Festabend
Bereits der Eröffnungsabend verdeutlichte die Komplexität des bedeutsamen Themas an der Schnittstelle von Politik, Justiz und Wissenschaft. In seiner Begrüßung betonte Prof. Dr. Norbert Lammert die Notwendigkeit, rechtspolitische Fragestellungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstrich, dass es selten nicht vorkommt, „dass politische Gestaltungsabsichten und rechtliche Gestaltungsmöglichkeit nicht nahtlos aufeinanderpassen“. Die Migrationspolitik sei dabei ein besonders auffälliges, sensibles und komplexes Beispiel für das Spannungsverhältnis zwischen Verfassungsnormen auf der einen und politischen Realitäten auf der anderen Seite.
Die Festreden von Herrn Thorsten Frei MdB und Frau Professorin Angelika Nußberger finden Sie in voller Länger hier auf unserer Veranstaltungsseite zum Nachhören.
Festabend der Berliner Rechtspolitischen Konferenz 2023
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Dieses Spannungsverhältnis wurde durch die beiden Festreden zu den aktuell diskutierten rechtspolitischen Lösungsansätzen für die Herausforderungen der Migration bestätigt, die den Beginn der zweitägigen Fachtagung einleiteten und bereits erste Impulse setzten. In seiner Rede plädierte Thorsten Frei MdB, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass das Asylrecht nicht weiter als Individualrecht, sondern als Institutsgarantie auszugestalten. Diesem Vorschlag läge im Kern die Überzeugung zu Grunde, dass mehr Humanität und Kontrolle nur zu gewinnen seien, wenn verhindert werde, dass ein Asylantrag auf europäischem Boden zu einem Asylverfahren auf europäischen Boden führe. Dass eine offene Debatte für eine der komplexesten Herausforderungen der Gegenwart nötig sei, bekräftigte Professorin Angelika Nußberger, Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) a.D., in ihrer anschließenden Antwort auf die Infragestellung des Asylsystems. Gleichwohl sei eine systematisch richtig scheinende Lösung dann nicht richtig, „wenn sie nicht zu den richtigen Ergebnissen, das heißt zu einem effektiven Menschenrechtsschutz, führt“. Den menschenrechtlichen Rahmen von Flucht und Migration bezeichnete sie als „Teil des europäischen Rechtsprechungserbes“ und plädierte für Änderungen, die mit den Vorgaben des EGMRs kompatibel seien - wie die Verbesserung und Beschleunigung der Verfahren, die Beweislastumkehr bei sicheren Staaten und Rückführungsabkommen.
Europäisierung der Asyl- und Migrationspolitik – zwischen Konflikt und Kooperation
Am darauffolgenden Konferenztag begrüßte Dr. Peter Fischer-Bollin, Leiter der Hauptabteilung Analyse und Beratung, die Gäste in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Mit Blick auf die Debatte um die Migrationspolitik verwies er insbesondere auf die Bedeutung der Leitideen von „Humanität und Ordnung“. Ziel müssten Verbesserungen für humanitäre Flüchtlinge einerseits und für Aufnahmeländer andererseits sein, erklärte der Hauptabteilungsleiter bevor er das Wort an die Moderatorin des ersten Panels und Referentin für Rechtsstaatsdialog und Völkerrecht, Dr. Franziska Rinke, übergab.
Das erste Podium analysierte die derzeitigen Entwicklungen des Migrations- und Asylrechts auf europäischer Ebene mit Blick auf die Achtung der Menschenrechte, um mögliche kollektive Lösungsansätze der Mitgliedstaaten zu identifizieren. Den Auftakt machte Lena Düpont MdEP, Innen- und Migrationspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion, mit einem Einblick in die aktuellen politischen Entwicklungen des 13-Rechtsakte-Pakets, dessen Fokus insbesondere auf den mangelnden Rückführungen und der zu langen Verfahrensdauer liege. In Anbetracht der geopolitischen Veränderungen unterstrich die Europaabgeordnete die Notwendigkeit einer politischen Einigung der Mitgliedsstaaten bis Ende des Jahres, die von den europäischen Institutionen angestrebt werde. Professorin Angelika Nußberger, Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte a.D., richtete den Blick nach Straßburg auf die Rechtsprechung des EGMRs in Bezug auf den Schutz der EU-Außengrenzen. Während der EGMR sich in der Rolle des „Wächters der Menschenrechte“ und der „most vulnerable people“ sehe, werde die Frage, ob er seiner Rolle gerecht werde, die Realität verkenne oder noch mehr Schutz gewährleisten müsse, unterschiedlich gewertet. In der anschließenden Analyse resümierte Prof. Dr. Winfried Kluth, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht und Leiter der Forschungsstelle Migrationsrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dass es im Kern um die Frage gehe, ob eine menschenrechtskonforme Massenmigrationssteuerung grundsätzlich möglich sei. Der Migrationsrechtsexperte kam zu dem Schluss, dass der Reformprozess ein wichtiger Schritt sei, um auf die sichtbaren Veränderungen und die Dysfunktionalität auf europäischer Ebene zu reagieren.
Den Mitschnitt der Podiumsdiskussionen finden Sie in voller Länger hier auf unserer Veranstaltungsseite zum Nachhören.
Mitschnitt der Podiumsdiskussion
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Wege in die Zukunft – Zuwanderung als Herausforderung und Chance
Das zweite, von Victoria Rietig, Leiterin des Migrationsprogrammes der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., moderierte Panel beschäftigte sich mit dem nationalen Regelungsgefüge sowie den sich daraus ergebenden Herausforderungen und Chancen der Zuwanderung. Es beleuchtete die Abgrenzung zwischen Asyl- und Erwerbsmigration und bewertete gleichermaßen die möglichen Auswirkungen eines Paradigmenwechsel aus politischer sowie rechtswissenschaftlicher Sicht. Professor Günther Krings MdB, Rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, benannte die Probleme der humanitären Zuwanderung, die sich aus der aktuellen Rechtslage und begrenzten Steuerungsmöglichkeiten auf nationaler Ebene ergeben. Der Rechtspolitiker erklärte, dass ein Paradigmenwechsel dringend nötig sei, „aber anders als die Ampel es erwartet hat“. Angesichts der Migrationspolitik der vergangenen Jahre gebe es eine besondere Verantwortung Deutschlands, Anreize zu begrenzen, um den Zustrom von Geflüchteten zu reduzieren und die Aufrechterhaltung des Schengen-System sicherzustellen. Die Professorin für das Recht der sozialen Sicherung mit dem Schwerpunkt Migration an der Universität Hamburg, Gabriele Buchholtz, fokussierte die Schnittstelle zwischen Migrationssteuerung und Integrationsförderung anhand der Sozialleistungen für Asylbewerber. Einerseits hätten diese eine verfassungsrechtlich fundierte Integrationsfunktion. Andererseits würden sie als Mittel der Migrationssteuerung gehandelt. Damit habe das Sozialleistungsrecht eine zentrale, aber auch ambivalente Rolle. „Es sind viele administrative Weichen zu stellen für eine rasche Integration derer, die bleiben dürfen und die zügige Rückführung derer, die es nicht dürfen“, konkludierte die Rechtswissenschaftlerin. In seiner anschließenden Analyse äußerte Professor Uwe-Dietmar Berlit, Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D., wiederum Zweifel, ob eine konsequente Abgrenzung von Flucht- und Erwerbsmigration real möglich sei. Recht- und Sozialstaat seien ein Segen – nicht ohne Nebenwirkungen, analysierte der Ausländerrechtsexperte. „Diese Nebenwirkungen gilt es auch im Interesse der Demokratie zu mildern. Sie rechtfertigen aber keinen Paradigmenwechsel weg von humanitären Menschenrechtsstandards“, kommentierte Berlit.
Staatsbürgerschaft – Am Anfang oder am Ende gelungener Integration?
Das dritte von der Referentin für Recht und Politik, Marie-Sophie Lanig, moderierte Podium widmete sich im letzten Schritt der Frage der Integration von Zugewanderten. Dabei wurden staatstheoretische Überlegungen zur Staatsangehörigkeit aus rechtswissenschaftlicher Perspektive beleuchtet und Auswirkungen des Staatsangehörigkeitsrecht auf den Integrationsprozess aus empirischer und politischer Sicht analysiert. Dr. Ferdinand Weber, Akademischer Rat a.Z. an der Georg-August-Universität in Göttingen, manifestierte einen engen Zusammenhang der rechtlichen Funktion der Staatsangehörigkeit mit dem Zusammenhalt der Gesellschaft. Dabei identifizierte er die Staatsangehörigkeit über ihre politische Mitgliedschaftsfunktion als „Anlaufpunkt gesellschaftlicher Selbstverständigung“ und unterstrich, dass eine zukunftsgerichtete politische Mitgliedschaft von einem soziokulturellen Identitätswechsel zu unterscheiden sei. Demgegenüber widmete sich der Co-Leiter der Abteilung Integration am Deutschen Institut für Integrations- und Migrationsforschung, Dr. Niklas Harder, aus empirischer Sicht der Frage, wie sich Einbürgerungen auf den Integrationsprozess des einzelnen auswirken. Vor diesem Hintergrund beurteilte der Sozialwissenschaftler den Entwurf der Bundesregierung des Gesetzes zur Modernisierung der Staatsangehörigkeit und schlussfolgerte, dass die normative Bedeutung der Staatsangehörigkeit über einen Integrationsanreiz hinausgehen müsse. Der Sprecher für Staatsorganisation und -modernisierung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Amthor MdB, bewertete die Integrationsleistung als unabdingbare Voraussetzung, um den Weg zur Staatsangehörigkeit einzuleiten. „Die Staatsangehörigkeit ist nicht eine technische Kleinigkeit, die zur Disposition des einfachen Gesetzgebers steht, sondern eine basale Grundlage von Staatlichkeit“, bekräftigte der Unionspolitiker. Wenn man etwas an der Staatsangehörigkeit ändern wolle, dann nur um die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Demokratie zu stärken, verdeutlichte er abschließend.
Die Leiterin der Abteilung Demokratie, Recht und Parteien, Daphne Wolter, resümierte in ihrem Schlusswort, dass derzeit wenige Themen an der Schnittstelle von Recht und Politik ähnlich emotionale Diskussionen im gesellschaftlichen Diskurs entfachen würden. Sie betonte, dass es bei der diesjährigen Konferenz gelungen sei, sich mit dem Spannungsfeld der Migrationspolitik mit der notwendigen Sachlichkeit und Fachexpertise auseinanderzusetzen, bevor sie ihren Dank an die Expertinnen und Experten sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer richtete.
subiecte
furnizate de
Hauptabteilung Analyse und Beratung
despre această serie
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