BETEILIGUNG DES PRIVATSEKTORS AM KLIMASCHUTZ
Die mexikanische Energiebranche kann beim Klimaschutz auf einen nennenswerten Finanzbeitrag privater Unternehmen verweisen. Die Energiereform von 2013 machte dies möglich. Sie öffnete den mexikanischen Energiesektor für ausländische Investoren und liberalisierte damit vor allem den nationalen Strommarkt. In den Artikeln 25, 27 und 28 der Reform wird festgehalten, dass Unternehmen in Mexiko Strom erzeugen und verkaufen dürfen. Das bis dahin fest verankerte Monopol des staatlichen Stromversorgers CFE wurde somit aufgelöst und durch einen freieren Großhandelsmarkt ersetzt. Gleichzeitig schafft die Reform Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energien: Bis 2050 sollen 50 Prozent des Stroms aus regenerativen Energiequellen kommen. Private Unternehmen, die sich im mexikanischen Strommarkt beteiligen wollen, können verpflichtet werden, ihren Strom aus erneuerbaren Quellen zu produzieren oder zu beziehen. Mittels staatlich regulierter Ausschreibungen und der nachträglichen Versteigerung von Grünstromzertifikaten vergab die Regierung in den letzten zwei Jahren zahlreiche Konzessionen an ausländische Firmen. Bei der ersten Stromauktion für erneuerbare Energien entfielen 75 Prozent der vergebenen Elektrizitätslieferungen auf Solarenergie und 25 Prozent auf Windkraftprojekte. Bei der zweiten Energieauktion wurden 16 Solarprojekte ausgeschrieben. Bis 2019 werden 34 Firmen 6,6 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energien investieren.
Die anderen Sektoren, insbesondere der Transportsektor, die aufgrund ihrer hohen Emissionsquoten um einen größeren Klimaschutzbeitrag bemüht sein sollten, haben es bis heute nicht geschafft, private Finanzquellen in bedeutender Form zu erschließen. Es fehlen dafür ein sicherer Rechtsrahmen und klare politische Zielvorgaben, die potenzielle Unternehmen ermutigen, bedeutende Finanzspritzen für emissionsmindernde Projekte zu vergeben.
Staatliche Programme zur Unterstützung nachhaltiger Projekte oder von Ökokrediten für kleine und mittelständische Unternehmen versuchen, die Beteiligung des Privatsektors zu steigern. Wie wirksam diese Programme sind, ist jedoch aufgrund fehlender Instrumente zur Sicherung der Transparenz nicht konkret zu bestimmen. Damit ist ein viel grundsätzlicheres Problem rund ums Thema der Finanzierung von Klimaschutzprojekten in Mexiko angesprochen: Vertreter aus dem öffentlichen und privaten Sektor stimmen überein, dass es für die Erfüllung der eingegangenen Minderungsverpflichtungen wichtig ist, die tatsächlichen Wirkungen der zahlreichen Maßnahmen sichtbar zu machen und zu quantifizieren. Das würde mehr Vertrauen in Mexikos Klimapolitik schaffen und hätte darüber hinaus den Vorteil, im Falle negativer Entwicklungen gegensteuern zu können. Ein wiederkehrendes Argument von Vertretern des privaten Sektors in der Diskussion um die Mobilisierung privater Klimafinanzierung ist zudem die Notwendigkeit, einen klaren Rechtsrahmen zu fördern. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Definition von Eigentumsrechten und auf steuerliche Anreize gelegt werden.
ÜBER DIE AUTORIN
Janina Grimm-Huber ist Projektkoordinatorin für Klima, Energie und Umwelt im Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mexiko-Stadt.