„Die 20er sind das Jahrzehnt, das von Bildungs-, Forschungs- und Innovationsfragen geprägt sein wird“, prognostizierte Anja Karliczek in Berlin. Damit steht Deutschland an einer entscheidenden Dekade und den Anspruch an die Bildungslandschaft in Deutschland legte sie auch direkt fest: „Mittelmaß kann im Bildungssystem nicht der Anspruch Deutschlands sein. Wir brauchen Spitzenleistung in der Breite“, schließlich verstünden wir uns selbst als Bildungsnation.
Keine(r) kann alles, niemand kann nichts
In der Erfolgsdefinition der Ministerin sind zwei Gedanken enthalten, die Professor Norbert Lammert noch konkreter formulierte: „Das deutsche Bildungssystem ist dann gerecht und erfolgreich, wenn das entscheidende Kriterium für Bildungserfolg die persönliche Leistung ist – und nicht der sozioökonomische Hintergrund“, so der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung. Schließlich gehe es darum, jedem einzelnen Menschen die Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen und ihn zu befähigen, seine ganz individuellen Chancen nutzen zu können. Ganz im Sinne eines der Kernsätze der Thesen-Präambel: „Jeder Mensch ist einzigartig, jede(r) kann etwas, keine(r) kann alles, und niemand kann nichts.“
Leistungen objektiver bewerten
Jedoch werde Leistung häufig subjektiv eingeschätzt, allein der „falsche“ Vorname könne zu einer schlechteren Bewertung führen, kritisiert Katja Urbatsch, Gründerin und Geschäftsführerin von ArbeiterKind.de: „Das muss objektiviert werden.“ Sie wünscht sich, das sich besonders im Bildungssystem alle diesem Tabuthema widmen würden, weiß aber: „Mit den eigenen Vorurteilen setzen wir uns nur ungern auseinander.“
„Dualsystem der beruflichen Ausbildung attraktiver zu machen“
Vorurteile gebe es auch bei der Wahl zwischen beruflicher oder akademischer Ausbildung. Immer mehr Schulabsolventen entscheiden sich für ein Hochschulstudium, weil Eltern vermeintlich „Besseres“ für ihre Kinder wollen und sie in dieser Wahl bekräftigen. Professor Friedrich Hubert Esser schlägt daher vor, das Dualsystem der beruflichen Ausbildung attraktiver zu machen. Auch hierbei gehe es darum, jedem einzelnen Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, das Talent, das in ihm steckt, entfalten zu können, sagt Karliczek und ergänzt: Die Talente der Kinder zu erkennen, „das können weniger die Eltern, das braucht den Blick von außen. Das ist aber schwer zu institutionalisieren.“ Darin könne die Bildungspolitik besser werden.
„Die Logiken und Mechanismen der digitalen Welt verstehen“
Auch die fortschreitende Digitalisierung setzt das Bildungssystem unter Druck: Deutschland brauche ein Gesamtkonzept zur Medienbildung, damit die Jugendlichen mediale Skills erwerben und „die Logiken und Mechanismen der digitalen Welt verstehen“ lernen, fordert Professor Andreas Rödder. Den Mensch 1.0 sozusagen fit machen für Welt 4.0.
„Gute Bildung braucht […] faszinierende und begeisterte Lehrer“
Während Lammert es bedenklich findet, dass Influencer in den Sozialen Medien immer stärkeren Einfluss auf das Weltbild und die Interessen Jugendlicher hätten, sieht Karliczek die Schüsselrolle bei den Lehrern: „Gute Bildung braucht gute Lehrerinnen und Lehrer, faszinierende und begeisterte Lehrer haben den größten Einfluss auf Schüler, größer als Influencer“, betont sie.
„Schule muss der unersetzbare Ort personaler Bildung sein“
Professorin Susanne Lin-Kitzing hat eine Antwort auf die Problematik: „Schule muss der unersetzbare Ort personaler Bildung sein“, denn nur dort lernten die Schüler beispielsweise zu begründen, warum sie zu einer bestimmten Meinung oder Position kommen. Schließlich müssten die Kinder nicht nur mit den digitalen Medien umgehen können, sondern in der analogen genauso wie in der digitalen Welt urteilsfähig werden, wie Karliczek es formulierte. Hier, wie auch in den anderen Feldern der Bildungspolitik, legen die jetzt veröffentlichten Thesen der Adenauer-Stiftung „die Finger an die Wunde“, so die Ministerin, „um richtige Leitplanken für die weitere Entwicklung zu setzen.“
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