Rapoarte de țară
Es erhielt bei der Vertrauensabstimmung im Parlament auch die Zustimmung des Demokratischen Verbands der Ungarn in Rumänien (UDMR) und kam dadurch auf eine breite Mehrheit von 282 Ja-Stimmen (bei insgesamt 464 Mitgliedern der zwei Kammern der Legislative) – notwendig wären lediglich 233 gewesen.
Die neue Premierministerin wies bereits in ihrer Rede im Parlament darauf hin, dass als „politische Regierung“ das Kabinett „ausschließlich vor der Mehrheitskoalition“ seine Entscheidungen verantworten werde – eine deutliche Loyalitätsbekundung gegenüber Dragnea. Ferner betonte Dăncilă, dass während ihrer Amtszeit „kein anderes Machtzentrum“ der Regierung Anweisungen geben werde, worin eine Anspielung auf ein zentrales Narrativ Dragneas und der PSD-Spitze zu sehen ist - dass es in Rumänien einen „parallelen Staat“ gebe, der willkürlich auf Politik und Justiz Einfluss nehme. Mit diesem Narrativ rechtfertigt die PSD insbesondere ihre umstrittenen Gesetzesentwürfe zur Reform des Strafrechts und der Justizinstitutionen. Während der Regierungsbildung hat die EU-Kommission noch einmal sehr deutlich Einschränkungen der Unabhängigkeit der Justiz durch diese Gesetze kritisiert und das rumänische Parlament zu Änderungen aufgefordert.
Wie der Rücktritt von Premierminister Tudose, so hat die Bildung der neuen Regierung die Machtstellung von Dragnea innerhalb der PSD erneut bestätigt. Allerdings muss auch Dragnea darauf bedacht sein, dass die Regierungskoalition künftig stabiler arbeitet. Die Zusammensetzung des neuen Kabinetts weist dabei darauf hin, dass Dragnea versucht, unterschiedliche Interessen und Kräfte innerhalb der PSD einzubinden. Das mag auch eine Reaktion auf Vorwürfe sein, er würde zu autoritär agieren, die auch aus der Führung der Sozialdemokratien gegen Dragnea erhoben wurden. In der neben Dăncilă aus vier Vizepremierministern und 22 Ministern bestehenden Regierung gibt es zwar keine ehemalige Weggefährten des Ex-Premierministers Tudose mehr, dafür aber innerparteiliche Kritiker von Dragnea wie etwa Viorel Stefan, Vizepremierminister ohne Portfolio und ehemaliger Finanzminister im Kabinett Grindeanu, oder Eugen Teodorovici, der nun als Finanzminister fungieren wird – einen Posten, den er zuletzt unter Premierminister Victor Ponta zwischen März und November 2015 inne hatte.
Inklusiv ist die neue Regierung auch dadurch, dass ein breites Spektrum an PSD-Kreisverbänden durch Minister vertreten sind – was darauf hinweist, dass Dragnea dadurch auch seinen Rückhalt bei sogenannten „Lokalbaronen“ in den Regionen zu stärken sucht, damit aber auch stärker von ihnen abhängen könnte. Im Amt geblieben sind u.a. der parteilose Justizminister Tudorel Toader, der von der ALDE gestellte Außenminister Teodor Meleșcanu, aber auch die Innenministerin Carmen Dan (PSD), die – genau wie Dăncilă selbst – aus demselben Bezirk wie Dragnea stammt und ebenfalls als besonders loyal gilt.
Zugleich ist bemerkenswert, dass kaum wirkliche Spitzenpolitiker der PSD – mit hohem Bekanntheitsgrad oder starker Machtbasis in der Partei – der Regierung angehören. Diese Tatsache deutet eher noch mehr als bei den Vorgängerregierungen auf das Motiv, dass die Parteiführung das eigentliche Machtzentrum der Regierungskoalition bleibt. Durch eine inklusivere Regierung dürfte Dragnea also einerseits bezwecken, innerparteilichen Konflikte vorzubauen, die auf sein Verhältnis zur Regierung ausstrahlen könnten. Andererseits soll durch die Auswahl der einzelnen Minister aber wohl auch eine bessere Kontrolle über die Regierung ermöglicht werden. Ob dadurch künftig eine größere politische Stabilität gewährleistet werden kann, wird sich allerdings erst zeigen müssen. Denn der Gegensatz zwischen Regierungs- und Parteichef ist eigentlich systemischer Natur und – da Dragnea vorbestraft ist – in einem Gesetz angelegt, das Vorbestraften den Eintritt in die Regierung verwehrt, aber nicht die Wahl ins Parlament oder, wie in seinem Fall, zum Präsidenten der Abgeordnetenkammer. Damit liegt das politische Machtzentrum mit Dragnea zwangsläufig in der Parteiführung. Zugleich aber ist die Verfassungsordnung und sind die Institutionen in Rumänien so konsolidiert, dass der Premierminister ebenso zwangsläufig ein eigenständiger Entscheidungsträger ist, der durch sein Amt vielfältigen Erwartungen und Verpflichtungen entsprechen muss und daher kaum nur als ausführendes Organ eines Parteichefs agieren kann. Diese Dualität wird auch durch die neue Regierungsbildung grundsätzlich nicht überwunden.
Die schnelle Regierungsbildung wie die Bestätigung, welche die neue Regierungschefin im Parlament gefunden hat, zeigt, dass die Mehrheit der Regierungskoalition aus PSD und ALDE nach wie vor intakt und handlungsfähig ist. Zwar verfügen die Koalitionsparteien mit insgesamt 243 nur über eine knappe absolute Mehrheit (für die mindestens 233 Stimmen erforderlich sind). Sie sind dabei besonders bei organischen Gesetzen, wie etwa den Änderungen an Justizgesetzen, in der Regel auch auf Stimmen anderer Fraktionen angewiesen. Allerdings konnte und kann sich die Koalition dabei auf die Unterstützung der UDMR verlassen, ebenso wie auf Stimmen aus der Fraktion der nationalen Minderheiten, die für ihre Anliegen oft ihrerseits auf das Wohlwollen der Regierung angewiesen sind. Die UDMR galt bereits bislang als informeller Koalitionspartner. Dabei hatte sich zuletzt gerade Tudose provokant gegenüber Vertretern der ungarischen Minderheit geäußert. Der Vorsitzende der UDMR, Kelemen Hunor, begründete daher die Zustimmung seiner Partei zur neuen Regierung einerseits mit dem Erfordernis politischer Stabilität, andererseits auch explizit mit dem Rücktritt Tudoses. Die UDMR hatte allerdings auch für die zwei vergangenen Regierungen der PSD-ALDE-Koalition votiert und hatte beispielsweise auch den umstrittenen Justizgesetzten der Regierung Tudose zugestimmt. Nach der Regierungsbildung hat die UDMR auch das bestehende Abkommen mit den Koalitionsparteien zur parlamentarischen Zusammenarbeit verlängert.
Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament dokumentieren erneut, dass Rufe nach einer alternativen Regierungsbildung ohne Beteiligung der PSD aus Teilen der Opposition und der Zivilgesellschaft einer realen politischen Grundlage entbehren. Sie bestätigen eher die Position des PNL-Vorsitzenden Ludovic Orban, der sich für Neuwahlen ausgesprochen hatte und Wahlen auch als Voraussetzung für eine Regierungsübernahme oder -beteiligung durch seine Partei bezeichnet hatte. Neuwahlen stehen dabei zwar hohe verfassungsrechtliche Hürden entgegen. Allerdings ist unter den gegebenen Mehrheitsverhältnissen keine Regierungsbildung ohne Kontrolle durch die PSD möglich.
Die Regierungsbildung vertieft zumindest kurzfristig die ohnehin bestehende Polarisierung der rumänischen Gesellschaft. Die Machtstellung der PSD und von Dragnea ist auch deshalb erst einmal nicht angegriffen, weil deren Wählerklientel sich für diese Auseinandersetzungen wie auch für die Konflikte um die Justiz eher wenig interessieren dürfte. Vielmehr hat die PSD ihre Wähler gezielt vor allem durch die Einlösung sozialer Wahlversprechen angesprochen. Zugleich besteht eine tiefe Spaltung zwischen der PSD und einem erheblichen Teil der bürgerlichen Schichten in Rumänien, die durchaus Züge eines „Kulturkampfes“ trägt. Bei den bürgerlichen Mittelschichten nährt die politische Dominanz der PSD in Verbindung mit der vergleichsweisen Schwäche politischer Alternativen aber schon seit Längerem Enttäuschung über demokratische Prozesse. Diese Enttäuschung äußerte sich beispielsweise in den beeindruckenden Straßenprotesten vom Frühjahr 2016, als es um die Verteidigung der Korruptionsbekämpfung ging. Sie äußert sich zugleich aber auch in einer niedrigen Wahlbeteiligung gerade im bürgerlichen Lager und einem höheren Vertrauen in nichtgewählte Institutionen und technokratische Regierungen, besonders aber einer Präferenz für die Kontrolle der Politik durch Justiz- und Strafverfolgungsbehörden.
Die Enttäuschung eines Teils der Gesellschaft hat auch Präsident Klaus Iohannis in seiner Rede bei der Vereidigung der Regierung angesprochen. „Die Koalition an der Macht muss nicht das von Hunderttausenden Rumänen gesendete Signal ignorieren, die auf der Straße den Rechtsstaat weiterhin unterstützen“, mahnte das Staatsoberhaupt. Die Einwirkung auf die Unabhängigkeit der Justiz sei inakzeptabel – „eine rote Linie, die die Regierenden nicht überschreiten dürfen“, hieß es im Präsidialamt. Allerdings ist die „rote Linie“ für viele Rumänen mit der Verabschiedung der umstrittenen Justizgesetze bereits überschritten, und der Präsident hat wenig konstitutionelle Mittel, diese oder weitere legislative Maßnahmen der Regierung zu verhindern. So geht der Präsident selbst nicht gestärkt aus der Regierungskrise hervor; denn gerade viele seiner eigenen Anhänger hatten in der Krise eine Chance gesehen, die PSD in der Regierung abzulösen und damit auch die umstrittenen Justizgesetze zurückzunehmen. Die einzige Alternative zur Ernennung der Regierung Dăncilă hätte für den Präsidenten aber nur darin bestanden, wiederholt Kandidaten zu nominieren, die für die Sozialdemokraten inakzeptabel gewesen wären, um so entweder eine Regierung ohne Mehrheit oder Neuwahlen zu erzwingen. Da die parlamentarische Mehrheit weiterhin stabil ist, blieb dem Präsidenten nach Sinn und Buchstaben der Verfassung kaum eine andere Wahl, als eine neue Regierung unter Führung der PSD zu nominieren. Nichtsdestotrotz traf diese Entscheidung in Teilen des bürgerlichen Spektrums auf Vorbehalte wegen einer vermeintlich zu nachgiebigen Haltung gegenüber der PSD. Im Ergebnis steht nicht nur Dragnea aufgrund der rechtlichen Lage vor einem Dilemma, politische Führung und Kontrolle auszuüben, ohne der Regierung anzugehören. Auch der strikte Konstitutionalismus des Präsidenten setzt ihm Grenzen, den Erwartungen seiner Anhänger gerecht zu werden.
Daher vermag die bürgerliche Opposition von der Regierungskrise auch kaum zu profitieren. Während die PSD mit der Regierungsbildung zumindest vorerst wieder Geschlossenheit hergestellt, nährt sie in Teilen der bürgerlichen Kräfte eher Frustration und Fragmentierungstendenzen, auch im Blick auf die 2019 anstehenden Präsidentschaftswahlen. Die „Union Rettet Rumänien“ hat mittlerweile auch öffentlich die Frage aufgeworfen, ob sie mit einem eigenen Präsidentschaftskandidaten antreten wird. Zugleich hat Dacian Ciolos schon vor einiger Zeit angekündigt, eine eigene Partei zu gründen, was zumindest unter seinen Anhängern ebenfalls Erwartungen hinsichtlich einer Präsidentskandidatur weckt. 2020 werden Kommunal- und Parlamentswahlen folgen. Die Präsidentschaftswahl ist dafür auch ein wichtiges Instrument zur Selbstprofilierung für die Parteien und dürfte für den Amtsinhaber kein Selbstläufer werden. Weder die wiederholten Regierungskrisen noch die rechtstaatlichen Rückschritte sollten bereits auf eine Schwäche der PSD und auf Aufwind für die bürgerlichen Kräfte bei den künftigen Wahlen schließen lassen.