Título único
Stellen Sie sich vor, dass jeder dritte Einwohner Berlins keinen Wasseranschluss besitzt. Die Ausflugsboote an der Spree können nicht fahren. An Baden ist gar nicht zu denken. Alle Flüsse sind austrocknet und verdreckt. Unvorstellbar? So sieht es für viele Menschen in den Megacities wie Lima und Mexiko-Stadt aus. Vor allem in den Armenvierteln haben Millionen Menschen kein fließendes oder nur dreckiges Wasser. Ihre einzige Möglichkeit ist überteuertes Wasser von Wassertrucks zu kaufen, die zwei oder dreimal in der Woche vorbeikommen. Rund 20% der Menschen Limas sind davon betroffen. Die Bewässerung der Felder bleibt auf der Strecke. Oder schlimmer - es wird mit Abwasser gewässert. Ungenügende Lebensmittelqualität inklusive.
Die Situation in Lima und Mexiko Stadt
In Peru befinden sich 70Prozent der tropischen Gletscher und über fünf Prozent der globalen Oberflächenwasserressourcen der Erde. Klingt nach einer guten Lage. Aber das Wasser ist im Land sehr unterschiedlich verteil. Lima verfügt so gut wie kaum eigenes Wasser. Die Metropole ist die zweit größte Wüstenstadt. Es regnet im Schnitt 13 Millimeter pro Jahr. Das ist so viel wie in Deutschland durchschnittlich in einer Woche. Das Wasser wird den drei Flüssen, Rímac, Chillón und Lurin, die in den Anden entspringen, entnommen. Daher ist die Stadt fast vollständig vom Niederschlag in den Anden abhängig. Mit der starken Zuwanderung bekommen immer weniger Menschen einen Zugang zu Wasserversorgung, weil neue Stadtteile auch in ungünstigen Lagen wie z.B. an Berghängen entstehen. Es “lohnt“ sich nicht in die schwer zugänglichen Gebiete Wasserleitungen zu legen. Mexiko Stadt ist nicht besser gestellt, auch wenn dies nicht immer so war. Die Azteken erbauten die Stadt mitten auf einem See. Die Spanier legten ihn nach ihrer Ankunft trocken und das Problem nahm seinen Lauf. Die eine Hälfte des Jahres kommt es zu großen Überschwemmungen. Die andere Hälfte regnet es kaum. Ein Teil des Wassers von Mexiko Stadt kommt aus dem Umland. Der größte Teil jedoch wird hochgepumpt aus natürlichen Grundwasser-Reservoirs tief unter der Stadt. An vielen Stellen muss rund 400 Meter tief gebohrt werden. Die Folge sind verheerend. Die Stadt sinkt ab. Ein zusätzliches Problem ist, dass mehr als 20 Millionen Einwohner über ein veraltetes Wassersystem versorgt werden. Die Stadt verliert so zwischen 30 und 40 Prozent des Wassers aufgrund von Leckagen und Überläufen. Genauso viele Probleme bereitet das Abwasser. Die wenigen Kläranlagen schaffen nicht einmal zehn Prozent des Abwassers der Privathaushalte. Von der Industrie gar nicht erst zu sprechen. Lima reinigt das Abwasser nur zu 17 Prozent (als Vergleich: Berlin reinigt sein Wasser 7mal). Der Rest wird ins Meer gespült. Aber das schafft neue Probleme - die Verunreinigung des Meere. Das Meer um die Hauptstadt ist so verdreckt, dass einen die Lust auf Baden vergeht, wenn um ein herum die Plastik und Essensreste schwimmen. Insgesamt zeigt sich, dass das Wasserproblem tiefgreifend in alle Ebenen ausschlagen.
Wer ist schuld?
Für den Wassermangel sind die Ursachen der beiden Städte sehr ähnlich. Der Klimawandel. Oder? Fakt ist, dass sich diese Probleme durch den Klimawandel zukünftig verschärfen. Allein seit 1970 sind zwischen 30 Prozent des Gletschervolumens der Anden getaut. Die Temperatur stieg von 1939- 2006 durchschnittlich um 0,7 °C Dies führt neben dem Wasserproblem zu lokalen Problemen wie Überschwemmungen, Erdrutschen und Schäden im Ökosystem. Wie die letzten Wochen (März 2017) in Peru gezeigt haben, können Überschwemmungen ebenfalls extreme Ausmaße annehmen. Der Klimawandel verstärkt extreme Wetterlagen wie Dürren oder Dauerregen. In Zukunft verschärft sich die Situation. Prognosen zur Folge werden die meisten der Gletscher der Anden bis zum Ende des Jahrhunderts nur noch zehn Proezent ihrer einstmaligen Gesamtgröße aufweisen.
Fakt ist aber auch, dass der Klimawandel nicht die einzige Ursache für die Wasserknappheit ist. Zum einen ist das Bevölkerungswachstum ein zusätzliches Problem. Mehr Menschen, die das wertwolle Nass brauchen. Mehr Menschen die Lebensmittel benötigen, die bewässert werden müssen. Hauptgrund ist aber der Mangel an Nachhaltigkeit. Die wenig durchdachte Stadtplanung, Nutzungskonflikte und eine geringe Wiederverwendung sind Ursachen der Wasserknappheit. Wasser, welches für Parks in Nobelgegenden verwendet wird, statt für das Bewässern der Felder. Und Verschwendung. Verschwendung. Verschwendung. Zum einen durch kaputte Leitungen und zum anderen durch das verschwenderisches Nutzungsverhalten von Teilen der Bevölkerung. Wäre es ganz still in der Millionen Stadt könnte man die unzähligen Leitungen tropfen hören. Das hat die Folge, dass ein durchschnittlicher Bewohner Lima rund 250 Liter Wasser pro Tag verbraucht - das ist doppelt so viel wie ein durchschnittlicher Deutscher. Ursachen, die auf den Menschen zurück zu führen sind. Ursachen die man ändern kann. Man- im Sinne der Regierung, Strategien, Wissenschaft und selbstverständlich die Bevölkerung.
Suche nach Lösungen…
Mehr Wasser her zaubern geht wohl nicht. Das braucht es aber nicht. Zumindest dann nicht, wenn man Wasser auf unterschiedliche Weise sinnvoll nutzt. Bewässern kann man zum Beispiel mit leicht dreckigem Wasser erfolgen. In Lima wird das Wasser nur zu 17 Prozent wiederverwendet. Das einmal benutzte Wasser so zu säubern, dass es zur Bewässerung genutzt werden kann, ist einfach und billig. Es stellt damit eine potenzielle Wasserquelle da, die momentan nicht genutzt wird. Eine zweite Möglichkeit zur potenziellen Wassergewinnung bietet Limas Naturbedingungen. Obwohl es kaum regnet, umhüllt Nebel die Metropole von Juni bis September. So viel, dass man oft nicht weit gucken kann. Dies muss genutzt werden. Durch Nebelfänger kann Wasser aus dem Nebel gewonnen werden. Er besteht aus einem doppelt gespannten Netz. Wenn der Nebel dagegen stößt kondensiert das Wasser und kann in einer Rinne aufgefangen werden. Bis zu 600 Liter Wasser lassen sich so täglich gewinnen. Vor allem außerhalb des Zentrums, genau da wo die Menschen kein Wasser für die Bewässerung haben, kann dies eine große Verbesserung des Lebensstandards darstellen. Sie können dadurch Gemüse im eigenen Garten bewässern. Zudem bleibt jeder Tropfen gespartes Wasser bei der Bewässerung für Kochen und Waschen übrig.
Auch in Mexiko müssen Lösungen gefunden werden, die auf die Naturbedingungen vor Ort zugeschnitten sind. Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, verspricht die Organisation “ ISLA URBANA” in Mexiko Stadt. Ziel ihres Projektes ist das Wasserproblem durch das Auffangen von Regenwasser zu lösen. Somit verringern sich gleichzeitig Überschwemmungen. Zudem bieten sie Workshops an um Bildungslücken zuschließen und die Bevölkerung für das Wasserproblem zu sensibilisieren. 3000 Regenwasser-nutzungsanlagen haben sie seit 2009 installiert und damit 20986 Menschen Zugang zu (mehr) Wasser geschenkt. Und das Projekt hat weitreichende Folgen als man anfänglich denkt. Energie, die für den Wassertransport genötigt wird, fällt weg. Flüsse können sich in der Regenzeit von ihrer Ausbeutung erholen.
Insgesamt zeigen diese drei Beispiele, dass Lösungen für jede einzelne Region gefunden werden müssen. Lösungen, die an die Naturbedingungen vor Ort angepasst sind. Wirtschaft, Infrastruktur und Flusssystem sowie Klima variiert von Ort zu Ort. Das müssen die Lösungen berücksichtigen. Auch die Vielfältigkeit von den verschiedenen Stadtteilen, Kulturen und Lebensbedingungen müssen beachtet werden.
Gesamtkonzept. Was tut die Politik?
Trotzdem müssen Vor-Ort-Lösungen zu einem einheitlichen Gesamtkonzept passen. Bildung und das Bewusstmachen von der Kostbarkeit des Wassers muss in der Alltagskultur ankommen. Dass die weltgrößten Wasserspiele in Lima sind, trägt dazu nicht gerade bei. Genauso wenig wie der Wasserpreis. Lima hat im Vergleich mit anderen lateinamerikanischen Ländern einen sehr niedrigen, weil Wasser von der Regierung subventioniert wird. Das führt aber dazu, dass Wasser von den Wassertrucks zehnmal so teurer ist, wie Wasser aus der Leitung. Eine doppelte Benachteiligung. Die Preise richten sich nach dem Verbrauch pro Haushalt. Es gibt Vorschläge fairere Tarife zu gestalten. Tarife, die anhand vom Einkommen bemessen werden. Allerdings ist das Einkommen schwer zu ermitteln und deswegen ist dieser Vorschlag kaum umsetzbar. Privatisierung ist ebenfalls keine Lösung, da die anfänglichen Investitionen schwierig wären. In den letzten Jahren wurde Wasser insgesamt teurer, da die Regierung die Differenz zwischen dem Preis für Industrie und Privatnutzung verringern möchte. Momentan zahlt die Industrie S7 pro Kubikmeter und Privathaushalte S2. Im Juli wird der Preis für Privathaushalte vermutlich um 10% ansteigen.
Insgesamt muss die Regierung an den Speck- und zwar nicht mit großen Worten sondern mit Geldern, strengeren Gesetzen und innovativen Ideen. Regieren im Wassersektor ist geprägt von Entscheidungsstrukturen, die sich über viele Ebenen verteilen. Fortschritt ist nur bei der Einbeziehung einer Vielzahl gesellschaftlicher Akteure möglich. Laut der UN ist das Wichtigste in Lateinamerika der Aufbau von leistungsfähigen Institutionen, die die Bewirtschaftung von Wasserressourcen ermöglichen. Limas Regierung gründete die Organisation „ Autoridad Nacional del Auga del Perú“. Die Organisation entwickelt Strategien von nationalen Wasserressourcenplänen, die Umsetzung von Emissionsvorschriften sowie die Durchführung von Projekten und Verwaltung. Nur die Umsetzung stockt, wie so oft in Lateinamerika. Aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.
Wie wir Deutschen helfen.
Neben alldem spielt Forschung und Wissenschaft eine zentrale Rolle. Bessere Technologien gleich mehr Effizienz. An diesem Punkt setzt Deutschland weltweit an. Der Bund unterstützt zahlreiche Programme. In Lima von 2008-2013 mit dem Forschungsprojekt Liwa (= Lima Water). Das Projekt basierte auf drei Dimensionen. Prinzipien, die bei der Stadt Entwicklung beachtet werden müssen, wurden entwickelt und dafür Werkzeuge z:b.um die Nachfrage zu kalkulieren. Auch in dem Forschungsprojekt ging es um Fragen der Bewässerung und den Wasserpreis. Die Forscher kamen zum Ergebnis, dass der Preis höher und gerechter gestaltet werden muss. Damit hätte die Regierung auch mehr Gelder um das Wassersystem nachhaltig umzubauen. Nach nun 4 Jahren wurden die Strategien kaum in die Tat umgesetzt. Macht die Regierung so weiter wie bisher verschärft sich die Problematik. Aber ist es ihr Problem? Nein, es bleibt das Problem der kleinen Leute an den Randgebieten.
Wasserprobleme haben viele Großstädte weltweit wie Tokio, Kairo und São Paulo.
Kairos Wassermanagement ist genauso wenig durchdacht wie die von Lima und Mexiko Stadt. Der Nil wird ausgebeutet und gleichzeitig verdreckt. Folge ist eine extrem schlechte Wasserqualität. Zum Glück finanziert die Afrikanische Entwicklungsbank Pläne zum Chloren des Abfallwassers. Aber insgesamt muss auch diese Stadt mit flächendeckenden Veränderungen beginnen. Tokio geht es wie Mexiko Stadt. Viel Regen, aber in einem kurzen Zeitfenster. Ein großes Problem ist, dass höchstwahrscheinlich keine neuen Wasserquellen erschlossen werden. Die Versorgung bei einer anhaltenden Dürre ist stark gefährdet. Deswegen plant die Tokios Regierung langzeitig und strategisch. Japan besitzt die weltweit offensivsten Programme zum Einfangen von Regenwasser. Das Regen wird in riesige Behälter gespeichert und so umgeleitet, dass einige Stadtteile das Wasser für alles außer als Trinkwasser nutzen können. Tokio hat seine Wasserprobleme im Griff.
Dies zeigt, dass Wassermangel durchaus bekämpft werden kann. Durch Planung. Durch mehr Effizienz. Durch geringen Verbrauch. Mit zugeschnittenen Lösungen für jede Region. Natürlich fordern die meisten Maßnahmen Zeit, konsequente politische Umsetzung und Gelder. Kleine Initiativen bleiben kleine Tropfen auf den heißen Stein, so lange keine umfassende Veränderung in Gang kommt. Zur Umsetzung der vorhandenen Anpassungsmöglichkeiten sind vor allem nationale Politiker und regionale Entscheidungsträger verantwortlich. Aber wenn es Tokio schafft, warum dann nicht auch Lima und Mexiko Stadt.
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- Vgl. WWF. 21.08.2011.Mega-Cities in der "Wasserkrise". in: http://www.wwf.de/mega-cities-in-der-wasserkrise/ (27.02.17)
- Vgl. Lange, Katarina. 15.06.2010. Aktuelle und zukünftige Trinkwasserversorgung in Lima, Peru, Humboldt-Universität Berlin in: http://www.amancay-ev.org/wp-content/uploads/2012/06/Wasserversorgung-in-Lima-Katarina-Lange.pdf (24.02.17).
- Vgl. Kasang, Dieter & Linsenmeier, Manue. Rückgang der Gletscher und die Wasserversorgung in den tropischen Anden, in: http://www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de/wp-content/uploads/2015/11/kasang_linsenmeier.pdf (27.02.17).
- Vgl. Willer, Hildegart. Verschwendung und Durst in Lima. Bild der wissenschaft, Ausgabe 02/2013, S. 46, in: http://www.hildegard-willer.com/image/pdf/bild_der_wissenschaft_feb2013.pdf (25.02.17).
- Vgl. Youthinkgreen. Das “Nebelfänger” Projekt – Peru, in: http://www.youthinkgreen.org/projekte/das-nebelfaenger-projekt-lima/ (24.02.17).
- Vgl. IslaUrbana. in: http://islaurbana.org/english/ (24.02.17).
- Vgl. Herman, Marc. 09.10.15. Lima, la ciudad de América Latina donde los pobres pagan diez veces más por el agua, BBC, in: http://www.bbc.com/mundo/noticias/2015/10/151009_economia_desigualdad_agua_lima_lf (23.02.17).
- Vgl. Sandoval del Aguila, Pamela. 01.02.17. Sunass: “Desde julio se pagará S/5 más por el agua”, el comercio sociedad, in: http://elcomercio.pe/sociedad/lima/sunass-desde-julio-se-pagara-s5-mas-agua-noticia-1964999?ref=flujo_tags_518780&ft=nota_2&e=titulo (27.02.17).
- Vgl. WWAP. Der Weltwasserbericht der Vereinten Nationen 2015. Wasser für eine nachhaltige Welt Zusammenfassung. in: http://unesco.de/fileadmin/medien/Dokumente/Wissenschaft/Weltwasserbericht_2015_zsfg_dt.pdf
- Vgl. Autoridad Nacioncal del Auga. Missión y Visión. in: http://www.ana.gob.pe/nosotros/la-autoridad/mision-vision (23.02.17).
- Vgl. Liwa. gefördert von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. in: http://www.lima-water.de/de/film.html (27.02.17).
- Vgl. Herman, Marc. Thirsty Yet? Eight Cities That Are Improbably Running out of Water. Take Part, in: http://www.takepart.com/feature/2015/06/26/urban-water-crisis (28.02.17).