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Die Erinnerung am Leben erhalten – die Bedeutung von Z(w)eitzeugen für unsere Gesellschaft

de Jonathan Babka

Veranstaltungsbericht zur Lesung und Diskussion mit Dr. Hermann Simon und Katrin Himmler am 26.01.2023 in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung

Wenn Zeitzeugen und Überlebende sterben, drohen die Erinnerungen an die Shoa und die NS-Diktatur zu verblassen. Um diese Erinnerung im Sinne des "Nie wieder!" am Leben zu erhalten, lasen Dr. Hermann Simon und Katrin Himmler am Vorabend des Holocaust-Gedenktages aus ihren Büchern.

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Zeitzeugen spielen in der Vermittlung von Geschichte eine Schlüsselrolle. Denn durch kaum ein anderes Format kann Geschichte so greifbar vermittelt werden. Eine immer größer werdende zeitliche Distanz zum Schrecken der NS-Diktatur und der Shoa macht die Begegnungen mit echten Zeitzeugen zunehmend schwieriger. Das lässt die Bedeutung von Zweitzeugen wachsen. Als Nachfahren von Zeitzeugen können sie die Perspektive ihrer Verwandten weitertragen und nahbare Geschichtsvermittlung fortsetzen. Katrin Himmler und Dr. Hermann Simon sind solche Zweitzeugen. Sie konnten ihre bemerkenswerten Eindrücke in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung weitergeben.

Dr. Joachim Klose (Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.) begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Er betonte die Bedeutung von Erinnerungsarbeit und Gedenken an die Shoa und stellte Katrin Himmler und Dr. Hermann Simon vor. Gesondert begrüßte Joachim Klose auch die anwesenden Preisträgerinnen und Preisträger des DenkT@g-Wettbewerbs gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, die nach Berlin eingeladen wurden und im Rahmenprogramm der Preisverleihung am darauffolgenden Tag ebenso an der Lesung teilnahmen.

Moderator Nils Thieben (Journalist und Moderator) befragte die Preisträgerinnen und Preisträger zu ihren Wettbewerbsprojekten und ihrer Perspektive auf Erinnerungskultur und Gedenken. Diese Gruppe, die überwiegend aus Schülerinnen und Schülern bestand, hatte sich im Rahmen des Wettbewerbs bemerkenswert tiefgehend mit der Shoa und Antisemitismus auseinandergesetzt.

Im Anschluss begannen die beiden Lesungen. Als Historiker und Gründungsdirektor der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum leistet Dr. Hermann Simon seit Jahrzehnten Arbeit für das Jüdische Leben in Deutschland. Dass er zusätzlich als Zweitzeuge auftreten kann, ist den Erfahrungen seiner Mutter Marie Jalowicz Simon zu verdanken. Sie überlebte als junge Frau im nationalsozialistischen Berlin. Ihre Erfahrungen mit der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten teilte sie erst 1957 mit ihrem Sohn. Schließlich wollte sie aber doch erzählen und Dr. Simon nahm die bedrückenden Schilderungen seiner Mutter mit einem Tonbandgerät auf. „Fang doch einfach am Anfang an“ erwiderte er auf die Frage seiner Mutter, womit sie beginnen solle. Emotional und schonungslos schildert Marie Jalowicz Simon, was es heißt, sich Tag für Tag im nationalsozialistischen Berlin durchzuschlagen. Nur durch ihren ungewöhnlichen Mut und ihre Schlagfertigkeit konnte sie im Untergrund überleben.

Die Gespräche mit seiner Mutter wurden im Buch „Untergetaucht. Eine junge Frau überlebt in Berlin 1940 – 1945“ veröffentlicht. Aus diesem las er Passagen vor. Im Raum herrschte eine berührende Stille, als er zusätzlich noch Tonbandaufnahmen seiner Mutter vorspielte und Bilder zeigte.

Die Autorin und Politikwissenschaftlerin Katrin Himmler ist die Großnichte von Heinrich Himmler. Ergreifend berichtete sie von einem Schlüsselmoment, als sie Mitschüler im Geschichtsunterricht auf ihre Verwandtschaft zum Reichsführer SS ansprachen. Anstatt darauf einzugehen, setzte ihre Lehrerin den Unterricht fort. Diese verpasste Chance der Aufarbeitung, wie es Katrin Himmler später einschätzt, motivierte sie, sich kritisch mit ihrer Familiengeschichte auseinanderzusetzen.

Das Ergebnis dieses jahrelangen Prozesses ist ihr Buch „Die Brüder Himmler: Eine deutsche Familiengeschichte“. Aus diesem las Katrin Himmler vor. Sie setzte sie sich nicht nur mit der Rolle ihres Großonkels Heinrich Himmler auseinander, der durch seine schrecklichen Verbrechen grausame Prominenz erhalten hatte: Ihr Fokus lag auf ihrem Großvater Ernst Himmler. Der jüngere Bruder des Reichführers SS war anders als ein bis in ihre Familie hineinreichendes Bild suggerierte, kein Mitläufer, sondern überzeugter Nationalsozialist sowie Partei- und SS-Mitglied.

In den Lesungen wurden nicht nur Erinnerungen und Erfahrungen aus den persönlichen Geschichten von Hermann Simon und Katrin Himmler geschildert, gleichfalls legen die Werke aus verschiedenen Perspektiven auch Zeugnis darüber ab, welche Schrecken die Nazi-Herrschaft verbreitete.

In der anschließenden Diskussion befragte Moderator Nils Thieben Katrin Himmler und Hermann Simon zu ihrer Motivation für die tiefgreifende Recherche und das Verfassen ihrer Werke. Beide waren sich einig, dass der Anlass für die Recherche aus einem persönlichen Bedürfnis nach einem klaren Blick auf die eigene Familiengeschichte entstanden ist. Insbesondere Katrin Himmlers Sohn sollte besser informiert sein als sie in seinem Alter war.

In ihrer Rolle als Zweitzeugen konnten Katrin Himmler und Hermann Simon Geschichte greifbar und lebhaft vermitteln. Die rege Beteiligung der Schülerinnen und Schüler bei der abschließenden Fragerunde trug diesem Umstand Rechnung.

Die Lesung war die erste gemeinsame Veranstaltung von Katrin Himmler und Dr. Hermann Simon. Sie gestalteten so am Vorabend des Holocaust-Gedenktags eine sehr bewegende Veranstaltung, in der lebendige Erinnerung und aktives Gedenken im Vordergrund standen. 

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