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Rapoarte de țară

Zerbrochenes Bündnis in Estland

de Oliver Morwinsky, Nikoloz Rogava

Der Zusammenbruch der Koalitionsregierung

Am 10. März 2025 kündigte der estnische Ministerpräsident, Kristen Michal, die Umbildung der estnischen Koalition an, indem er die "Sozialdemokratische Partei" (SDE) aus der Koalitionsregierung entließ. Nach dieser Entscheidung haben die "Reformpartei" und "Estland200" mit 52 von 101 Sitzen im Riigikogu (Parlament) nur eine knappe Mehrheit.

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Die Entscheidung über die Entlassung von vier Ministern: Lauri Läänemets (Innenminister), Riina Sikkut (Gesundheitsministerin), Piret Hartman (Minister für regionale Angelegenheiten) und Vladimir Svet (Infrastrukturminister) – allesamt von der Sozialdemokratischen Partei (SDE) – war der finale Schritt einer schon länger währenden Entwicklung. Die Dreierkonstellation aus Reformpartei, Estland200 und der SDE war seit einiger Zeit bereits instabil. Es gab vielerlei Themen, in denen sich die drei Partner nicht einigen konnten.

Das größte Thema war die Steuerreform. Die Abschaffung der Körperschaftsteuer wurde sowohl von der Reformpartei als auch Estland200 vorgeschlagen und vorangetrieben, da sie ausländische Investitionen anziehen und zur Verbesserung des wirtschaftlichen Umfelds genutzt werden soll. Die Sozialdemokraten, angeführt von Lauri Läänemets, waren dagegen und argumentierten, dass es den Großunternehmen überproportional zugutekommen würde, während die Mittel für soziale Dienstleistungen gekürzt würden. Die Sozialdemokraten weigerten sich diese Steuerreform zu unterstützen, was der Hauptgrund für den Bruch der Regierungskoalition war.

 

Grauer Pass als letzter Tropfen

Einer der entscheidenden Treiber für die Koalitionsumbildung in Estland war die Reform des Wahlrechts für russische und belarussische Staatsbürger sowie Staatenlose (Inhaber des sog. grauen Passes). Die Reformpartei und Estland200 drängten auf strenge Wahlvorschriften, um russische und belarussische Staatsbürger nach 2025 von der Teilnahme an Kommunalwahlen auszuschließen. Auch die Reformpartei sprach sich für die Einbeziehung von Staatenlosen in diese Reform aus, während die Sozialdemokratische Partei dies entschieden ablehnte. Diese Meinungsverschiedenheiten waren ideologisch motiviert, spielten aber eine wichtige Rolle beim Ausschluss der SDE aus der Koalition, da die SDE beschuldigt wurde, wichtige Regierungsinitiativen zu blockieren. Die SDE versprach, die Änderung zu blockieren, wenn Inhaber grauer Pässe einbezogen werden.

Auch wirtschaftliche Aspekte spielten bei der Koalitionsumbildung eine Rolle. Der Premierminister wies darauf hin, dass die Militärausgaben auf 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) angehoben werden sollen. Daher muss die Regierung angemessene Wirtschaftsreformen durchführen. Die Reduzierung von Steuern und Bürokratie sowie effizientere Ausgaben werden als wichtige Entscheidungen für die Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit angesehen. Premierminister Michal ist der Meinung, dass endlose Überarbeitungen, Überprüfungen und Beratungen über Entscheidungen aufgrund der neuen politischen Agenda keine Priorität haben. Die Regierung muss Entscheidungen schnell treffen und voranschreiten, anstatt Zeit zu verlieren.

 

Fallende Zustimmungswerte der Regierungsparteien und starke Isamaa

Lauri Läänemets (SDE) ist der Ansicht, dass der wahre Grund für den Zusammenbruch der Regierung das sinkende Umfrageergebnis der Reformpartei war. Er glaubt, dass der Premierminister etwas tun musste, da die Reformpartei aufgrund ihrer schlechten Umfragewerte unter Druck stand und dass dies Kristen Michals einziger Plan war. Die SDE ist der Ansicht, dass diese Entscheidung bereits vor drei Wochen getroffen wurde.

Die öffentliche Meinung hat sich seit der letzten Parlamentswahl (2023) erheblich verändert. Die Umfragewerte der Reformpartei sind seitdem um 14 Prozent (von 31 Prozent auf 17 Prozent) gesunken. Das jüngste Rating von Estland200 liegt bei 2 Prozent, gegenüber 13 Prozent in 2023. Daher basiert die Logik von Läänemets auf korrekten Trends. Der stärkste Anstieg ist bei der Isamaa-Partei zu verzeichnen. Ihre Bewertung ist laut der jüngsten Umfrage mit 29 Prozent am höchsten, seit 2023 hat sie 21 Prozent dazugewonnen.

Der Premierminister lud die Isamaa-Partei ein, der Koalition beizutreten, um ihre Stabilität zu erhöhen. Der Vorsitzende der Isamaa-Partei, Urmas Reinsalu, reagierte auf diesen Prozess und sagte, dass dies als Anerkennung des Bankrotts der politischen Führung in zwei aktuellen Regierungsparteien angesehen werden könne. Er ist der Meinung, dass es angemessen wäre, wenn der Premierminister zurücktreten würde. Ein Beitritt von Isamaa ist zum jetzigen Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich. Entscheidungen der derzeitigen Regierung würden aus Angst vor der Isamaa-Alternative getroffen, glaubt er. Der Vorsitzende der Zentrumspartei, Mihhail Kõlvart, stimmt der Idee eines Regierungsbruchs zu, da die öffentliche Unterstützung für die Reformpartei und Estland200 schwindet. Er ist der Meinung, dass alle drei Parteien nur für Misserfolge verantwortlich sind, nicht für Erfolge.

Nach derzeitigem Kenntnisstand wird die Regierungskoalition die Reformpartei und Estland200 mit 52 Parlamentsabgeordneten umfassen. Auch wenn sie versuchen, mit parteilosen Parlamentsabgeordneten zu verhandeln, um ihre Koalition zu stärken, sind 52 Sitze eine knappe Mehrheit, und die Ergebnisse dieser Krise und der öffentlichen Umfragen sowie die internationale Politik könnten die politische Agenda der estnischen Innenpolitik beeinflussen. Die Reformpartei und Estland 200 müssen bald wieder die Unterstützung der Bevölkerung gewinnen, um vorgezogene Neuwahlen zu vermeiden.

 

Fazit

Die Ablehnung der Initiative zur Entziehung des Wahlrechts auf Kommunalebene für russische oder belarussische (sowie Inhaber des grauen Passes) durch die SDE, ist der politische Versuch, sich diesen Wählergruppen wieder stärker anzunähern. Hat man diese seit der vollständigen Invasion der Ukraine durch Russland doch weitgehend verloren oder vernachlässigt. Grund war eine unklare Positionierung hierzu – weder klar dafür noch klar dagegen. Der zunehmende Bedeutungsverlust und die anstehenden Kommunalwahlen am 19. Oktober 2025, sind klare Beweggründe der Partei, dem entgegenzuwirken.

Für die Isamaa-Partei, die in den Umfrageergebnissen an der Spitze steht, wäre es nicht klug, sich der Koalition anzuschließen, die sie in den letzten Monaten stark kritisiert hat. Zumal sie offensichtlich die Probleme nicht lösen konnten, die der Grund für die Kritik waren, nämlich vor allem hohe Steuern, hohe Energiekosten und eine überlastete Bürokratie. Der letzte Tropfen war die Diskussion um das Stimmrecht der Inhaber der grauen Pässe. Die nächsten Wahlen sind jetzt das Messinstrument für die Regierungsparteien. Den Anfang machen die Kommunalwahlen im Oktober 2025, gefolgt von den Parlamentswahlen im März 2027. Ob die Regierung mit ihrer sehr knappen Mehrheit bis dahin durchhält, ist zumindest fraglich. Michal, der das Amt des Premierministers erst letztes Jahr von seiner Parteifreundin, Kaja Kallas, übernommen hat, zeigt keine Ambitionen dieses Amt vorschnell wieder abzugeben.

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Oliver Morwinsky

Oliver Morwinsky bild

Leiter des Auslandsbüros Baltische Staaten

oliver.morwinsky@kas.de +371 673 312 64

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