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„Leave NO ONE behind“ – der Welternährungstag 2022

Überlegungen und Handlungsoptionen zur weltweiten Hungerlage

Am 16. Oktober 2022 wird die Öffentlichkeit über den weltweiten Hunger informiert und für notwendige Maßnahmen sensibilisiert. In diesem Jahr steht der Welternährungstag unter dem Aufruf „Leave NO ONE behind“, dem Leitgedanken der Agenda 2030. Er kann als Appell verstanden werden, diejenigen Staaten nicht zurückzulassen, die besonders stark vom Hunger betroffen sind. Unser Kurzum beleuchtet, warum dieser Gedenktag unter besonderen Vorzeichen steht und zeigt kurz- und langfristige Lösungen auf.

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Am 16. Oktober findet der Welternährungstag statt. 1979 eingeführt, informiert er jährlich die Öffentlichkeit über den weltweiten Hunger und sensibilisiert für notwendige Maßnahmen. Der Welternährungstag geht auf die Gründung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) am 16.  Oktober 1945 zurück. In diesem Jahr steht der Gedenktag unter dem Aufruf „Leave NO ONE behind“, dem Leitgedanken der Agenda 2030.

 

Bis zu 828 Millionen Menschen leiden an chronischem Hunger 

Der weltweite Hunger ist immens: Laut Welthunger-Index leiden bis zu 828 Millionen Menschen an chronischem Hunger und 193 Millionen Menschen sind von einer akuten Ernährungskrise betroffen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Extremwetterereignisse, Armut, fragliche Staatlichkeit und Konflikte sowie Ungleichheit.

 

Afrikanische Länder auf ukrainische und russische Getreideimporte angewiesen

Der diesjährige Welternährungstag steht unter besonderen Vorzeichen: Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die gemeinhin als die Kornkammer Europas bezeichnet wird, wurden essenzielle Lieferketten unterbrochen und gefährliche Abhängigkeiten sichtbar. So sind einige afrikanische Länder auf ukrainische und russische Getreideimporte angewiesen. Prominentes Beispiel ist der Sudan, der seinen Getreidebedarf zu 90 Prozent aus russischen und ukrainischen Importen deckt. 

 

Nahrungsmittelpreise bis zu 50 Prozent über den Vorkriegsjahren 

Allerdings sind es nicht nur die fragilen Lieferketten, die den Hunger weiter verschärfen, sondern auch die Preisanstiege von Nahrungsmitteln, die sich u.a. auf hohe Energiepreise sowie Ernteausfälle durch Extremwetterereignisse zurückführen lassen. Die Nahrungsmittelpreise liegen bis zu 50 Prozent über den Vorkriegsjahren, allerdings haben sich diese Preisentwicklungen bereits vor dem Krieg abgezeichnet, da schon 2021 eine Preissteigerung von 21 Prozent zu beobachten war. Zweifelsohne stellt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine aber eine dramatische Zäsur dar, weil dieser nach Schätzungen der Welternährungsorganisation weitere 13 Millionen Menschen in den Hunger treiben könnte, beispielsweise im Jemen oder im Südsudan.

 

Agenda 2030 räumt Kampf gegen den Hunger höchste Priorität ein

Der Aufruf „Leave NO ONE behind“ des diesjährigen Welternährungstages kann als ausdrücklicher Appell verstanden werden, diejenigen Staaten nicht zurückzulassen, die besonders stark vom Hunger betroffen sind. Die Agenda 2030, die mit diesem Aufruf verknüpft ist, hat in ihrem zweiten Nachhaltigkeitsziel dem Kampf gegen den Hunger höchste Priorität eingeräumt und fordert explizit einen tiefgreifenden Wandel des globalen Ernährungs- und Landwirtschaftssystems. Für eine erfolgreiche Transformation gilt es zuerst zwischen kurz- und langfristigen Maßnahmen zu unterscheiden.

 

Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine als Zeichen der Entspannung

Auf kurze Sicht ist es entscheidend, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine beendet, unterbrochene Lieferketten geschlossen und protektionistische Maßnahmen möglichst verhindert werden. Das Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine, das auf Vermittlung der Türkei im August 2022 abgeschlossen wurde, kann als kleines, jedoch wichtiges Zeichen der Entspannung gedeutet werden. Gleichzeitig gilt es, ausreichend finanzielles Budget zur Verfügung zu stellen, um die akute Not zu lindern und den Menschen Nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen. 

 

Haushaltsplan für 2023 sieht Kürzungen für das Welternährungsprogramm vor

Die von der Bundesregierung im Rahmen ihres im September 2022 beschlossenen Maßnahmenpaketes „Deutschland steht zusammen“ gemachte Zusage, aus Resten des Bundeshaushaltes bis zu einer Milliarde Euro zusätzlich für die globale Ernährungssicherung zur Verfügung zu stellen, kann als positives Signal betrachtet werden. Jetzt ist es entscheidend, dass die Gelder auch zielführend eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang ist der Haushaltsplan für 2023 kritisch zu sehen, da dieser Kürzungen für das Welternährungsprogramm vorsieht. Die Bundesregierung muss hier dringend nachjustieren und ausreichend Mittel zur Verfügung stellen.

 

Aufbau eines resilienten und nachhaltigen Ernährungssystems erforderlich 

Um den Hunger jedoch dauerhaft in den Griff zu bekommen, werden kurzfristige Maßnahmen alleine nicht ausreichen. Vielmehr ist eine langfristige Unterstützung erforderlich, die beispielsweise den Aufbau eines resilienten und nachhaltigen Ernährungssystems unterstützt, Menschenrechte fördert und Ungleichheiten abbaut, den Technologietransfer stärkt, die Infrastruktur verbessert und die betroffenen Staaten in den regionalen Handel, beispielsweise im Rahmen des afrikanischen Freihandelsabkommens, sowie in den Welthandel integriert. Die Industriestaaten haben sich verpflichtet, die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 umzusetzen und müssen auch vor dem Hintergrund eines Krieges beweisen, dass die gemachten Versprechungen keine Worthülsen sind, sondern ein ernsthaftes Bekenntnis für eine nachhaltige Entwicklung. 

 

Welternährungstag erinnert jährlich an Verantwortung zur Ernährungssicherung

Dass der Kampf gegen den Hunger einen langen Atem benötigt, zumal angesichts multipler Krisen wie Klimawandel, Corona-Pandemie und nun auch Krieg in einem für die weltweite Ernährungsmittelproduktion so bedeutsamen Land wie die Ukraine, und so manche Hürde bewältigt werden muss, ist offensichtlich. Darum ist es umso wichtiger, dass uns der Welternährungstag jährlich an unsere Verantwortung erinnert, uns im Sinne des Nachhaltigkeitsziels zwei dafür einzusetzen, den weltweiten Hunger zu beenden, Ernährungssicherung zu ermöglichen und eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern – und dabei niemanden zurück zu lassen.

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André Algermißen

Algermissen, Andre

Leiter des Regionalprogramms Zentralasien

andre.algermissen@kas.de +49 30 26996-3945

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