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Kommunalwahlen in Brasilien – Rückschlag für den Bolsonarismus

de Anja Czymmeck, Kevin Oswald, Ariane Costa
In 5570 brasilianischen Städten und Gemeinden fand am vergangenen Sonntag die erste Runde der Kommunalwahlen statt, bei denen 150 Millionen Brasilianer dazu aufgerufen waren, neue Bürgermeister und Stadtverordnete zu wählen. Bei einer in Corona-Zeiten erwartet niedrigen Wahlbeteiligung haben die Kandidaten der etablierten Parteien der Mitte überwiegend gut abgeschnitten, während der Urnengang für Staatspräsident Bolsonaro zwar einen beachtlichen Dämpfer bedeutet, jedoch als Stimmungstest hinsichtlich der Präsidentschaftswahl 2022 nur bedingt Aussagekraft besitzt.

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Wahlergebnisse und Abschneiden der verschiedenen Parteien

Bei den Kommunalwahlen am 15.11.2020 zeichnete sich ab, dass die Kandidaten um die wichtigsten Bürgermeisterämter der größten brasilianischen Städte, die von Jair Bolsonaro offen unterstützt wurden, ins Hintertreffen geraten sind. Von den 13 Kandidaten, für die der Präsident beispielsweise per Video-Liveschalte noch im Endspurt des Wahlkampfs geworben hatte, sind 9 bereits im ersten Wahlgang gescheitert. So schaffte es Celso Russomano (Republicanos) als Viertplatzierter (10,5 Prozent) in São  Paulo ebenso wenig in die Stichwahl wie Bruno Engler (PRTB), der in Belo Horizonte lediglich knapp 10 Prozent der Stimmen holte und die Wiederwahl des amtierenden Bürgermeisters Alexandre Khalil (PSD) bereits im ersten Wahlgang somit nicht zu verhindern wusste[1]. In Rio de Janeiro und Fortaleza zogen die Kandidaten des Bolsonarismus jeweils als Zweitplatzierte in die Stichwahl ein. Lediglich in den weniger relevanten Großstädten Ipatinga in Minas Gerais und in Parnaíba im Nordosten des Landes siegten die entsprechend unterstützten Kandidaten klar[2].

Auch der Niedergang der einst stolzen und erfolgsverwöhnten Arbeiterpartei PT setzte sich bei den Kommunalwahlen fort. So ist der Partido dos Trabalhadores (PT) zwar die Partei, die 15 und damit die meisten Kandidaten in die am 29.11. anstehenden Stichwahlen in den 57 Großstädten des Landes schicken wird[3], im Kampf um die Bürgermeisterämter in den 27 Hauptstädten der Bundesstaaten sieht es jedoch düster aus. Lediglich in Recife sowie in Vitória haben die Kandidaten der Partei von Ex-Präsident Lula noch Erfolgschancen. Andere im Parteienspektrum links einzuordnende Kleinparteien, allen voran die PSOL (Partei für Sozialismus und Freiheit – Partido Socialismo e Libertade), die aus einer Abspaltung der PT hervorging, u.a. mit Guilherme Boulos im liberalen São Paulo, werden zunehmend zu relevanten politischen Kräften und scheinen gerade bei jüngeren Wählergruppen über großes Potenzial zu verfügen.   

Insgesamt lässt sich trotz eines außerordentlich diffusen Bildes angesichts des fragmentierten Parteiensystems und der Vielzahl an vertretenen Kandidaten diverser Parteien konstatieren, dass die Brasilianer anders als noch vor zwei Jahren dieses Mal überwiegend moderat konservativ gewählt und politische Extreme gemieden haben. Das Movimento Democratico Brasileiro (MDB), eine Catch-all-Partei der politischen Mitte hat beispielsweise bereits vor dem 2. Wahlgang landesweit 682 Bürgermeisterposten sicher und tritt in 7 der Hauptstädte der Bundesstaaten mit einem Kandidaten für die Stichwahl an. Auch die zweit- und drittmeisten Mandate verbuchten mit dem Partido Social Democrático (PSD) und den Progessistas (PP) Parteien, welche dem Zentrum zuzuordnen sind und als weitgehend ideologiefrei sowie programmatisch breit aufgestellt gelten.

Auch die liberal-konservative Partei Democratas (DEM), die der Christlich Demokratischen Internationalen und dem lateinamerikanischen Verbund christdemokratischer Parteien ODCA[4] angehört, verzeichnete mit der direkten Eroberung der Mandate in den wichtigen Hauptstädten Salvador, Curitiba und Florianópolis prestigeträchtige Erfolge und gewann landesweit mit insgesamt 398 über ein Drittel mehr Mandate als noch 2016. Zudem liegt man in Rio de Janeiro mit Eduardo Paes sehr aussichtsreich im Rennen. Der Partido da Social Democracia Brasileira (PSDB), ebenfalls eine Partei mit langer Tradition und ursprünglich sozialdemokratischen Wurzeln, die im Lauf der Jahre konservativer und schließlich zu einer Partei der Mitte geworden ist, verlor im Vergleich zu den Wahlen 2016 zwar stark, landete aber im landesweiten Vergleich mit gewonnenen 460 Mandaten noch immer auf dem vierten Platz. In den Hauptstädten Natal und Palmas siegten PSDB-Kandidaten bereits im ersten Wahlgang, während man in São Paulo, Teresina und Porto Velho in der Stichwahl vertreten sein wird.

Sicherlich auch bedingt durch die allgemeine Verunsicherung in Zeiten der Pandemie, die in Brasilien bereits über 165.000 Todesopfer gefordert hat[5], entschieden sich viele Bürger für (alt)bekannte Berufspolitiker, was zu Lasten der selbsternannten Anti-Establishment-Kandidaten und politischer Outsider ging. Ein Beleg dafür ist auch die hohe Zahl an Bürgermeistern, denen die Wiederwahl gelang.

Stichwahlen am 29. November in Sao Paulo und Rio de Janeiro – Was ist zu erwarten?

In der bevölkerungsreichsten Stadt des Landes São Paulo wird es am 29. November zu einer Stichwahl kommen. Der Kandidat des PSDB, Bruno Covas, erreichte mit 32,9 Prozent ein solides Ergebnis und lag in allen 58 Wahlbezirken vorne. Beachtlich ist allerdings auch das Resultat des noch in Schlagdistanz liegenden Zweiplatzierten des ersten Urnengangs. Guilherme Boulos von der Partei  PSOL kam auf 20,2 Prozent der Stimmen[6]. Politische Beobachter gehen davon aus, dass Boulos zwar mit Wählerstimmen rechnen kann, die im ersten Wahlgang noch auf andere Kandidaten aus dem linken Lager entfielen, Covas den Vorsprung wohl aber über die Ziellinie wird retten können. 

In Rio de Janeiro ging Eduardo Paes (DEM) mit 37 Prozent der Stimmen als klarer Sieger des ersten Wahlgangs hervor. Paes, der bereits von 2009 bis 2017 das Amt des Bürgermeisters in der Stadt am Zuckerhut innegehabt hatte, lag in 44 von 49 Wahlbezirken vorne. Der amtierende Bürgermeister Marcelo Crivella von den Republicanos – der Partei, der auch die Bolsonaro-Söhne Carlos und Flávio angehören – schaffte es mit 21,9 Prozent zwar noch deutlich vor den Kandidatinnen von PDT und PT als Zweitplatzierter in die Stichwahl, dürfte es jedoch sehr schwer haben, sein Amt zu verteidigen[7]. Paes Vorsprung vor dem von Bolsonaro unterstützten Crivella ist bereits beträchtlich, zudem gilt Paes als liberal und vielen Wählern aus dem linken Spektrum damit als „kleineres Übel“ im Vergleich zu dem evangelikalen Pastor Crivella. 

Schwierige Ausgangslage in der Pandemiezeit hat eine niedrige Wahlbeteiligung zur Folge

Aufgrund der Covid-19-Pandemie waren die Kommunalwahlen von Oktober auf den 15. Und 29. November um einen Monat verschoben worden. Dies bedeutet, dass die Übergangszeit zwischen dem feststehenden Wahlergebnis und der Amtsübernahme der neu gewählten Bürgermeister und Stadtverordneten die kürzeste in der Geschichte des Landes sein wird, was die Parteien vor große Herausforderungen stellt.

Obwohl sich die Zahl der Neuinfektionen in Brasilien (auf hohem Niveau) stabilisiert hat und pünktlich zu Beginn des brasilianischen Sommers vielerorts scheinbar wieder Normalität einkehrt, gab es im Vorfeld der Wahl Sorgen, dass Hygiene- und Abstandsregeln nicht eingehalten werden und sich der Urnengang so zu einer Art „Superspreading Event“ entwickeln könnte. Bereits während des Wahlkampfs hatte es beispielsweise in São Paulo Berichte über große Menschenansammlungen und die Missachtung der Maskenpflicht gegeben[8]. Im schlimmsten Fall, so stellten es Experten dar, könnten die Kommunalwahlen gar den idealen Nährboden für den Start einer zweiten Corona-Welle bieten, welche das brasilianische Gesundheitssystem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Kollabieren bringen würde[9]. Begründet ist diese Angst auch darin, dass die Möglichkeit der Briefwahl nicht gegeben war, gleichzeitig in Brasilien jedoch Wahlpflicht herrscht.

Die Wahlbeteiligung war mit 77 Prozent letztlich erwartet niedrig. Dies lässt darauf schließen, dass einige Brasilianer wohl tatsächlich lieber die selbst für ärmere Bevölkerungsschichten nahezu lächerlich geringe Strafe von 3,50 brasilianischen Reais, umgerechnet etwa 0,50 Euro, bezahlen, als sich dem verhältnismäßig hohen Ansteckungsrisiko in den Wahllokalen auszusetzen. Andererseits hatten viele Experten vor diesem Hintergrund eine dramatische hohe Zahl an Nichtwählern befürchtet. Dies hat sich trotz der nun geringsten Wahlbeteiligung in den letzten 20 Jahren nicht wirklich bestätigt, zumal die Wahlbeteiligung auch schon bei den vorherigen Kommunalwahlen im Jahr 2016 mit 82,4 Prozent relativ niedrig war.        

Personenbezogener Wahlkampf und der Einfluss der Milizen

Traditionell findet in Brasilien ein eher personenbezogener Wahlkampf statt, in dem man oft kaum erkennt, welcher Partei ein Politiker angehört. Das Wahlsystem erlaubt die Wahl einer Partei oder eines Kandidaten. Das brasilianische Parteiensystem ist extrem zersplittert und die meisten Parteien verfügen weder über eine Programmatik, noch sind sie ideologisch klar zuzuordnen. Darüber hinaus ist es bei Politikern fast zu einer Art Sport geworden, regelmäßig die Partei zu wechseln. Prominentestes Beispiel hierfür ist der Staatspräsident selbst, der bevor er 2018 für die rechtspopulistische Partei PSL antrat, sage und schreibe 9 Mal die Partei gewechselt hatte. Die meisten brasilianischen Wähler entscheiden sich letztlich für eine Person und so ist den Kandidaten zumeist jedes Mittel recht und kein Versprechen zu waghalsig.

So ist es möglich, dass ein Kandidat gewählt werden kann, ohne von seiner Partei einen Listenplatz erhalten zu haben. Deshalb ist es natürlich auch interessant, sich bei der Stimmenbeschaffung Verbündete zu suchen, die einem, egal mit welchen Mitteln, zu den erforderlichen Stimmen verhelfen. An dieser Stelle kommen häufig kriminelle Banden ins Spiel, die in der brasilianischen Politik munter mitmischen. Insbesondere im Bundesstaat Rio de Janeiro wird die Rolle von sogenannten Milizen, also kriminellen Organisationen, deren Mitglieder oftmals ehemalige Soldaten, Polizisten oder Sicherheitspersonal sind, als besonders bedenklich und deren Methoden als extrem perfide eingestuft. Die kriminellen Netzwerke kontrollieren das wirtschaftliche Geschehen und den Drogenhandel in ganzen Stadtvierteln, insbesondere den Favelas, in mafiaähnlicher Manier. Laut einer im Oktober veröffentlichten Studie ist über die Hälfte des Stadtgebiets von Rio de Janeiro Teil ihres Einflussbereichs, was bedeutet das 2,2 Millionen Einwohner unmittelbar betroffen sind[10].   

Im Jahr 2018 sorgte der Mord an der äußerst beliebten progressiven, lesbischen Stadträtin Marielle Franco für Furore, der bis heute keine vollständige Aufklärung erfahren hat. Es wird davon ausgegangen, dass Milizionäre den Auftragsmord durchführten und Verstrickungen dieser Banden weit über die Lokalpolitik hinaus bis in höchste politische Kreise bestehen. Auch im Vorfeld der diesjährigen Kommunalwahlen kam es zu zahlreichen Attacken auf Kandidaten und Kampagnenmitarbeiter, von denen alleine in diesem Jahr über 80 getötet wurden. Die Straflosigkeit und Gewalt ist keineswegs nur ein Problem der großen Städte Brasiliens, vielmehr kontrollieren Clans und kriminelle Banden auch den ländlichen Raum und versuchen dort in ihrem Sinne Einfluss zu nehmen.[11]

Fortschritte bei der politischen Partizipation von Frauen und der Repräsentativität von Minderheiten – “Coletivos” als neues politisches Phänomen

Der Anteil der weiblichen Kandidaten ist bei den Kommunalwahlen 2020 weiter angestiegen. Insgesamt bewarben sich 184.000 Frauen um politische Ämter, was einem Anteil von 33,4 Prozent entspricht. Bei den zurückliegenden Wahlen im Jahr 2016 hatte der Anteil bei 31,9 Prozent gelegen. Bemerkenswert ist zudem, dass der Anteil derjenigen Kandidaten, die sich selbst als “Schwarze oder Mischlinge” bezeichnen erstmals die Zahl der weißen Kandidaten übertraf. In São Paulo finden sich unter den 10 Stadträten mit den meisten Stimmen ein transsexueller Mann sowie eine transsexuelle Frau, was vor dem Hintergrund identitätspolitischer Debatten interessant ist und zeigt, dass sich die Diversität der brasilianischen Gesellschaft langsam aber sicher auch in der Politik widerspiegelt.

Auf der anderen Seite waren auch die Evangelikalen, eine für Präsident Bolsonaro essenziell wichtige Wählergruppe, stark vertreten und schickten ihrerseits zahlreiche Kandidaten ins Rennen. Auffallend war die hohe Zahl derjenigen, die ihre Kandidatur mit dem Zusatz Delegado, Coronel, Capitão oder Sargento versahen und damit unmissverständlich einen Hinweis darauf lieferten, dass sie als ehemalige Polizisten oder Militärs kandidierten. Auch wenn dies selbstverständlich keine Garantie für ein gutes Wahlergebnis darstellte, erwies es sich doch häufig als kluger Schachzug, da das Thema Sicherheit neben der Pandemie und der Bewältigung der wirtschaftlichen Konsequenzen in nahezu allen Landesteilen inhaltlich weit oben auf der Agenda stand.   

Ein neues Phänomen und gegebenenfalls eine Tendenz, die sich auch in Zukunft weiter fortsetzen könnte, waren die als “Coletivos” bezeichneten Kandidaturen von ganzen Teams anstelle eines einzigen Kandidaten. Diese Praxis ist nur inoffiziell möglich, da tatsächlich nur ein Kandidat auf dem Wahlzettel stehen darf. Insbesondere Kandidaten aus dem linken Spektrum traten jedoch bereits im Wahlkampf kollektiv auf und versuchten, gemeinsame politische Inhalte und Ideologien mehr als die eigene Person zum Kern der Kampagne zu machen. Ebenfalls im liberalen São Paulo schaffte es so beispielsweise ein vierköpfiges, feministisches Kollektiv, einen Sitz im Stadtrat zu erobern. 

Die Kommunalwahlen als Stimmungsbarometer für die Regierung Bolsonaro?

Umfragen zeigen, dass Präsident Bolsonaro über konstant hohe Zustimmungswerte von über 40 Prozent verfügt und seine Beliebtheit beispielsweise durch von der Regierung beschlossene Soforthilfemaßnahmen für Kleinunternehmer, Beschäftige im informellen Sektor sowie während der Krise arbeitslos gewordene Brasilianer teils noch gestiegen ist. Nichtsdestotrotz musste eine Vielzahl der von ihm empfohlenen Kandidaten bei den Kommunalwahlen nun empfindliche Niederlagen einstecken. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. So stand Bolsonaro zum einen nicht selbst auf dem Stimmzettel, auch gehört der ehemalige Hauptmann der Reserve keiner der zur Wahl angetretenen Parteien an. Seine Parteineugründung Aliança pelo Brasil hatte es verpasst, genügend Unterschriften für eine Aufnahme ins Parteienregister zu sammeln und trat bei den Kommunalwahlen nicht an.

Trotz der landesweit hohen Zustimmungswerte ist in den Metropolen des Landes die Abneigung gegenüber Bolsonaro zuletzt gewachsen, was Teil der Erklärung des schwachen Abschneidens „seiner“ Kandidaten in São Paulo, Rio de Janeiro und Belo Horizonte sein könnte. Laut einer Statistik von Datafolha bewertete am 09./10. November über die Hälfte der Wahlberechtigten in São Paulo die Arbeit des Präsidenten als „schlecht oder sehr schlecht“. Auch in Rio de Janeiro nahm die Zahl derjenigen, die Bolsonaro ein „gutes oder sehr gutes Zeugnis“ ausstellen rapide ab und lag bei nur noch 28 Prozent.[12]     

Sein Vizepräsident Hamilton Mourão räumte ein, dass die „Parteien der Mitte die großen Gewinner der Wahlen“ seien, beeilte sich jedoch festzuhalten, dass Bolsonaro selbst ja nicht zur Wahl gestanden und lediglich einige wenige Kandidaten unterstützt habe. Man könne Bolsonaro somit keineswegs für die wenig zufriedenstellenden Ergebnisse verantwortlich machen.[13]

Fazit
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Insgesamt gehen die in Brasilien unter dem Begriff centrão (= große Mitte) zusammengefassten, weitgehend ideologiefreien und programmatisch breit aufgestellten Parteien sowie auch die moderaten, konservativen und liberalen Kräfte gestärkt aus den Kommunalwahlen hervor. So haben sich in den meisten Städten jene Kandidaten der politischen Mitte entweder gegen Kandidaten aus dem linken Spektrum oder gegen rechtspopulistische Kandidaten, die Präsident Bolsonaro offen unterstützt hatte, durchgesetzt. Dies zeigt, dass dem Phänomen der „Antipolítica“, welches 2018 zu einem Rechtsrutsch im Parlament und der Wahl Jair Bolsonaros zum Staatspräsidenten geführt hatte, Grenzen gesetzt sind. Politikneulinge und Outsider mit schrillen Botschaften und teils auch Fake-News-Kampagnen in den sozialen Netzwerken drangen weitaus weniger durch als noch 2018. In unsicheren Zeiten optierte eine Mehrheit der Brasilianer für Stabilität und gegen weitere populistische Experimente. So sprach der Präsident der Abgeordnetenkammer Rodrigo Maia (DEM) am Tag nach der Wahl davon, dass das Ergebnis liberale Parteien stärke sowie eine Tendenz hin zu mehr Dialog und Austausch in der Gesellschaft sichtbar sei[14]. Angesichts des oftmals forcierten Konfrontationskurses der Regierung und einer damit eingehenden zunehmenden Polarisierung im Land wäre insbesondere letzteres zweifelsohne ebenso eine positive Nachricht wie die gestiegene Repräsentativität von Frauen und Minderheiten in der brasilianischen Kommunalpolitik.     

Für das Bolsonaro-Lager bedeutet das ernüchternde Abschneiden der vom Präsidenten unterstützten Kandidaten nach dem Entsetzen über die Wahlschlappe des US-Präsidenten Donald Trump den nächsten Rückschlag. Bolsonaro bereits abzuschreiben wäre jedoch ein großer Fehler, hat der Präsident mit seinem ihm zur Verfügung stehenden Apparat sicherlich noch viele Möglichkeiten, Stimmungen und Maßnahmen geschickt für sich zu nutzen. So wurde beispielsweise schon jetzt von seinem Wirtschaftsminister Guedes verkündet, dass die naturgemäß popularitätssteigernden Hilfsmaßnahmen für die Ärmsten der Armen zunächst weiterlaufen werden.

Die Kommunalwahlen haben gezeigt, dass die politischen Kräfteverhältnisse in Brasilien momentan als durchaus offen einzuschätzen sind und mit Spannung zu beobachten sein wird, welche potenziell interessanten Allianzen sich mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2022 ergeben könnten.

 

[1] https://agenciabrasil.ebc.com.br/eleicoes-2020/apuracao/resultados-eleicoes/41238/belo-horizonte-mg.

[2] https://g1.globo.com/politica/eleicoes/2020/eleicao-em-numeros/noticia/2020/11/16/maioria-dos-candidatos-a-prefeitura-apoiados-por-bolsonaro-nao-se-elege-no-pais.ghtml.

[3] https://g1.globo.com/politica/eleicoes/2020/eleicao-em-numeros/noticia/2020/11/16/pt-vai-estar-em-mais-disputas-no-2o-turno-psdb-e-podemos-vao-fazer-duelo-mais-comum.ghtml.

[4] Organización Demócrata Cristiana de América.

[5] https://noticias.uol.com.br/saude/ultimas-noticias/redacao/2020/11/15/covid-19-coronavirus-mortes-casos-15-novembro.htm.

[6] https://g1.globo.com/politica/eleicoes/2020/eleicao-em-numeros/noticia/2020/11/16/em-sao-paulo-covas-vence-em-todas-as-58-zonas-eleitorais.ghtml.

[7] https://g1.globo.com/politica/eleicoes/2020/eleicao-em-numeros/noticia/2020/11/16/no-rio-eduardo-paes-perde-em-apenas-5-zonas-eleitorais.ghtml.

[8] https://g1.globo.com/sp/sao-paulo/eleicoes/2020/noticia/2020/11/14/campanha-eleitoral-em-sp-e-marcada-por-aglomeracoes-aperto-de-mao-de-eleitores-e-mau-uso-da-mascara.ghtml.

[9] https://oglobo.globo.com/sociedade/segunda-onda-da-covid-19-pode-encontrar-pais-ainda-mais-vulneravel-alertam-especialistas-24745853.

[10] https://www.correiobraziliense.com.br/brasil/2020/10/4883182-milicias-controlam-57--do-territorio-do-rio-de-janeiro-informa-estudo.html.

[11] Vgl. FAZ-Artikel “Politische Morde und Superheld-Kandidaten“ von Tjerk Brühwiller vom 14.11.2020.

[12] https://www1.folha.uol.com.br/poder/2020/11/rejeicao-a-bolsonaro-bate-50-em-sp-aprovacao-cai-6-pontos-no-rio-diz-datafolha.shtml.

[13] https://noticias.uol.com.br/ultimas-noticias/agencia-estado/2020/11/16/siglas-de-centro-tradicionais-foram-grandes-vencedoras-diz-mourao-sobre-eleicoes.htm.

[14] https://g1.globo.com/politica/eleicoes/2020/noticia/2020/11/16/eleicao-refuta-radicais-e-fortalece-partidos-liberais-e-de-dialogo-diz-maia.ghtml.

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reuters/Amanda Perobelli
5 de Novembro de 2020
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