„Praktisch-politisch“ bedeute dies, „nicht nur an heute zu denken“, leitete der Finanzminister dazu seine Überlegungen ein, denn: „Tun, was irgendwie geht und außer Acht lassen, wie das in zehn, fünfzehn, zwanzig oder fünfzig Jahren aussieht – das wäre der große Fehler. Denn das bedeutet, dass die nachwachsenden Generationen genau diese Schulden, die wir jetzt machen, in dem Zinsumfeld, wie es dann ist, in den Marktumfeldern, wie sie dann sind, wieder zurückzahlen müssen. Damit nehmen wir politische Gestaltungsspielräume der Zukunft.“
Man müsse mehrere Dinge untereinander abwägen. Dies beginne bei einem vernünftigen Verhältnis von Einnahmepolitik und Ausgabepolitik. Dies gehe weiter bei einer Steuerpolitik, welche so gestaltet sein solle, dass man die Menschen nicht überfordere, sondern vielmehr Anreize dafür schaffe, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, um dann z.B. viele Mitarbeiter gut beschäftigen zu können - und damit die Einnahmen des Staates ideal zu generieren. Auch die Ausgabepolitik müsse viele Herausforderungen miteinander vereinbaren. Ökonomische, ökologische und soziale Aspekte müssten schon zusammen betrachtet werden.
Es zeigte sich einmal mehr: Der Mensch steht im Mittelpunkt der Sozialen Marktwirtschaft – und nicht z.B. ein isoliertes 1,5°-Grad-Ziel, ein fixer staatlich festgelegter Mindestlohn etc.
Aber was bedeutet dies konkret für Nordrhein-Westfalen?
Minister Lienenkämper nannte als Beispiel aus Investorensicht den Pensionsfonds für Landes-Mitarbeiter, der zusammen mit dem Land Baden-Württemberg und mit Unterstützung der Bundesbank nach nachhaltigen Kriterien entwickelt worden sei. Aber auch auf dem Kreditmarkt emittiere das Land neben Formaten nun Nachhaltigkeitsanleihen – man sei mit einem Volumen von fast 17. Mrd. Euro sogar der größte öffentliche Emittent der Welt. Und noch ein Punkt sei genuin NRW: Mit Hilfe des Wuppertal Instituts versuche man bei diesen Anleihen konsequent, Green Washing zu verhindern.
Eva-Maria Blank als Unternehmerin und Gabriela Pantring als Vorstand der NRW.Bank setzten entsprechend ihrer beruflichen Erfahrungen eigene Akzente, welche jedoch eine gemeinsame Grundlinie unterstrichen: Wenn politische Entscheidungen gegen ökonomische Zusammenhänge getroffen werden, ist zumeist ein hoher Preis zu zahlen. Dies gilt allzumal für Schulden. Sie können sich rasch - im doppelten Sinne des Wortes - zu Hypotheken auf die Zukunft eines Landes, einer Wirtschaft und auch einer gesamten Generation entwickeln.
Frau Blank mahnte an, dass auch Nachhaltigkeitsanleihen letztlich nur Staatsfonds seien. Noch wichtiger als die nachhaltige Geldbeschaffung sei aus Unternehmenssicht der Blick auf die politischen Handlungsnotwendigkeiten: Schaffung ökonomischer Rahmenbedingungen im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft, Luft zum Atmen für Unternehmen (Absenkung der rekordverdächtigen deutschen Unternehmenssteuern), Planungssicherheit, nachweisbare Eindämmung der bürokratischen Nachweispflichten und Planungssicherheit. Kurzum: Spielräume, die den Standort NRW attraktiv erhielten. Mit Blick auf die vergangenen Jahre könne man festhalten, dass es die Landesregierung in diesem Sinne geschafft habe, die Schuldenbremse einzuhalten und gleichzeitig Gelder für Investitionen zu erhöhen. Offensichtlich gehe das sehr wohl – wenn man denn wolle. Auch müsse man dem Bürger mehr zutrauen, was z.B. die private Eigenvorsorge und die Altersvorsorge über den Aktienmarkt angehe. NRW solle sich den privaten Aktienmarkt der U.S.A. dahingehend zum Vorbild nehmen.
Beim Thema Planungssicherheit war offenkundig ein Kernbestand der Sozialen Marktwirtschaft berührt – denn hier knüpfte Frau Pantring als Vorstand der NRW.Bank an. Langfristige Planungssicherheit bedeute langfristige Finanzierung bzw. Kreditgewährung durch die NRW.Bank, z.B. mit entsprechenden Krediten für mittelständische Unternehmen. Pointiert stellte Frau Pantring den Selbstanspruch fest: „Wir besorgen das Fördergeld am Markt, mit dem Namen des Landes NRW“. Daher habe man begreiflicherweise Interesse an einem guten Rating, also an einer soliden Kreditwürdigkeit, die wiederum auf einer soliden Basis des Landes beruhe. Und Frau Pantring ergänzte einen weiteren Punkt: Transparenz und Nachvollzierbarkeit seien enorm wichtig für die Ermöglichung, für die Akzeptanz und auch für die Legitimation bei Fördermitteln. Was die Akzeptanz der Finanzierungen, aber auch die Breite der Investoren angehe, seien die zertifizierten nachhaltigen Anleihen ein wichtiger Entwicklungsschritt für das Land gewesen. Die Kriterien der nachhaltigen Zertifizierungen seien dabei detailliert einsehbar und überprüfbar.
Und an konkreten Beispielen mangelte es Frau Pantring nicht. So sei z.B. eine Anleine in der Höhe von 500 Millionen Euro strikt nach den – überprüfbaren – nachhaltigen Kriterien emittiert worden. Und genau dieses Geld diene nun großen Projekten rund um die nachhaltige Renaturierung der Emscher (dem H20-Transformations-Symbol für NRW schlechthin…) sowie der erneuerbaren Energien in NRW.
An dieser Stelle gelangte das Thema Klimapolitik wiederum auf die Tagesordnung. Rechtfertige die „Klimakrise“ ein Aushebeln der Schuldenbremse, fragt der Moderator Alfred Schier in die Runde. Sei das Thema Klimawandel ein Sondertatbestand wie die Pandemie?
Hier differenzierte Minister Lienenkämper: Die Pandemie sei eine schnelle, unmittelbare und konkrete Gefahr. Das Thema Klima dagegen wirke global langfristig und sei in der unmittelbaren Gefahrenabwehr mit anderen Gütern abzuwägen, die zu den Nachhaltigkeitszielen der UNO zählten.
Frau Blank stimmte zu: Dies sei letztlich kein Vergleich, die Technik fehle noch für die unmittelbare Klimaneutralität in NRW – dem Land mit ganz besonders hohen Vermeidungskosten in der EU. Eher solle man effizient handeln und über z.B. den CO2-Zertifikatehandel die großen Verursacher ins Boot holen, allzumal Deutschland selbst trotz seiner erheblichen Industrieleistung gerade einmal für 2 % der entsprechenden Emissionen zuständig sei. Wenn Deutschland als eine der ganz großen Volkswirtschaften etwas unmittelbar für die Welt tun wolle, helfe die Debatte um die Schuldenbremse wenig. Viel wichtiger sei nach den beiden äußerst bitteren Pandemie-Jahren die Stabilisierung der Wirtschaft im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft.
Und was bedeute nachhaltige Finanzpolitik nun zusammengfasst für NRW, fragte Herr Schier am Ende der Diskussion:
Frau Pantring mahnte an: „Ein solider Haushalt hilft uns auch hier in NRW, um die Herausforderungen der Zukunft entsprechend zu meisten.“ Und weiter: „Ich glaube, das ist die Basis von allem. Nur wenn der Haushalt solide ist, dann können wir uns auch unterhalten, wie wir die Gesellschaft ansonsten noch motiviert bekommen auch mitzumachen.“ Damit offenbarte Frau Pantring als Vorstand der NRW.Bank in klaren Worten die unmittelbare zivilgesellschaftliche Dimension des nur scheinbar abstrakten Themas Finanzpolitik.
Frau Blank ergänzte pointiert: „Die Schuldenbremse einhalten für die Generationengerechtigkeit. Und verstärkte Investitionen in Infrastruktur und Bildung.“
„Maß und Mitte halten“, ergänzte Finanzminister Lienenkämper – und appellierte damit wenige Tage nach dem 125. Geburtstag von Ludwig Erhard an eine Grundeinsicht der Sozialen Marktwirtschaft.
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