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Der Tod des „lieben Führers“ und die koreanische Unsicherheit

Der Abgang des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-il von der Weltbühne am 17. Dezember hat einmal mehr demonstriert, in welchem Ausmaß Nordkorea ein Problem für die Weltgemeinschaft ist.

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Die jahrelange Politik der Abschottung und Selbstisolation bewirkte, dass die internationale Berichterstattung weit überwiegend von Spekulationen geprägt ist. Südkorea, der entfremdete Bruderstaat auf der koreanischen Halbinsel, bildet davon keine Ausnahme. Hier stehen die Fragen nach den Chancen der Konsolidierung der neuen Führung in Pjöngjang, den Aussichten für die innerkoreanischen Beziehungen und der Zukunft der regionalen Sicherung im Mittelpunkt des Interesses.

Präsident Lee ahnungslos, andere nicht

Die Nachricht kam Montag kurz vor Mittag und überraschte in Seoul fast jeden einschließlich der Staatsführung: Ausgerechnet an seinem 70. Geburtstag und einigen Medienberichten zufolge inmitten einer aus diesem Anlass veranstalteten Feier im „Blue House“, dem Präsidentenpalast, wurde der südkoreanische Staatschef Lee Myung-bak vom Tod des „lieben Führers“ im Norden unterrichtet. Trotz seines hohen Amtes und der ihm damit zur Verfügung stehenden nachrichtendienstlichen Apparate hatte Lee offenbar keinen Informationsvorsprung vor seinen Landsleuten. Das bestätigte indirekt auch Wiedervereinigungsminister Yu Woo-ik, der in überraschender Offenherzigkeit gegenüber Medienvertretern kundtat, man habe vorab keinerlei Anhaltspunkte für diese Entwicklung gehabt. Damit wird indirekt die seit Längerem nicht nur innerhalb Koreas, sondern auch aus dem befreundeten Ausland geäußerte Kritik wegen derzeit mangelnder Professionalität der südkoreanischen Sicherheitsdienste bestätigt. Präsident Lee besetzte nach seinem Wahlsieg 2007 Schlüsselpositionen in diesen Ämtern mit loyalen Gefolgsleuten aus seiner Zeit als Seouler Bürgermeister. Diese Statthalter gelten nicht unbedingt als sachkompetent, und ihnen wird auch in dieser Situation das Versagen der Dienste angelastet. Solche Kritik findet sich u.a. auch in den einschlägigen Blogs, wo man sich fragt, wie die Regierung in Seoul insbesondere nach den militärischen Provokationen des Nordens im vergangenen Jahr (Versenkung eines südkoreanischen Kriegsschiffs und Beschuss einer Insel) noch immer in so hohem Maße ahnungslos sein konnte. Pikant wird dieser Umstand dadurch, dass andere offenbar früher und besser über den Tod Kim Jong-ils informiert waren. So sollen Wirtschaftsjournalisten von der Strategieabteilung im Elektronikzweig eines der weltbekannten südkoreanischen Industriekonglomerate bereits am Montagvormittag den vielsagenden Hinweis erhalten haben, sich am Nachmittag nichts vorzunehmen, da sie dann sehr beschäftigt sein würden. Das betreffende Unternehmen dementierte dies zwar inzwischen, aber ohne Effekt.

Reaktionen im Süden: Äußerlich unbewegt, im Innern nervös

Wer gedacht hatte, die Südkoreaner würden die Todesnachricht emotional aufnehmen, sah sich getäuscht. Zahlreiche Menschen hielten sich mittags, zum Zeitpunkt der Bekanntgabe, in Restaurants auf und verfolgten nach außen hin unbeteiligt die Sondersendungen des Fernsehens. Kundgebungen jeglicher Art waren nicht zu beobachten. Vielmehr dominierte Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Nachbarn im Norden und der innerkoreanischen Beziehungen. Die Äußerungen von Passanten, die von den südkoreanischen Medien befragt wurden, reflektierten auch Ängste, z.B. vor einer Invasion des Südens durch den Norden, die sich aus der Unberechenbarkeit speisen, welche das bestimmende Markenzeichen Pjöngjangs in der bilateralen und der internationalen Politik geworden ist.

Das offizielle Seoul wollte Gelassenheit verbreiten und reagierte nach Standardverfahrensregeln: Versetzung der gesamten Streitkräfte und der Polizei in die zweithöchste Stufe der Alarmbereitschaft sowie der Botschaften und des gesamten öffentlichen Dienstes in den Zustand der ständigen Notfallbereitschaft. Der Nationale Sicherheitsrat trat zu einer Sondersitzung zusammen, und Präsident Lee beriet sich telefonisch mit den Staats- und Regierungschefs der USA, Japans und Russlands. Außer Verlautbarungen mit den herkömmlichen Versicherungen gegenseitiger Unterstützung und Zusammenarbeit kam dabei nichts Wesentliches heraus. Noch einen Tag später konnten sich die im Parlament vertretenen Parteien jedoch noch nicht einmal darauf einigen, wie und in welcher Form Pjöngjang gegebenenfalls offiziell kondoliert werden soll. Der Regierungsaktionismus konnte auch nicht verhindern, dass der Aktienindex KOSPI kurzfristig um fünf Prozentpunkte nachgab und schließlich mit einem Minus von rund drei Prozent schloss. Hier kamen die Sorgen der Anleger vor einer langfristigen politischen Instabilität auf der koreanischen Halbinsel und in Nordostasien zum Ausdruck, wenngleich Ratingagenturen versicherten, man werde Südkorea auch weiterhin ausschließlich auf der Basis seiner volkswirtschaftlichen Daten einstufen.

Wie glaubwürdig ist die Trauer im Norden?

Obwohl eine Sondersendung im nordkoreanischen Fernsehen schon am Montagmittag den Tod des Staatsführers bekannt gab, deuten andere Faktoren darauf hin, dass die meisten Nordkoreaner zu diesem Zeitpunkt davon nichts wussten und die Nachricht erst am späten Montagabend erhielten. Der Grund liegt in dem eklatanten Energiemangel, der zu unregelmäßiger Stromversorgung und mithin zu unzureichendem Fernsehempfang führt. Ausländische Journalisten halten deshalb die in westlichen Medien verbreiteten Bilder von z.T. hysterisch weinenden Menschen in Pjöngjang für gespielt und vermuten, dass weitere solche Aufnahmen in den kommenden Tagen in den Provinzen arrangiert werden. Dahinter steht die These, dass Kim Jong-il, obwohl nach außen mit der in Nordkorea gebotenen Ehrfurcht betrachtet, von vielen Menschen gleichwohl nicht als erfolgreicher „Führer“ angesehen wird, weil in seine Regierungszeit Hungersnöte und wirtschaftlicher Niedergang fallen.

Sein Ansehen unterscheidet sich signifikant von dem seines Vaters, des Staatsgründers und „ewigen Präsidenten“ Kim Il-sung (1912-1994). Das erklärt auch, weshalb der offizielle Personenkult sich wesentlich stärker auf den Vater als auf den Sohn konzentriert; noch in der vorvergangenen Woche war im Stadtbild Pjöngjangs kaum ein Bild Kim Jong-ils zu sehen, während öffentliche Gebäude von überlebensgroßen Darstellungen seines Vaters geziert sind. Die Bevölkerung war durch das annähernd einjährige Ausbleiben öffentlicher Auftritte des Staatschefs nach seinem mutmaßlichen Schlaganfall 2008 an die Aussicht eines vorzeitigen Ablebens gewöhnt, so dass sein Tod im Grunde nicht völlig überraschend gewesen sein kann. Hinzu kommt, dass der designierte Nachfolger Kim Jong-un, der zweite Sohn aus der dritten Ehe seines Vaters, erst 2009 den Nordkoreanern offiziell mit Bild präsentiert wurde. Der dickliche junge Mann muss jedoch auf jeden Durchschnittsbewohner des Nordens so wirken, als ob er im Gegensatz zur Bevölkerung immer gut und ausreichend zu essen hat und nie leiden musste. Dieses Faktorenbündel dürfte das Ausmaß der wahren Anteilnahme reduzieren.

Nachfragen zu den Umständen von Kim Jong-ils Tod

Japanische Beobachter weisen auf gewisse Ähnlichkeiten der Umstände beim Tod Kim Jong-ils und seines Vaters hin. Wie Kim Il-sung starb auch Kim Jong-il an einem Samstag – im Westen wäre dies nichts Bemerkenswertes, aber hierzulande reicht dies als Ausgangspunkt für weitere Vergleiche. Vater und Sohn Kim erlagen nach offiziellen Angaben jeweils einem Herzinfarkt; das kann, muss aber nicht zwingend auf vorhandene körperliche Beeinträchtigungen zurückzuführen sein. Beide starben genau dann, als Nordkorea, nach einer Periode fortgesetzter Spannungen vornehmlich mit den USA und Südkorea, von sich aus in eine Phase der vorsichtigen Öffnung gegenüber dem Westen habe eintreten wollen, wie behauptet wird. Tatsächlich sagt der Blick auf die 2012 anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, dass zumindest in Südkorea die Chance für einen Mehrheitswechsel im Parlament vorhanden ist, ebenso die Aussicht, dass Ende nächsten Jahres wieder ein Vertreter einer versöhnlicheren innerkoreanischen Politik ins Blaue Haus kommt. Das gleiche lässt sich für die USA, den wichtigsten Verbündeten Seouls, zwar nicht uneingeschränkt behaupten, aber Washington könnte sich einer neuerlichen Annäherungspolitik Südkoreas nur mit sehr guten Gründen verweigern.

Gibt es also in der nordkoreanischen Elite traditionelle Kräfte, die sich einem solchen Vorhaben ihrer Führung konsequent entgegenstellen, weil sie dadurch zu viel zu verlieren hätten? Bleibt auch noch die Frage des zeitlichen Abstands zwischen dem Todestag beider Kims und dem Datum der offiziellen Bekanntgabe. Bei Kim Il-sung waren es 34 Stunden, bei Kim Jong-il aber 51 Stunden. In Südkorea wertet man dies dahingehend, dass es offenbar schon so kurz nach dem Tod des „lieben Führers“ erste Unstimmigkeiten innerhalb der Staatselite bezüglich der Regelung der Nachfolge gegeben haben könnte und zieht Rückschlüsse auf das Durchsetzungsvermögen des erwählten „großen Nachfolgers“ (so der offizielle Schmucktitel) Kim Jong-un.

Kim Jong-un: der neue starke Mann?

Kim Jong-il hat seinem Sohn und designierten Nachfolger bei weitem nicht dieselbe Zeit gelassen, um sich im Umgang mit Macht und Einfluss zu üben, die er selbst hatte: Seine „Lehrzeit“ in hohen Positionen von Staat und Partei betrug annähernd 20 Jahre, die seines Sohnes gerade einmal rund zehn Prozent davon. Der Nachfolger hat als Aktiva seiner neuen Position jetzt nurmehr seinen Namen und seine allseits bekannte Herkunft aufzuweisen. Insofern kann er der Bevölkerung von der Propaganda als „natürlicher“ Thronanwärter verkauft werden, und dies schützt ihn zunächst auch vor möglichen Umsturzversuchen. Im koreanischen Senioritätskontext, der diesseits und jenseits der Grenze gilt, ist er allerdings durch seine nach hiesigen Maßstäben extreme Jugend geradezu belastet. Dies, zusammengenommen mit seiner fehlenden Berufserfahrung, ist ein ziemliches Handicap, das erst einmal bewältigt werden will, gleich welche Voraussetzungen der Vater Kim Jong-il geschaffen hat, um die „Erbfolge“ zu sichern. Zusätzlich absichern könnte sich der Sohn auch mit der Unterstützung seiner Tante Kim Kyong-Hui und deren Ehemann Jang Song-thaek, die beide in Partei und Staat wichtige Machtpositionen einnehmen, wenn sie als Mentoren fungieren. Aber auch diese Familienhilfe kann nicht als zwingend vorausgesetzt werden. Größte Herausforderung für Kim Jong-un dürften aber die Erwartungen seiner „Untertanen“ sein. Wenngleich sich das Land systematisch gegen vermeintlich schädliche Einflüsse von außen abschottet, lassen sich im Inneren Erwartungshaltungen der Menschen auf bessere Lebensbedingungen nur sehr schwer unterdrücken. Dazu wiegen die Belastungen durch die täglichen Lebensumstände zu schwer. Zu erwarten ist also, dass Kim Jong-un nach außen hin vielleicht mit bedingungslosem Jubel empfangen werden wird, die Menschen jedoch innerlich ganz konkrete Erwartungen an ihn haben, an denen er gemessen werden wird und die den Grad der tatsächlichen Loyalität beeinflussen.

Ist Wandel in Nordkorea vorstellbar?

Dass diese Erwartungen tatsächlich bestehen, daran kann es keinen Zweifel geben. Sie sind mit Händen zu greifen, wenn man mit einzelnen Vertretern von Staatspartei und obersten Regierungsbehörden spricht. Diese Personen schon als eine Reformbewegung zu bezeichnen, ginge aber zu weit. Es handelt sich im Wesentlichen um eine spezielle Gruppe, nämlich diejenigen, die aus eigener Anschauung wissen, wie die Welt außerhalb Nordkoreas aussieht. Dazu zählen beispielsweise, aber nicht ausschließlich, Diplomaten sowie die Vertreter der für Außenhandel zuständigen Behörden und deren Familien, die beruflich bedingt länger im Ausland gelebt haben. Viele von ihnen genießen Privilegien, weil sich z.B. unter ihren Ahnen loyale Kampfgefährten Kim Il-sungs befinden – in Nordkorea ein immenser Wertfaktor, der deren Kindern, Enkeln und nachfolgenden Generationen noch immer zahlreiche Vorzüge bringt. Glaubt man ihnen, gibt es sowohl in der Staatsführung als auch auf einer mittleren Führungsebene immer mehr Anhänger einer Denkschule, wonach es auf dem gegenwärtigen Weg nicht mehr länger weitergehen kann. Dies werde vor allem von Personen mit wirtschaftlichem Ausbildungshintergrund vertreten. Die Notwendigkeit, sich mindestens im Wirtschaftsrecht internationalen Standards anzupassen, um wenigstens ein paar Investoren ins Land holen zu können, wachse. Solche Ansätze sind immerhin kleine Hoffnungszeichen, wenngleich der Führungswechsel nach allgemeiner Auffassung in Seoul das Risiko mit sich bringt, dass sie zunächst einmal auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt werden könnten, bis die neue Führung sich auch inhaltlich ausgerichtet hat. Ob diese Ausrichtung von der Tatsache beeinflusst wird, dass Kim Jong-un im Westen, vornehmlich in der Schweiz, ausgebildet wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit voraussagen.

Wie geht es weiter in Pjöngjang?

Südkoreanische Experten erwarten zunächst keine Machtkämpfe im Norden, weil man dort derzeit unnötige Risiken für den Regimefortbestand vermeiden wolle. Im Gegenteil wird es für viel naheliegender gehalten, dass schon jetzt eine Reihe sie stabilisierender Maßnahmen von der neuen Führung eingeleitet wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass der erwählte Nachfolger Kim Jong-un, wie vorgesehen, die Positionen seines verstorbenen Vaters allmählich übernimmt. Der Zeitrahmen hierfür wird zunächst von einer längeren Trauerperiode beeinflusst werden, die im Fall Kim Jong-ils fast drei Jahre betrug. Die unmittelbare Konsolidierung seiner Machtposition wird sich günstigenfalls wahrscheinlich in den nächsten drei bis zwölf Monaten vollziehen. Ein erster Anhaltspunkt dafür sind die für den 100. Geburtstag von Kim Il-sung am 15. April 2012 seit Längerem vorgesehenen, großen Jubiläumsfeierlichkeiten, wozu in den letzten Monaten u.a. Tausende von Studenten aus Hörsälen auf Baustellen abkommandiert wurden, um bei der Fertigstellung entsprechender Jubelprojekte des Wohnungsbaus u.ä. mitzuhelfen. Aus propagandistischer Sicht wäre der Anlass sehr gut geeignet, um den neuen „großen Nachfolger“ angemessen in Szene zu setzen, wenngleich in einer weniger von Jubel als vielmehr von Gedenken an die beiden verstorbenen Führer geprägten Atmosphäre. Ein öffentlicher Auftritt hier wäre für Kim Jong-un die logische Konsequenz aus den Lehren seines Vaters. Dieser schreibt in einem Buch über die in Nordkorea offiziell geltende „Tschutsché“-Staatsideologie: „Wenn sie ihre Position einnehmen und ihre Rolle als Subjekte der Geschichte erfüllen sollen, müssen die Volksmassen in Kontakt mit der Führung gebracht werden.“

Umgekehrt gilt natürlich auch, dass ein Führer in dem Maß an Akzeptanz gewinnt, in dem er für die Bevölkerung sichtbar und als Mensch erfahrbar ist. Nicht umsonst wurde der Sohn vom Vater in den letzten beiden Jahren verstärkt in dessen landesweite Besuchsreisen und Inspektionstouren gezielt eingebunden. Immerhin wurde Kim Jong-un jetzt schon an die Spitze des mehr als 200 Personen zählenden Gremiums berufen, das die Beisetzungsfeierlichkeiten für seinen Vater organisieren wird. Das allerdings ist nur die protokollarische Seite. Von größerer Bedeutung für Nordkorea und die Region Nordostasien wird die Richtung sein, die der neue Führer in Sicherheitsfragen einschlägt. Das sehen auch die Blogger im Süden so.

Innerkoreanische Beziehungen

„Unser Verhältnis wird auf absehbare Zeit erst einmal im Nebel liegen“, sagt ein südkoreanischer Experte für die bilateralen Beziehungen auf der koreanischen Halbinsel voraus und begründet dies mit der bereits erwähnten Wartezeit für die Konsolidierung der Machtverhältnisse im Norden, aber auch mit den 2012 anstehenden Urnengängen im Süden. Überstehen beide Länder diese Phase ohne Probleme, ergäben sich erneute Kooperationsmöglichkeiten. Darauf hoffen bestimmte politische Kräfte im Süden. Die oppositionelle Demokratische Partei, politische Heimat der mit der südkoreanischen „Sonnenscheinpolitik“ der Annäherung an den Norden assoziierten Präsidenten Kim Dae-jung (1998-2003) und Roh Moo-hyun (2003-2008), übermittelte dem Norden ihr „tiefstes Mitleid“, während die regierende Große Nationalpartei in einer Erklärung mitteilte, dass nach der Auffassung der Parteiführung keine Änderungen im Auftreten Nordkoreas zu erwarten seien und Südkorea daher auf alle Szenarien vorbereitet sein müsse.

Sicherheit in der Region Nordostasien

Die Sechs-Parteien-Gespräche sind Ende 2008 zum Stillstand gekommen. Trotz dieser multilateralen Bemühungen, Nordkoreas Nuklearambitionen einzudämmen, hat das Land nach südkoreanischen Informationen seitdem seine Nuklearkapazitäten (waffenfähiges Plutonium und nukleare Sprengköpfe) vervierfacht und zwei Nukleartests durchgeführt. Die bisherige Kritik an der Strategie der anderen fünf Parteien richtet sich darauf, dass die Gespräche im Grunde nur als Hintergrund für direkte bilaterale Verhandlungen zwischen den USA und Nordkorea gedient haben, wobei Nordkorea häufig mit Erfolg die anderen fünf Parteien gegeneinander ausspielte, um direkte Gespräche mit den USA führen zu können, und nur diese brachten letztendlich Fortschritte. Was mit der Absicht gestartet wurde, Nordkorea durch die fünf Parteien zu steuern, endete mit der Steuerung der fünf Parteien durch Nordkorea, so die südkoreanische Sichtweise. Der Konsens der Beobachter ist, dass, sofern sich Nordkorea nicht grundlegend in seinem Verhalten ändert und auch militärische Provokationen gegenüber dem Süden zukünftig nicht unterlässt, sich keine signifikante Änderung der Sicherheitslage in Nordostasien hin zu mehr Frieden und Sicherheit ergeben kann - genau dies aber lässt sich in dieser Absolutheit von der neuen Führung in Pjöngjang so nicht erwarten: Diese wird sich mit Sicherheit die „Provokationsoption“ weiterhin offenhalten, da sie erfahrungsgemäß keinerlei Konsequenzen Südkoreas und der USA nach sich zieht und die politisch-militärische Hilflosigkeit Seouls immer wieder aufs Neue öffentlichkeitswirksam aufzeigt. Um den schlimmsten Fall eines „nuklearen Hooligans“ Nordkorea zu verhindern, wird die Volksrepublik China als Schlüsselmacht wenn nicht zur Lösung des Problems, so doch zur Mäßigung Nordkoreas angesehen. Diese Sichtweise übersieht jedoch die z.T. erheblichen Vorbehalte, die u.a. in der Partei der Arbeit Nordkoreas – trotz aller materieller und diplomatischer Unterstützung durch den einzigen Verbündeten – bestehen, weil das nordkoreanische, nuklear aufgeblähte Selbstbewusstsein in den vergangenen Jahren nur durch Interventionen Pekings an seine Grenzen gestoßen ist. Massive Unmutsäußerungen über China kann man in Pjöngjang von vielen Parteifunktionären in aller Offenheit hören, weil man sich dort über das „ungleiche Verhältnis“ echauffiert, durch das die bilateralen Beziehungen zu China geprägt seien. Von daher ist derzeit nicht erkennbar, warum ein „großer Nachfolger“ Kim Jong-un sich an die Leine Pekings legen lassen sollte.

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