I. Politische Ausgangslage vor den Wahlen
Die diesjährigen Präsidentschaftswahlen fanden in zwei Wahlgängen statt: Der erste Wahlgang am 24. April 2024 und der zweite gemeinsam mit den Parlamentswahlen am 8. Mai 2024. Die politische Stimmungslage für die Parlamentswahlen prägte beide Wahlen.
Die politische Stimmung im Land stand klar für einen Regierungswechsel. Zu desaströs war die Bilanz der Sozialdemokraten in Nordmazedonien, die gemeinsam mit der größten albanischen Partei DUI regierte. Rechtsstaatlichkeit, Korruption, Bildung, Gesundheitswesen und Funktionalität des Staates als Ganzes wurden von den Bürgerinnen und Bürgern als größte Defizitthemen ausgemacht. Diese Themen waren nicht neu, sondern führten bereits bei den Kommunalwahlen Ende 2021 zu einem landesweit klaren Sieg von VMRO-DPMNE in dessen Folge der politisch erfahrene Premierminister Zoran Zaev zurücktrat. Sein Nachfolger, Dimitar Kovachevski, blieb politisch blass und fiel durch unangemessene und kritikwürdige öffentliche Auftritte auf. Überdies blieb er still gegenüber fortgesetztem Nepotismus und Korruption des größten albanischen Koalitionspartners DUI. Dazu leistete sich die Regierung im Wahljahr einen schweren Fauxpas. Die Regierung musste zu Jahresbeginn zugeben, dass sie die Übergangsfrist des Prespa-Abkommens zur Ausstellung neuer Reisepässe mit dem Namen „Nordmazedonien“ nicht rechtzeitig kommuniziert und so erst nach einer massiven Verzögerung mit dem Dokumentenumtausch begonnen werden konnte. Ca. eine Million Menschen in Nordmazedonien im In- und Ausland verloren für mehrere Monate ihre Reisefreiheit. Dass die Regierungsparteien eine vermeintlich europafreundlichere Ausrichtung als die Opposition hätten, wurde durch die wenig positiven Fortschrittsberichte der EU-Kommission nicht bestätigt.
Die bereits seit Jahren erfolglosen Bemühungen des Landes, die EU-Beitrittsgespräche zu eröffnen, haben zu viel Frustration und Enttäuschung geführt, so dass das Thema EU-Beitritt kein Wahlkampfthema war.
Insofern war es nur folgerichtig, dass die Regierungsparteien, welche das Thema EU in den Mittelpunkt ihrer Kampagnen stellten, im Wahlkampf kaum punkten konnten. VMRO-DPMNE ging mit einer Kampagne in den Wahlkampf, welche unter dem Slogan „Mach Mazedonien wieder zu Deinem“ die Defizite der Regierung und unterschwellig auch die Politik der identitätspolitischen Zugeständnisse für den EU-Beitritt sowie die überproportionale Repräsentation albanischer Politiker in der Regierung adressierte. In diesem Zusammenhang war ein erklärtes Wahlziel, die seit 22 Jahren mitregierende albanische DUI nach der Wahl in die Opposition zu schicken.
II. Die Präsidentschaftswahl
Es gab insgesamt sieben Kandidaten, fünf Männer und zwei Frauen, wobei bereits im Vorfeld relativ sicher war, dass Amtsinhaber Stevo Pendarovski von den Sozialdemokraten und Gordana Siljanovska Davkova von der größten Oppositionspartei VMRO-DPMNE als Vertreter der beiden größten Parteien in den zweiten Wahlgang einziehen würden. Der zweite Wahlgang ist in Nordmazedonien die Stichwahl der beiden Bestplatzierten, sofern nicht im ersten Wahlgang bereits eine absolute Mehrheit von einem Kandidaten errungen wird.
Nordmazedonien ist ein multiethnisches Land, doch leben die beiden größten Bevölkerungsgruppen der christlich-orthodoxen slawischen Mazedonier (etwa 66% der Bevölkerung) und muslimischen Albaner weitestgehend segregiert voneinander, so dass es auch nach Ethnien differenzierte Parteiensysteme gibt. Der Konkurrenz zwischen SDSM und VMRO-DPMNE unter den Mazedoniern stand ein Wettbewerb von DUI mit dem Oppositionsbündnis VLEN unter den Albanern gegenüber. Deren Kandidaten waren mit Außenminister Bujar Osmani (DUI) und dem Bürgermeister von Gostivar, Arben Taravari, (VLEN) wichtige und bekannte Persönlichkeiten aus den Reihen der albanischen Politik. Bei deren Wahlkampf war das Ziel weniger, tatsächlich eine reale Chance zur Wahl zum Staatspräsidenten zu haben, sondern bereits mit Blick auf den zweiten Wahlgang und die gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen zu zeigen, wer stärkste politische Kraft unter den ethnischen Albanern ist. Dies hatte auch Signalwirkung dahingehend, welche albanische politische Kraft als Regierungspartner nach den Parlamentswahlen in Frage kommen würde. Denn auch wenn DUI wieder stärkste albanische Partei werden würde, würde ein Wahlsieger VMRO-DPMNE mit VLEN über eine neue Regierung verhandeln, wenn die Mehrheitsverhältnisse dies zuließen. Alle politischen Kräfte sahen den ersten Wahlgang daher nicht nur als Stimmungstest, sondern auch als Mobilisierungschance für die zeitgleich mit dem zweiten Wahlgang stattfindenden Parlamentswahlen an.
Der erste Wahlgang
Bereits die Umfragen sagten voraus, dass Gordana Siljanovska Davkova im ersten Wahlgang das beste Ergebnis erzielen würde, da VMRO-DPMNE als Partei in allen Erhebungen deutlich führte, die ethnischen Albaner im ersten Wahlgang nur für albanische Kandidaten stimmen würden und die weiteren Mitbewerber eher aus dem politisch linken Lager stammten. Die LEVICA-Kandidatin hatte ihre Anhänger zudem aufgerufen, niemanden zu unterstützen. Die Umfragen sagten voraus, dass die Wähler, die im ersten Wahlgang weder Siljanovska Davkova noch Pendarovski unterstützt hatten, im zweiten Wahlgang tendenziell für Amtsinhaber Pendarovski stimmen würden. Daher war im Lager von Stevo Pendarovski viel Optimismus vorhanden, als Zweitplatzierter im ersten Wahlgang dennoch die Wahl im zweiten Wahlgang für sich entscheiden zu können.
Darüber hinaus konnte Stevo Pendarovski durchaus damit rechnen, mit der Misswirtschaft und Korruption der ihn nominierenden SDSM weniger in Verbindung gebracht zu werden, da er ein durchaus beliebter Staatspräsident war. Seine persönlichen Umfragewerte, die deutlich über denen der SDSM lagen, schienen dies zu bestätigen. Umgekehrt lagen die persönlichen Umfragewerte von Gordana Siljanovska Davkova unter denen von VMRO-DPMNE. Die Annahme im Lager Stevo Pendarovskis war, dass ein Rückstand von bis zu 80.000 Stimmen im zweiten Wahlgang aufholbar wäre, während VMRO-DPMNE und Gordana Siljanovska Davkova von mindestens 100.000 Stimmen Vorsprung ausgingen, um die Wahl im zweiten Wahlgang zu gewinnen.
Das Ergebnis überraschte beide Lager in umgekehrter Weise: Gordana Siljanovska Davkova distanzierte Amtsinhaber Stevo Pendarovski um 180.000 Stimmen, wodurch das Ergebnis des zweiten Wahlgangs bereits nahezu feststand. Die Deutlichkeit des Sieges ließ bereits klare Rückschlüsse auf die Parlamentswahlen zu, so dass SDSM und Pendarovski nur mit Durchhalteparolen reagierten, bei denen man den Protagonisten anmerkte, dass diese ohne jede Überzeugung geäußert wurden. Im Wettbewerb der albanischen Kandidaten konnte sich Außenminister Bujar Osmani (DUI) durchsetzen, wobei der Abstand von ca. 38.000 Stimmen zu Arben Taravari (VLEN) deutlich geringer war als erwartet. Hier muss berücksichtigt werden, dass unter den knapp 121.000 Stimmen für Osmani sich auch die Wähler der muslimischen Minderheiten der Türken, Roma, Bosniaken und Turbesch befanden, mit deren Kleinparteien DUI ein Wahlbündnis eingegangen war. Für die Betrachtungsweise im Land ist die Frage, wie viele ethnische Albaner für welche Parteien stimmen, von großer Bedeutung. Eine rechnerische Mehrheit für VMRO-DPMNE und VLEN nach den Parlamentswahlen konnte als realistische Option angenommen werden.
Der zweite Wahlgang
Als Neuauflage des Duells um die Präsidentschaft von 2019 standen sich wieder Stevo Pendarovski und Gordana Siljanovska Davkova in der Stichwahl gegenüber. Durch die Deutlichkeit des Sieges im ersten Wahlgang und der gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahl wurde das finale Ergebnis, welches Gordana Siljanovska Davkova mit 65,14% gegenüber 29,25% als strahlende Siegerin der Wahl sah, kaum überraschend antizipiert.
Boykottversuch von DUI
Das Ergebnis des ersten Wahlgangs stützte bereits die Annahme, dass die nächste Regierung des Landes von VMRO-DPMNE und VLEN gebildet wird. VMRO-DPMNE hatte sich vielfach dazu bekannt, dass eine Koalition mit DUI auf keinen Fall angestrebt wird. DUI, eine fast 22 Jahre ohne Unterbrechung an allen Regierungen beteiligte politische Kraft, wird von vielen Menschen im Land als Hauptgrund für Korruption und Dysfunktionalität des Staates wahrgenommen. War dies über viele Jahre hinweg eher eine selektive Wahrnehmung ethnischer Mazedonier gegenüber der größten albanischen Partei, so zeigte der Wahlerfolg von VLEN, dass der Anspruch DUIs, vermeintlich die Alleinvertretung der albanischen Bevölkerung im Land beanspruchen zu können, nicht mehr haltbar ist. Die Negativwahrnehmung der DUI hatte somit auch Teile der albanischen Bevölkerung erfasst. DUI musste mit einer erstmaligen Nichtbeteiligung an der Regierung rechnen.
Die Führung von DUI versuchte im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl daher, durch einen Boykott ein Druckmittel zur Regierungsbeteiligung zu erhalten. Laut der Verfassung Nordmazedoniens liegt das Mindestquorum für eine gültige Wahl bei 40%. Die niedrig klingende Hürde ist jedoch durch schlecht gepflegte Wahlregister, viele im Ausland lebende Bürgerinnen und Bürger und bewusste Wahlabstinenz durchaus nicht einfach sicherzustellen. DUI-Funktionäre riefen daher über unterschiedliche Kommunikationskanäle zum Boykott auf. Beim Nichterreichen des Quorums von 40% wäre die Wahl ungültig gewesen. Eine Wiederholung hätte drei Monate später angesetzt werden müssen. Doch mit einem permanenten Boykott wäre eine Verfassungskrise entstanden, die nach dem Kalkül von DUI die Beteiligung an der Regierung sichergestellt hätte, da erst dann der Boykott durch DUI beendet worden wäre.
Tatsächlich stimmten in den albanischen Wahlbezirken mehr als 120.000 Menschen weniger bei der Präsidentschaftswahl ab als bei der gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahl. Der Boykottversuch schlug mit einer Wahlbeteiligung von 46% fehl, doch äußerten sich nahezu alle politischen Protagonisten im Land wie auch der scheidende Staatspräsident Stevo Pendarovski empört über den verantwortungslosen Destabilisierungsversuch aus parteitaktischen Interessen.
Diplomatischer Eklat bei der Amtseinführung
Gordana Siljanovka Davkova kündigte bereits im Wahlkampf an, dass sie weiterhin den vor dem 2018 mit Griechenland geschlossenem Prespa-Abkommen gültigen Staatsnamen „Mazedonien“ verwenden würde. Sie begründete dies sowohl mit dem Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung als auch mit Artikeln der Verfassung Nordmazedoniens, wodurch sie nach ihrer Auffassung das Prespa-Abkommen nicht verletzen würde. In diesem Zusammenhang betonte sie, dass keine Revision des Prespa-Abkommens beabsichtigt sei. Gleichwohl war voraussehbar, dass Griechenland diese Interpretation des Abkommens nicht akzeptieren würde. Als Gordana Siljanovska Davkova bei Ihrer Amtseinführung am 12. Mai tatsächlich „Mazedonien“ statt „Nordmazedonien“ sagte, löste sie einen diplomatischen Eklat aus.
Griechenland, unterstützt von der EU, der Mehrzahl der EU-Mitgliedsstaaten als auch den USA forderten von ihr und der zukünftigen Regierung, das Prespa-Abkommen zu akzeptieren und den verfassungsmäßigen Staatsnamen „Nordmazedonien“ zu verwenden. In späteren Statements sagte sie zu, in offiziellen Staatsangelegenheiten und bei Auslandsbesuchen entsprechend zu handeln. Damit gelang ihr leider kein guter Start ins neue Amt. Gerade im spannungsreichen Südosteuropa muss sich Nordmazedonien – wie auch alle anderen Länder – der gegenseitigen Sensibilität identitätspolitischer Themen bewusst sein.
III. Die Parlamentswahl
Die politische Ausgangslage für die Parlamentswahl war hinsichtlich der Themen gleich. Dass VMRO-DPMNE stärkste Kraft werden würde stand außer Zweifel, doch blieb die Frage, ob die Wunschkoalition mit der albanischen VLEN unter Vermeidung von DUI möglich wäre. Seit Beendigung des bewaffneten Konflikts zwischen ethnischen Mazedoniern und Albanern gilt als ungeschriebenes Gesetz, dass an der Regierung politische Kräfte der beiden größten Ethnien beteiligt werden müssen. Darüber hinaus wurde eine Beteiligung der Partei ZNAM, einer Abspaltung von den Sozialdemokraten geführt von Kumanovos Bürgermeister Maksim Dimitrievski, an einer künftigen Regierung diskutiert. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahl zeigte eine klare Tendenz für die zwei Wochen später stattfindenden Parlamentswahlen.
VMRO-DPMNE-Parteichef und -Spitzenkandidat Hristijan Mickoski konnte daher zuversichtlich in die Wahl gehen. Das Ergebnis übertraf selbst die positivsten Prognosen für VMRO-DPMNE und man gewann 58 von 120 Parlamentssitzen. Bemerkenswert ist dabei, dass VMRO-DPMNE mehr als 70% der Stimmen der ethnischen Mazedonier gewann. Das Ergebnis der albanischen Oppositionskoalition VLEN mit 13 Sitzen war stark genug, um eine ausreichende Regierungsmehrheit zu haben. Auch wenn VLEN nach Sitzen schwächer als DUI im albanischen Lager ist, war der Abstand deutlich geringer, wenn man nur die Stimmen der albanischen Wähler betrachtet, denn das Wahlbündnis von DUI umfasste auch alle nichtalbanischen Muslime des Landes. Diese ethnische Betrachtungsweise spielt im Land noch immer eine große Rolle zur Darstellung der politischen Kräfteverhältnisse.
Die sozialdemokratische Abspaltung ZNAM konnte mit ihren sechs Sitzen einen Achtungserfolg verzeichnen und nahm das Angebot zum Regierungseintritt von VMRO-DPMNE an. Für die zukünftige Regierungsmehrheit hatte dies zwar keine Relevanz, jedoch ist dies eine Rückversicherung für die größte Regierungspartei, denn in der Vergangenheit nutzten kleinere Regierungspartner ihren Einfluss als Mehrheitsbeschaffer und „Königsmacher“, um den größeren Regierungspartner bei Entscheidungen und Postenvergaben unter Druck zu setzen. Durch die Hinzunahme von ZNAM wäre ein Ausscheiden eines der kleineren Regierungspartner keine Gefahr für die Regierungsmehrheit, was die Handlungsspielräume für VMRO-DPMNE verbessert.
Die sieben Jahre regierende SDSM erlebte in den Wahlen einen beispiellosen Absturz, der in seiner Deutlichkeit ebenfalls überraschend war. Doch selbst politische Freunde der Partei attestierten, dass die Regierungsbilanz verheerend war und die Niederlage folgerichtig. Durch das Wahlsystem mit den sechs Wahlkreisen ist SDSM trotz des 2. Platzes nach Stimmen sogar nur noch drittgrößte Fraktion nach DUI.
Die größte albanische Partei DUI wird nach 22 Jahren erstmals nicht mehr einer Regierung angehören. Für viele Menschen im Land ist sie das Sinnbild für Korruption und Kriminalität auf Regierungsebene und auch unter der albanischen Bevölkerung hat die Partei ihre dominante Rolle eingebüßt. Die Linksnationalisten von LEVICA ziehen leicht verbessert wieder ins Parlament ein. Mit einer destruktiven und antiwestlichen Fundamentalopposition wird die Partei allerdings keine Partner im Parlament haben. Beunruhigend ist allerdings, dass LEVICA seine Wähler gerade unter jungen Mazedoniern, insbesondere an Universitäten, hat.
Die neue Regierung
Der neue Premierminister Hristijan Mickoski und seine Regierung wurden am 23. Juni 2024 vereidigt. Befürchtungen, dass der neue Premierminister und die Minister seiner Partei wie Staatspräsidentin Gordana Siljanovska Davkova ebenfalls nur „Mazedonien“ beim Amtseid sagen könnten, konnten zwei Tage vor der Vereidigung ausgeräumt werden, was neuerliche diplomatische Spannungen vermeiden ließ.
Hristijan Mickoski kündigte bereits vor seiner Wahl an, dass er die Zusammensetzung und den Ministeriumszuschnitt verändern würde. Dazu benötigte er nach der Verfassung Nordmazedoniens eine 2/3-Mehrheit im Parlament. Diese erreichte er bereits knapp zwei Wochen vor seiner Amtseinführung. Interessanterweise unterstützte die nun oppositionelle DUI ihn bei diesem Vorhaben, welche sich damit als möglicher Koalitionspartner für etwaige Regierungskrisen im Laufe der Legislatur schon anbot. Umgekehrt konnte Hristijan Mickoski bereits beweisen, dass er eine 2/3-Mehrheit im Parlament organisieren kann, was die Fähigkeit für weitere Verfassungsänderungen unterstrich.
Die neue Regierung umfasst insgesamt 24 Minister, wovon fünf den Rang eines Vize-Premierministers haben. 16 gehören zu VMRO-DPMNE, 6 zu VLEN und 2 zu ZNAM. Der Regierung gehören insgesamt drei Frauen an, die alle Ministerinnen aus den Reihen der VMRO-DPMNE sind. Sichtbar wird in den neuen Ministerien und Neuzuschnitten bestehender Ministerien bereits, dass der neue Premierminister einen großen Schwerpunkt auf Wirtschaft und Energie legt. So ist der Außenhandel ab jetzt dem Außenministerium zugehörig und es gibt ein neu geschaffenes Energieministerium, welches auch die Zuständigkeit für Bodenschätze hat. Darüber hinaus ist ein erklärtes Ziel der Regierung, die Abwanderung der jungen Leute aus dem Land zu stoppen (Brain Drain). Zu diesem Ziel wurde ein neues Ministerium für Jugend und Sport geschaffen, welches der im Land sehr populäre ehemalige Handballstar Borko Ristovski leiten wird. Man erhofft sich durch das neue Ministerium, die Interessen und Perspektiven der Jugend besser in den Blick nehmen zu können. Mit Timco Mucunski ist einer der Vizeparteivorsitzenden von VMRO-DPMNE Außenminister, welcher nach Ansicht aller internationalen Partner, die beste Wahl für das Amt ist. Die vielfältigen internationalen Herausforderungen werden eine Persönlichkeit mit diplomatischem Geschick und sicherem Auftreten benötigen, wozu Mucunski unter allen möglichen Kandidaten am besten geeignet erscheint.
Auch die anderen Ministerien besetzte Mickoski vorwiegend mit Vertrauten, wobei die fachlichen und beruflichen Hintergründe häufig mit den Ministerien übereinstimmen. So kommt die neue Energieministerin Sanja Bozinovska aus dem Energiesektor mit viel internationaler Erfahrung und Gordana Kocoska Dimitrievska blickt auf eine lange Zusammenarbeit mit Mickoski in finanzpolitischen Themen zurück. Das für das NATO-Mitglied wichtige Verteidigungsministerium wird von Vlado Misaijlovski geführt. Hervorzuheben ist, dass die meisten Minister von VMRO-DPMNE nicht für das Parlament kandidierten. Dies hat den Hintergrund, dass die Doppelfunktion Minister/Parlamentsabgeordneter nicht zulässig ist und Mickoski seine Parlamentsfraktion nicht personell ausdünnen, sondern sowohl in Legislative als auch in Exekutive Vertraute haben möchte.
Die bekanntesten Protagonisten von VLEN, Arben Taravari und Izet Mexhiti, werden das Gesundheits- bzw. Umweltministerium leiten. ZNAM erhält das Justizministerium und das öffentliche Verwaltungsministerium.
Regierungsprogramm und Ausblick
Hristijan Mickoski kündigte in seinem Regierungsprogramm an, dass Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit zusammen mit Wirtschaftsförderung und Förderung von Auslandsinvestitionen im Mittelpunkt stehen werden. Die so gewonnenen neuen Beschäftigungsmöglichkeiten als auch Einnahmen des Staates sollen den Menschen neue Perspektiven im Land bieten.
Damit einher ging die Ankündigung eines umfassenden Investitionsprogramms in Höhe von 250 Millionen Euro für die Kommunen. In seiner Regierungserklärung verkündete er bereits ein realisiertes Investment vom Konsortium Alcazar-Energy, welches 450 Millionen Euro im Windenergiebereich investieren will und laut Mickoski ein erster Schritt zur Energieautonomie des Landes sein wird. Mickoski bemerkte, dass dies das erste von vielen weiteren Investments sei.
Außenpolitisch erklärte Mickoski mehrfach, dass der Platz Nordmazedoniens als Teil des Westens in der NATO und damit auch verbunden an der Seite der Ukraine ist.
Bezüglich des EU-Beitrittsprozesses unterstrich Mickoski das Ziel, Nordmazedonien in die EU zu führen, jedoch ohne „bulgarisches Diktat“. Gleichzeitig betonte er, sich mit dem bulgarischen Staatspräsidenten Ruman Radew als auch dem möglicherweise nächsten bulgarischen Premierminister Bojko Borissow treffen zu wollen. Hintergrund für das sogenannte „bulgarische Diktat“ ist der „Französische Vorschlag“, welcher als Kompromissvorschlag zum Ende der französischen EU-Ratspräsidentschaft 2022 vorsah, dass Nordmazedonien seine Verfassung ändert und die bulgarische Minderheit als Teil des Staatsvolkes anerkennt. Hierbei ist klarzustellen, dass VMRO-DPMNE den Inhalt der Verfassungsänderung als solche nicht ablehnt, jedoch im Gegenzug eine Art Garantie Bulgariens oder der EU erhalten möchte, dass dies die letzte identitätspolitische Forderung an Nordmazedonien sei. Diese Haltung ist Ausdruck von langjährigem Misstrauen in den Beziehungen zwischen Nordmazedonien und Bulgarien. Der bisher schleppende EU-Beitrittsprozess, in dessen Verlauf Flagge, Staatsname und diverse andere Umbenennungen als Zugeständnisse gegeben worden sind, hat das Vertrauen in den Erfolg entsprechender Zugeständnisse erschüttert. Die seit 2014 von der Konrad-Adenauer-Stiftung als auch anderen Forschungsinstituten gemessenen Zustimmungsraten zum EU-Beitritt sanken zwischen 2014 und 2023 von 93% auf 62%. Von den 62% sind wiederum nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten noch davon überzeugt, dass das Land jemals EU-Mitglied wird. Unter diesem Gesichtspunkt greift der Vorwurf vermeintlicher EU-Ablehnung der neuen Regierung zu kurz, zumal VMRO-DPMNE hier mehr als 70% der ethnisch mazedonischen Bevölkerung hinter sich weiß. Für Zugeständnisse im identitätspolitischen Bereich im Austausch für EU-Beitrittsgespräche wird Premierminister Hristijan Mickoski entsprechende Garantien verlangen. Daran werden ihn viele Wähler auch messen. Inwieweit dies aufgrund der asymmetrischen Machtverhältnisse von EU-Mitgliedsländern und Beitrittskandidaten von Erfolg gekrönt sein kann, wird die Zukunft zeigen.
Die Erwartungen an die neue Regierung im Land sind aufgrund des Wahlergebnisses sehr hoch.
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