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Zum 8. März: Frauentag in Rumänien

Es ist noch ein weiter Weg bis zu Chancengleichheit und Gleichberechtigung

Am 8. März wird in Rumänien traditionell der Frauentag gefeiert. Es wird über die fehlende Chancengleichheit und Gleichberechtigung von Frauen in der rumänischen Gesellschaft gesprochen. Zudem wird dieser Tag aber auch als Muttertag gefeiert. Kinder malen, basteln und singen für ihre Mütter. Es gibt Blumen, Pralinen und Anerkennung von Familie, Freunden und Kollegen. Wir fokussieren in unserem Bericht auf die gesellschaftspolitischen Aspekte des Frauentages. Denn die Situation der Frauen in Rumänien ist leider nicht rosig.

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Der Gender Equality Index (2022) des Europäischen Instituts für Gender Equality (EIGE) der Europäischen Union beschreibt, wie das eigene Leben verlaufen würde, wenn man eine Frau in Rumänien wäre. Die gute Nachricht vorweg: Ihr Leben wäre wahrscheinlich 8 Jahre länger als wenn Sie ein Mann wären. Aber, in Ihrem nationalen Parlament wären nur 18% der Entscheidungsträger Frauen. Ihre Chance, einen Hochschulabschluss zu machen, wäre mit 14 % zwar genauso hoch wie der eines Mannes. Sie würden in Ihrem Lebens jedoch 7 Jahre weniger arbeiten als ein durchschnittlicher Mann in Rumänien und im Beruf 27,3 % weniger verdienen. Dies hätte deutliche Auswirkungen auf Ihr Einkommen und Ihre finanzielle Freiheit. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie jeden Tag die Hausarbeit machen und kochen, wäre um 34 Prozentpunkte höher als bei einem Mann. Und obendrein würden Sie in einem Land leben, in dem 32 % der Frauen schon einmal sexuell belästigt wurden.

Dieser Ausblick würde Sie nicht begeistern? Die Frauen in Rumänien begeistert das auch nicht. Im Land entwickelt sich deshalb zunehmend eine Debatte über die Lebensrealitäten von Frauen.

 

Starke Ungleichheit bei den Ressourcen

Obwohl Frauen in Rumänien im Durchschnitt ein höheres formales Bildungsniveau erreichen als Männer, haben sie eine deutlich geringere Lebensarbeitszeit und verdienen fast ein Drittel weniger als Männer. Mit anderen Worten: Frauen sind also in einem deutlich geringeren Umfang in den Arbeitsmarkt integriert als Männer bzw. arbeiten sie in deutlich weniger konsistenten Mustern. Frauen scheiden nach der Geburt von Kindern oft für einige Jahre aus dem Berufsleben aus bzw. arbeiten Teilzeit. Manche kehren nicht mehr in den Arbeitsmarkt zurück. Dem entspricht, dass die Kinderbetreuung in Rumänien sehr ungleich zwischen Frauen und Männern verteilt ist. Im Jahr 2021 gaben 61 % der Frauen und nur 16 % der Männer an, dass sie Kinder im Alter von 0-11 Jahren ganz oder überwiegend selbst betreuen und beaufsichtigen. Die geschlechtsspezifische Diskrepanz von 45 Prozentpunkten bei der Verteilung der Betreuung und Beaufsichtigung von Kindern ist eine der größten in der EU.

Aufgrund eines eklatanten Mangels an Einrichtungen und gut bezahlten Erziehungskräften zur Kinderbetreuung, haben Mütter insbesondere von kleinen Kindern in Rumänien gegenwärtig oftmals überhaupt nicht die Option, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Dies schwächt nicht nur die Wahlfreiheit von Frauen in Bezug auf ihre Berufstätigkeit sowie ihre finanzielle Unabhängigkeit, sondern senkt auch Familieneinkommen und macht die Entscheidung für Kinder in Familien mit niedrigen Einkommen zu einem Armutsrisiko mit verschiedensten negativen sozialen Folgen. Eine politische Forderung, die man aus diesen Daten ableiten könnte, wäre eine substantielle Förderung - wenn nicht sogar ein Rechtsanspruch - auf eine verlässliche, qualitätsvolle Kinderbetreuung im Anschluss an Mutterschutz- bzw. Elternzeit-Regelungen.

 

Häusliche Gewalt bleibt ein gravierendes Problem

32% der Frauen in Rumänien berichten nach den Daten des Gender Equality Index, bereits sexuell belästigt worden zu sein. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Extrem besorgniserregend ist auch der Umfang von häuslicher Gewalt in Rumänien.

Während häusliche Gewalt in kommunistischer Zeit weitestgehend ignoriert wurde, nahm die gesellschaftliche und juristische Befassung mit dem Thema insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten allmählich zu. Das Strafgesetzbuch wurde zunächst durch das Gesetz Nr. 197/2000 geändert, das Sanktionen für Personen vorsieht, die Gewalttaten gegen Familienmitglieder begehen und das im Falle der Vergewaltigung eines Familienmitglieds eine härtere Strafe vorsieht. Da das Gesetz anerkennt, dass eine Vergewaltigung durch ein Familienmitglied begangen werden kann, wobei als Familienmitglied auch der Ehepartner gilt, hatte dies zur Folge, dass Vergewaltigung in der Ehe erstmals unter Strafe gestellt wurde. Eine weitere wichtige Änderung des Vergewaltigungsgesetzes war die Abschaffung der Bestimmung, dass ein Täter der Strafe entgehen kann, wenn er das Opfer nach der Vergewaltigung heiratet.

Mit dem Gesetz Nr. 217/2003 über Gewalt in der Familie wurde 2012 umfassend insbesondere in Bezug auf Schutzanordnungen. geändert Dieses Gesetz beschreibt sieben Arten von häuslicher Gewalt: a) verbale Gewalt (aggressive Sprache, Beleidigungen, Drohungen, Erniedrigung), b) psychische Gewalt (u. a. kontrollierendes Verhalten, Provozieren psychischer Schäden und Angstzuständen beim Opfer, Gefährdung von Tieren, Zerstörung von Eigentum, Drohungen, Zeigen von Waffen, übermäßige Eifersucht und andere kontrollierende Verhaltensweisen), c) körperliche Gewalt (mehrere Handlungen werden im Gesetz beschrieben, darunter Schlagen, Stoßen, Vergiften), d) sexuelle Gewalt (Nötigung zu sexuellen Handlungen, einschließlich Vergewaltigung in der Ehe); e) wirtschaftliche Gewalt (einschließlich des Verbots, außerhalb des Hauses zu arbeiten, der Vorenthaltung von Nahrung oder Kleidung für Familienmitglieder sowie der Zwangsarbeit eines minderjährigen Kindes); f) soziale Gewalt (umfasst die Isolierung des Opfers, das Verbot, sich mit Familienangehörigen oder Freunden zu treffen, sowie das Verbot für Familienmitglieder, eine Schule zu besuchen); g) spirituelle Gewalt (Hindern von Familienmitgliedern kulturellen, ethischen oder religiösen Interessen nachzugehen, Zwang bestimmte Glaubensrichtungen/spirituelle Praktiken auszuüben). Obwohl das Gesetz Gewaltdelikte sehr detailliert aufführt, warf die Umsetzung von Anfang an Fragen auf. Ein Jahr nach Inkrafttreten gab es 1.009 Anträge auf Schutzanordnungen. Aber in nur 23 % der Fälle endeten diese wie vorgesehen in einem Strafverfahren.

2016 ratifizierte Rumänien die Konvention des Europarates für Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (Istanbul Convention). Dennoch zeigen die Daten der rumänischen Polizei über häusliche Gewalt, dass in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 18.507 Frauen Opfer von Gewalt wurden, darunter 18 Fälle von Mord, 13 Mordversuche und 12.801 Körperverletzungen. Experten vertreten zudem die Meinung, dass diese Daten wenig aussagekräftig seien, weil sich die Statistiken nur auf körperliche Gewalt beziehen. Die anderen, oben ausführlich dargestellten Arten von Gewalt gegen Frauen, sind hierbei nicht berücksichtigt worden. Die Erhebung von umfassenden Daten über häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor in Rumänien problematisch. Für wirkungsvolle politische Maßnahmen wäre genaue Zahlen und Daten jedoch unerlässlich. Die Politikerinnen in Rumänien kämpfen jedoch aktuell noch ihren ganz eigenen Kampf mit den Zahlen.

 

Schwache politische Partizipation von Frauen

Im Jahr 2022 waren nur 18% der Abgeordneten im rumänischen Parlament Frauen. Nachdem es im Kabinett von Premierminister Nicolae Ciucă zunächst nur eine weibliche Ministerin gab, stieg die Zahl nach mehreren Rücktritten und Neubesetzungen auf nun immerhin zwei Ministerinnen: Familie und Bildung sind die Ressorts, die mit Frauen besetzt werden. Ist die Lage im Hinblick Parlament und Regierung schlecht, ist sie auf kommunaler Ebene katastrophal. In kaum 5% der Rathäuser arbeitet eine Bürgermeisterin.

Obwohl Frauen in Verwaltung, Justiz, Medizin, Wirtschaft und NGO/Think Tanks in Führungspositionen durchaus gut vertreten sind, sind sie in der Politik massiv unterrepräsentiert. Fragt man warum, findet man verschiedene Gründe: Politikerinnen sehen sich in Rumänien einem ganz besonders hohen Ausmaß an Hasskommentaren und verbaler Gewalt insbesondere in den sozialen Medien ausgesetzt. Viele Frauen, die vielversprechende politische Talente wären, sind schlicht nicht bereit, sich (und ihre Familien) dem auszusetzen und für ein Amt zu kandidieren. Hinzu kommt: In den politischen Parteien herrscht eine kaum „wir“ (Männer) gegen „sie“ (Frauen) Einstellung vor. Wenn „den Frauen“ ein Sitz „abgegeben“ wird, wird dies von etlichen Männern, die fast ausschließlich die Parteiführung der rumänischen Parteien prägen, tatsächlich als Verlust oder direkte Konkurrenz angesehen. Entsprechend werden Frauen, die auf Wahllisten vertreten sein müssen, auf die wenig aussichtsreichen Listenplätze verbannt. Dies schlägt sich auch in den verfügbaren Zahlen nieder: Für die Parlamentswahlen 2020 fanden sich auf den Listen der rumänischen Parteien zwischen 25 und 30% Frauen. Unter den Gewählten finden sich jedoch nur zwischen 10 und 24% Frauen.

Aktuell wird in Rumänien viel politische Aufmerksamkeit auf die Einführung einer Frauenquote in der Wahlgesetzgebung gerichtet. Dies soll die politischen Parteien anregen, interne Frauenquoten einzuführen. Hier wird insbesondere über das „Reißverschluss-Verfahren“ zur Erstellung von Wahllisten diskutiert. Transparente innerparteiliche Prozesse und die Arbeit an einer Parteikultur, die Frauen ganz selbstverständlich als Kolleginnen wahrnimmt, müssen die schädliche „wir-gegen-sie“ Dichotomie abbauen.

Im Jahr 2024 finden in Rumänien Europawahlen, Kommunalwahlen, Parlamentswahlen und auch Präsidentenwahlen statt. Entsprechend wird 2024 ein Schlüsseljahr für politische Parteien, um Frauen in den politischen Prozess zu involvieren. Parteien müssen offen sein für Frauen als Mitglieder. Der Lackmus-Test dafür, ob eine Partei Frauen einen gleichberechtigten Raum einräumt ist, ob sie Frauen auf aussichtsreiche Listen-Plätze setzen. Der Lackmus-Test für die rumänische Gesellschaft ist, ob sie weibliche Kandidaten dann auch wählt und erneut kommentarlos ein fast ausschließlich mit Männern besetztes Kabinett akzeptiert.

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Katja Christina Plate

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