Rapoarte de țară
Politische Ausgangslage
Paraguay verfügt über einen sehr eigenständigen Entwicklungsweg: Bis 1989 wurde das Land von General Alfredo Stroessner, dem Militär und der Colorado-Partei beherrscht. Seitdem hat sich zwar vieles verändert, aber die Colorado-Partei ist bis heute an der Macht geblieben. Alle wesentlichen Veränderungen hatten ihren Ursprung in Brüchen der herrschenden Partei und auch wenn heute die formalen Kriterien für Demokratie erfüllt sind, ist es doch eine stark defizitäre Demokratie. Nach den Weltbank-Indikatoren für gute Regierungsführung schneidet Paraguay unter allen südamerikanischen Ländern am schlechtesten ab. Gründe sind der stark ausgeprägte Klientelismus und die Korruption. 56 % aller im Register eingeschriebenen Wähler sind Mitglieder der Colorado-Partei, die im Staat und in den von Staatsaufträgen abhängigen Unternehmen einen erdrückenden Einfluss ausübt, der die Berufschancen jedes einzelnen Bürgers betreffen kann. Trotz des Auftretens neuer sozialer Akteure aus der Zivilgesellschaft hat sich an den wesentlichen Rahmenbedingungen bisher wenig geändert. Die politische Klasse ist stark von den sozialen Interessen der Bürger isoliert und die politische Agenda wird in erster Linie von Machtfaktoren bestimmt. Deshalb ist die hohe Armutsrate bisher nicht gesenkt worden: Von den 5,8 Millionen Paraguayern leben 61 % unterhalb der Armutsgrenze der Weltbank. In Südamerika wird dieser Wert nur noch von Bolivien übertroffen. Trotz guter makroökonomischer Daten in jüngster Zeit (2007: 6,4 % Wirtschaftswachstum, Devisenreserven erstmals höher als die Auslandsschulden) sind die Gegensätze zwischen Arm und Reich sehr stark. Dokumentiert wird dies durch eine immense Auswanderungswelle, die besonders qualifizierte Fachkräfte (z.B. Ärzte und Krankenschwestern) in hoher Zahl vor allem nach Europa (Spanien, Italien) emigrieren lässt. 2007 sollen es über 70.000 Personen gewesen sein. Ihre Überweisungen an die paraguayischen Familien in Höhe von über 300 Milliarden US-Dollar (2007) sind zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren geworden.
Die Kandidaten
Nun sind die Wähler am 20. April aufgerufen, einen neuen Präsidenten (oder Präsidentin) und ein neues Parlament (80 Abgeordnete für das Unterhaus sowie 45 Senatoren für das Oberhaus) zu wählen. Die drei aussichtsreichsten der insgesamt 7 Kandidaten für die Präsidentschaft weisen dabei zwei übereinstimmende Charakteristika auf: Sie sind keine „gelernten Politiker“, d.h. sie wurden zuvor noch in kein Amt vom Volk gewählt und es ist relativ unwahrscheinlich, dass ein Sieger eine ausreichende Mehrheit im Parlament erhält. Es handelt sich um die bisherige Bildungsministerin Blanca Ovelar von der herrschenden Colorado-Partei (ANR) und den bisherigen katholischen Bischof Fernando Lugo, der für ein breites Mitte-Links-Bündnis kandidiert und sich selbst der kleinen, bisher unbedeutenden christlich-demokratischen Partei angeschlossen hat. Ausserdem ist der Ex-General Lino Oviedo (UNACE, Unión Nacional de Ciudadanos Éticos) chancenreich, der wegen eines Putschversuches im Jahre 1996 eine Haftstrafe verbüßte. Er erlangte 2007 durch umstrittene Gerichtsurteile die Freiheit wieder, was vom amtierenden Präsidenten Nicanor Duarte begrüsst wurde, dem ein starker Einfluss auf die Gerichtsentscheidungen nachgesagt wird.
Überhaupt hat Nicanor Duarte einen entscheidenden Einfluss auf das Kandidatenfeld ausgeübt: Ihm wird unterstellt, dass er durch die Freilassung Oviedos die Opposition spalten und damit den Wahlsieg Colorados sicher stellen wollte. Die Kandidatin seiner eigenen Colorado-Partei hat er im Alleingang durchgesetzt, nachdem er für sein eigentliches Projekt der Wiederwahl keine verfassungsändernde Mehrheit erhalten hatte.
Nach den derzeitigen Umfragen liegt Fernando Lugo in Führung, während sich Blanca Ovelar und Lino Oviedo auf dem zweiten bzw. dritten Platz abwechseln. Der Kandidat der neuen, aus dem christlichen Milieu stammenden und der ODCA angehörenden Partei Patria Querida, Pedro Fadul, scheint ebenso wie die weiteren drei Kandidaten keine Chancen zu haben.
Fernando Lugo ist bisher Bischof der katholischen Kirche gewesen. Er hat über die Soziallehre der Kirche promoviert und sich im Laufe der Jahre einen Ruf als engagierter Verfechter der armen Bevölkerung gemacht. Er gilt als Anhänger der Befreiungstheologie, aber nicht als extrem Linker. Um als Präsidentschaftskandidat eingeschrieben zu werden, ist die Nominierung durch eine Partei notwendig. Lugo suchte sich dazu in seiner 31 Gruppierungen (Parteien und politische Bewegungen) umfassenden „Alianza Patriotica para el Cambio“ (Patriotische Allianz für den Wechsel) die kleine christlich-demokratische Partei aus, die bisher eher bedeutungslos gewesen ist und der internationalen christlich-demokratischen Bewegung (ODCA, IDC) angehört. Er selbst charakterisiert sich als „Zentrum“, während seine Kritiker ihn für einen Linken halten. Die gewichtigste Kritik richtet sich jedoch gegen seine fehlende politische Erfahrung. Viele trauen ihm schlicht nicht zu, den Staat als Präsident zu führen.
Blanca Ovelar war Beamtin des Bildungsministeriums und hat dort eine Karriere unter dem Schirm des damaligen Bildungsministers und heutigen Staatspräsidenten Nicanor Duarte gemacht bis sie schließlich seine Nachfolgerin als Ministerin wurde. Ihr Ansehen als Ministerin war durchaus hoch, jedoch hat ihr die einseitige Förderung durch den stark kritisierten Präsidenten auch geschadet. Nicht zuletzt die parteiinterne Nominierung hat zu heftigem Streit in der Colorado-Partei geführt: Denn der zweite Vorwahlkandidat, der amtierende Vizepräsident Luis Castiglioni, hatte sich nach Ansicht vieler Beteiligter klar durchgesetzt und wurde nur durch Wahlbetrug an seiner Kandidatur gehindert. Klar ist, dass Präsident Duarte, der auch Colorado-Parteivorsitzender ist, mit allen Mitteln Blanca Ovelar durchsetzen wollte und diese auch heute öffentlich als „seine“ Kandidatin präsentiert. Der durchaus populäre Luis Castiglioni hat dagegen protestiert und erklärt, dass er Blanca Ovelar nicht unterstützen werde, aber aus Loyalität zur Partei auch nicht gegen sie arbeiten werde.
Der Ex-General Lino Oviedo ist sicher die schillerndste Figur im Kandidatenfeld: Er hatte im Militär Stroessners Karriere gemacht und gilt als jemand mit zweifelhaften Ruf. Dieser gründet sich u.a. auf den gescheiterten Putschversuch von 1996, wegen dem er verurteilt wurde. Oviedo war 1997 als Präsidentschaftskandidat für die Colorado-Partei angetreten und hatte die parteiinternen Wahlen gewonnen, als er durch seine Verhaftung auf die Kandidatur verzichten musste. Als im März 1999 sein innerparteilicher Konkurrent, der inzwischen zum Vizepräsidenten gewählte Luís María Argaña, ermordet wurde, unterstellte man allgemein Oviedo der Drahtzieher hinter diesem Mord zu sein. Aber auch seine Beteiligung an den Geschehnissen im März 1999, als bei Demonstrationen vor allem junger Paraguayer für mehr Demokratie ein Massaker durch Unterstützer von Oviedo angerichtet und 7 Studenten getötet wurden, führte zu gerichtlichen Anklagen. Seine möglichen Verwicklungen in Drogengeschäfte sind nicht geklärt. Dennoch verfügt er heute über eine eigene Partei mit einer sehr personenfixierten und motivierten Gefolgschaft und Beobachter trauen ihm durchaus einen Wahlsieg zu. Sein politisches Profil lässt sich am ehesten als „Law-and-Order-Populismus“ beschreiben.
Der Wahlkampf
Die eigentlichen Herausforderungen für Paraguay (wie z.B. wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze generieren, die der gesamten Bevölkerung zugute kommen, Modernisierung des Staates und der Infrastruktur, Bekämpfung der Korruption und der Drogenkriminalität) spielen im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle. Die Diskussionen drehen sich mehr um die Frage der innerparteilichen Auseinandersetzungen der Colorado-Partei oder um die formale Befähigung von Lugo zur Präsidentschaftskandidatur. Die Verfassung untersagt u.a. die Bewerbung von Priestern für das Präsidentenamt. Lugo hat gegenüber der Kirche seinen Rücktritt als Bischof erklärt, der von dieser gemäß dem kanonischen Recht nicht angenommen wurde, er also im kirchlichen Sinne immer Träger der Bischofswürde bleibt. Trotz dieser Debatten ist aber bisher eine gerichtliche Anfechtung seiner Kandidatur unterblieben.
Paraguayische Politikanalytiker erwarten aber ohnehin, dass die programmatischen Aspekte nicht den Ausschlag geben werden, sondern vielmehr die Mobilisierung der Wähler. Hier sieht man die Staatspartei Colorado im Vorteil, die die gesamten Ressourcen des Staates einsetzen kann und in der Vergangenheit bewiesen hat, dass sie dazu auch bereit ist. So werden beispielsweise ganze Busflotten gechartert, die die Wähler kostenlos zu den Wahllokalen bringen, während für die Opposition entweder gar keine Busse mehr oder nur zu kaum erschwinglichen Preisen zur Verfügung stehen.
Die „Alianza Patriótica para el Cambio“ setzt ganz auf die Popularität ihres Kandidaten. Das, was von Einigen an Lugo kritisiert wird, ist für Andere mit Blick auf die verbrauchte politische Klasse Paraguays gerade seine Stärke: Seine politische Unerfahrenheit. Hauptträger dieser Allianz für den Wechsel ist allerdings die Liberale Partei (Partido Radical Liberal Auténtico, PRLA), die traditionelle Gegenspielerin der Colorado-Partei. Sie hat als „ewige Oppositionspartei“ an der Herrschaft der Colorados durchaus partizipiert, z.T. sogar mit hohen politischen Ämtern für ihre Funktionäre. Ähnlich wie bei Colorado ist der Prozess der parteiinternen Vorwahlen, der letzlich zur Nominierung des Vizepäsidentschaftskandidaten Luís F. Franco Gómez führte, von Wahlbetrugsvorwürfen überschattet. Ein völliger Bruch in der politischen Kultur Paraguays ist also auch bei einem Sieg Lugos nicht zu erwarten.
Die Aussichten
In den Umfragen kommt keiner der Kandidaten und keine der Wahlallianzen für das Parlament auf eindeutige Mehrheiten. Auch wenn für die Präsidentschaftswahl die einfache Mehrheit im ersten und einzigen Wahlgang ausreichend ist, so bleibt es unwahrscheinlich, dass der/die zukünftige Präsident/in über eine Mehrheit auch nur in einer der beiden Parlamentskammern verfügen wird. Im politischen System Paraguays, das durch die Verfassung von 1992 definiert ist, kommen dem Kongress für lateinamerikanische Verhältnisse relativ starke Kompetenzen zu. Deshalb ist - unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen - eine politische Lähmung Paraguays zu befürchten, wenn es dem Staatschef nicht gelingt, stabile Mehrheiten für seine Gesetzesvorhaben zu finden. Eine weitere Unsicherheit liegt im Umgang der Wahlverlierer mit dem Ergebnis: Das Oberste Wahlgericht verfügt über wenig Ansehen und grundsätzlich wird jeder Wahlprozess von dem Vorwurf begleitet, „gefälscht“ zu sein. In der politisch aufgeheizten Stimmung, die derzeit in Paraguay herrscht, sind daher Turbulenzen zu befürchten.
Übersicht der zu den Wahlen am 20.04.2008 zugelassenen Parteien und Bewegungen
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