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Etwas abseits, im königlichen Schloß von Laeken, probten die Regierungschefs der Europäischen Union den Aufbruch zu neuen Ufern. Mit einem Sprung über ihren eigenen Schatten der nationalen Egoismen und Vorbehalte wagten sie einen neuen "historischen Schritt", so zumindest Bundeskanzler Gerhard Schröder, für die weitere Entwicklung der Union. Doch nach der Blamage des Streits um eine europäische Eingreiftruppe für Afghanistan vom ersten Tag des Gipfeltreffens zeigten sie sich auch zum Abschluß erneut unfähig, einer Reihe neuer EU-Behörden einen Arbeitsplatz zuzuweisen. Die Verteilung von neun neuen EU-Behörden auf die Mitgliedsstaaten scheiterte letztendlich an den hartnäckigen Forderungen Frankreichs und Italiens.
Mit dem Ziel einer umfassenden Grunderneuerung der Europäischen Union setzten die Regierungschefs auf einen prominenten Repräsentanten der europäischen Vergangenheit: Der 75-jährige französische Ex-Staatspräsident Valéry Giscard D'Estaing soll dem Konvent vorsitzen, der ab kommenden März Vorschläge für eine grundlegende Reform erarbeiten soll. Ihm an die Seite wurden mit den früheren Regierungschefs Belgiens und Italiens, Jean-Luc Dehaene und Guiliano Amato, zwei weitere Politiker gestellt, deren breite europapolitische Erfahrung ebenfalls aus den Zeiten einer hinter verschlossenen Türen operierenden Union stammt. Alle drei seien "wegen ihrer europapolitischen Visionen" ausgewählt worden, versicherte der belgische Gipfelgastgeber Guy Verhofstadt. Zugleich verpflichteten sich die Regierungschefs in ihrer Lakener-Erklärung auf eine enger mit den Bürgern und vor allem ihrer Jugend verbundene, schlagkräftigere und zugleich einfachere EU, deren Strukturen für jedermann verständlich sein sollen.
Der Laekener Gipfel hat im Wesentlichen einen ganzen Katalog von Fragen gestellt, der jetzt von einem Konvent beantwortet werden soll. Ein Fragenkatalog, der allerdings tatsächlich alle Möglichkeiten für eine echte, breite EU-Reform offen läßt: Es gebe da keinerlei Tabus für die Beratungen, versicherte Verhofstadt in seiner Pressekonferenz. Selbst die Idee einer europäischen Verfassung, welche die Union in die Nähe eines föderalen Staatsgebildes rücken würde, wird in der Erklärung ausdrücklich aufgenommen. Der Konvent ist dem ersten EU-Gremium dieser Art nachgebildet, das im vergangenen Jahr unter dem Vorsitz des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Herzog eine Charta der europäischen Grundrechte ausgearbeitet hat. Diesem zweiten Konvent werden dreißig Vertreter der nationalen Parlamente, sechzehn Delegierte des Europäischen Parlaments, fünfzehn Entsandte der Regierungen sowie zwei EU-Kommissare angehören. Ferner werden Vertreter der Beitrittskandidaten als "aktive Beobachter", jedoch ohne Stimmrecht, den Beratungen des Konvents folgen können. ,"Ein Verfassungsentwurf, der diesen Namen verdient, wäre das ideale Ergebnis", sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder vor Journalisten. Doch die bei der Konventsberufung herrschende Harmonie, die der belgische Gastgeber auch in den Abschluß des Treffens retten wollte, war dann wieder schnell verflogen und mündete in einem kleinen Eklat. Italiens Premierminister Silvio Berlusconi verließ wutentbrannt den Saal, nachdem die neue Lebensmittelagentur nicht, wie von ihm verlangt, und nach seinem Einlenken beim europäischen Haftbefehl erhofft, in Parma angesiedelt werden soll. Die Agentur sollte nach einem Vorschlag Verhofstadts nach Helsinki vergeben werden. Um eine Einigung zu ermöglichen, die möglichst vielen Wünschen gerecht wird, hatte der Belgier eine ganze Liste mit EU-Behörden zusammengestellt, die in die verschiedenen Länder vergeben werden sollten - einige existieren bisher allerdings nur auf Papier. Frankreich beansprucht die neue Seeschiffahrtsbehörde, für die sich auch Portugal bewirbt. Der belgische Ministerpräsident und amtierende Ratsvorsitzende, Verhofstadt, zog daraufhin das Paket für die Standorte aller neuen EU-Behörden komplett zurück.
Die Schnecke EU, sie bewegt sich doch
Mehr Bürgernähe, weniger Bürokratie: Die EU soll einfacher organisiert, schlagkräftiger und in der Welt stärker präsent werden. Sehr löblich, wozu sich die 15 Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen auf dem königlichen Schloß von Laeken durchgerungen haben. Kanzler Schröder bemühte bereits den Begriff "historisch", doch Vorsicht! Von konkreten Reformen ist in Belgien noch nicht die Rede gewesen. Zunächst wird ein Konvent eingerichtet, auf gut deutsch allerdings nicht mehr als ein Arbeitskreis.
Zur Erinnerung: Das Gipfeltreffen vom Wochenende war nötig geworden, weil die EU-Führung im Dezember vergangenen Jahres in Nizza nur einen Minimalkonsens über umfangreiche innere Reformen und die Erweiterung der Union erzielen konnte. Laeken ist daher nichts anderes als ein Nachsitzen für nicht geleistete Hausaufgaben. Dennoch bedeutet Laeken einen Schritt nach vorn: Die Schnecke EU, sie bewegt sich doch. Und auch die Visionäre erhalten ihre Chance. Die Verfassungsdebatte ist eröffnet. Jetzt darf man gespannt sein, in welche Richtung der Spielball "Föderalismus" rollt. Entscheidend aber bleibt, daß ein Reformpaket geschnürt wird, das den Anforderungen einer EU-Erweiterung ab dem Jahre 2004 gerecht werden kann. Das Vetorecht muß fallen, ansonsten wird praktische Politik künftig in einer EU mit weit über 20 Mitgliedern zum Stillstand kommen. Mit Blick auf die Erweiterung bekräftigte die Laekener Runde überdies den bisher eingeschlagenen Kurs. Zum ersten Mal werden in einem Gipfeldokument die zehn Kandidatenländer namentlich aufgelistet, mit denen die Beitrittsverhandlungen Ende nächsten Jahres abgeschlossen werden sollen. Bulgarien und Rumänien, die in den Verhandlungen noch nicht so weit fortgeschritten sind, sollen "gezielt unterstützt werden". Die Staats- und Regierungschefs zeigten sich des weiteren dazu bereit, die Außengrenzen der Union künftig durch eine gemeinsame Grenzpolizei überwachen zu lassen. Weitere Visionen eines integrierten Europas rücken somit ihrer Verwirklichung näher.
Mangelnde Visionskraft läßt sich auch dem Trio um Giscard D'Estaing kaum vorwerfen. Der 75-jährige Franzose zählt zu den Vätern der Europäischen Einigung. Er gilt als europaerfahren und durchsetzungsfähig genug, um den 15 Staats- und Regierungschefs pragmatische Lösungsvorschläge für ihr Dilemma an die Hand zu geben. Es wird den EU-Spitzen im Jahr 2004 schwer fallen, sich an den Ergebnissen des Konvents vorbeizulavieren. Zu diesem Zeitpunkt werden auch die ersten Beitrittskandidaten kräftig an die Tür des europäischen Hauses klopfen. Den großen Worten müssen endlich Taten folgen. Davon ist die Gemeinschaft aber noch weit entfernt. Der Eklat um die Behördenstandorte hat den Gipfel der blumigen Visionen schnell auf den Teppich der Kleinstaaterei zurückgeholt. Es ist schon ein besonderer Genuß, mitanzusehen, wie Italiens Regierungschef Berlusconi, als Preis für die Einführung eines einheitlichen Haftbefehls, der auch Korruption und Geldwäsche verfolgen soll, nun das Amt für Lebensmittelsicherheit ausgerechnet in der Schinken- und Käsestadt Parma einfordert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Der belgische Ratspräsident Verhofstadt hat Recht, wenn er fordert: Keinen Kuhhandel mehr. Leider auch nicht mehr als eine Vision, wie die Gipfelergebnisse belegen.
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