„Es geht nicht einfach um Regierungswechsel, sondern es geht um die Ablösung einer geschichtlichen Epoche, einer Gesellschaftsformation – ein Prozess, der normalerweise Jahrzehnte, Jahrhunderte in Anspruch nimmt, der jetzt aber nach der Vorstellung vieler Wähler in ein paar Wochen vonstattengehen soll.“
Mit diesen Worten beschreibt Lothar de Maizière sehr anschaulich die Situation, vor der die Mitglieder der CDU/DA-Fraktion gestellt sind, als sich die Fraktion am 27. März 1990 konstituiert.
Die Hauptverantwortung für das weitere Geschehen in der DDR und insbesondere für den Prozess der Wiedervereinigung Deutschlands liegt auf den Schultern der Mitglieder dieser Fraktion, der mit Abstand stärksten Fraktion in der Volkskammer, die die Regierung einer Großen Koalition anführt. Neben der CDU und dem Demokratischen Aufbruch (DA) gehören die Sozialdemokratische Partei (SPD), der Bund Freier Demokraten (BFD) und die Deutsche Soziale Union (DSU) dem Regierungsbündnis an.
Die Arbeitsbilanz ist beeindruckend. Seit ihrer Konstituierung am 5. April 1990 verabschiedet die Volkskammer 164 Gesetze und fasst 93 Beschlüsse und ebnet damit den Weg zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten, die mit dem 3. Oktober 1990 vollzogen wird. Maßgeblichen Anteil daran hat die CDU/DA-Fraktion, die ihrer Verantwortung als stärkste politische Kraft gerecht wird und bis zum Schluss in der Regierungsverantwortung bleibt.
Nachdem Liberale und Sozialdemokraten aus wahltaktischen Überlegungen die Regierung verlassen haben, trägt die CDU/DA-Fraktion seit Mitte August 1990 gemeinsam mit der DSU-Fraktion eine Minderheitsregierung. Die Verhandlungen zum Einigungsvertrag sind noch nicht beendet, geschweige denn eine Mehrheit in der Volkskammer für das noch abschließend zu verhandelnde Vertragswerk organisiert. Dass der Prozess der Wiedervereinigung dennoch erfolgreich abgeschlossen werden kann, daran ist – und hier kann Paul Krüger, dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer, nur zugestimmt werden – die CDU/DA-Fraktion „sowohl als stärkste Fraktion der Volkskammer als auch durch ihre unmittelbare Arbeit im Rahmen der Regierung weit überproportional beteiligt“.
Für den Zeitraum zwischen dem 27. März 1990, als sich die Fraktion konstituiert, und dem 28. September 1990, der letzten Fraktionssitzung, sind Tonbandaufzeichnungen von 27 Fraktionssitzungen überliefert, einschließlich des Kolloquiums mit dem ehemaligen Bundesminister und Verfassungsjuristen Rupert Scholz am 20. Juni 1990 über den verfassungsrechtlichen Weg zur Wiedervereinigung. Hinzu kommt als 28. Dokument das Protokoll der gemeinsamen Sitzung mit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag am 29. Mai 1990 im Berliner Reichstag.
Die Protokolle geben Auskunft über die personelle Zusammensetzung, die Organisationsstruktur und die Arbeitsweise der Fraktion, ihre inhaltliche Schwerpunktbildung in der Volkskammer sowie über ihre Position als politischer Akteur im Kräftefeld von Regierung, Parlament und Parteien.
Темы
О циклах публикаций
In der Reihe „Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte“ veröffentlicht das Archiv für Christlich-Demokratische Politik seit 1980 wissenschaftliche Studien zur Christlichen Demokratie, Darstellungen zur Geschichte der Bundesrepublik und der CDU sowie Biographien wichtiger Repräsentanten. Zu den 50 bisher erschienen Büchern zählen auch Quelleneditionen, wie Protokolle von Parteigremien oder Tagebücher von einflussreichen Politikern. Die Publikationen sind im Buchhandel erhältlich.
Информация для заказа
verlag
wbg Academic (Verlag Herder GmbH)
ISBN
978-3-534-64228-1
erscheinungsort
Freiburg i. Br
preis
120,00 Euro
seitenzahl
LXIV + 1512 Seiten
Dr. Wolfgang Tischner

Leiter Wissenschaftliche Dienstleistungen