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Am 17. November sind Wahlen in Peru. Mit ihrer Stimme entscheiden die Bürger über die künftige Zusammensetzung ihrer Regionalregierungen, der Regionalräte und der regionalen Konzertierungsräte sowie auf Gemeindeebene über die Vertreter in den Lokalregierungen und Kommunalräten. Mit Blick auf deutsche Regional- und Kommunalwahlen ein eher unspektakuläres Ereignis, könnte man meinen. Der große Aufwand aber, mit dem die Kandidaten sich auf den zahllosen großflächigen Wahlplakaten an fast jeder Straßenecke und in allen Talkshows präsentieren, mit dem sie auf den teils größeren, teils kleineren, immer aber lautstarken Kundgebungen ihre begeisterten Anhänger umwerben und mit Hausbesuchen um jeden unentschlossenen Wähler kämpfen, erinnert eher an eine deutsche Bundestagswahl.
Noch vor wenigen Wochen bestimmte Perus Präsident Alejandro Toledo die Titelseiten damit, daß er nach 2 Jahren nun endlich die Vaterschaft für seine uneheliche Tochter Zaraí offiziell anerkannt hat. Die heiße Wahlkampfphase hat inzwischen aber selbst dieses Thema aus den skandalverliebten Medien verdrängt.
Die nach deutschen Maßstäben ungewohnt hohe Aufmerksamkeit für eine Regionalwahl hat einen einleuchtenden Grund: Die dezentrale Ansiedlung politischer Macht, wie sie sich in Deutschland seit Jahrzehnten bewährt, ist für Peru neu. Traditionell wird das Land stark zentralistisch regiert. Gleichzeitig knüpfen sich an die regionale Verteilung der Kompetenzen eine Unmenge politischer und wirtschaftlicher Erwartungen in der Bevölkerung.
Sich von Politikern regiert zu wissen, die "einer von uns sind", aus den soziokulturell und geographisch sehr unterschiedlichen Regionen stammen und dort wohnen, läßt die Menschen auf mehr Volksnähe und größeres Interesse an ihrer Lebenswirklichkeit hoffen. Von der "großen Politik" in Lima fühlen sie sich häufig übergangen und nicht wahrgenommen. Zwar konnte Präsident Toledo mit der Anerkennung seiner unehelichen Tochter zuletzt an Popularität hinzugewinnen. Zustimmung findet er trotzdem nur bei etwas mehr als 20 % der Bevölkerung. Vor allem Entscheidungsschwäche wird ihm zur Last gelegt.
In den neunziger Jahren hatte Perus ehemaliger Präsident Alberto Fujimori die Zentralisierung der verwaltungspolitischen Strukturen des Staates auf die Spitze getrieben. Was ging und machbar war, entschied sich in der Hauptstadt und nur dort.
Längst aber findet der etappenweise Kompetenztransfer in die Regionen über alle Parteigrenzen hinweg Zustimmung. Der Acuerdo Nacional, gewissermaßen eine Absichtserklärung über die Entwicklungsschwerpunkte der nächsten 20 Jahre, schreibt die Dezentralisierung als herausragende Staatspolitik fest. Das nationale Abkommen wurde im Juli feierlich von Regierung, allen bedeutenden politischen Parteien und Bewegungen sowie namhaften Vertretern der Zivilgesellschaft unterzeichnet. Ein Gesetz regelt die Dezentralisierung als permanenten, dynamischen, irreversiblen, demokratischen, integralen, subsidiären und graduellen Prozeß. Die Wahlen am 17. November markieren dabei einen notwendigen, keineswegs aber den letzten Schritt auf dem Weg zum Ziel.
In 25 neugebildeten Regionen, 180 Provinzen und 1.750 Distrikten sind die Bürger zur Stimmabgabe aufgerufen. Noch aber wissen die künftigen regionalen Vertreter bis hin zu den Bürgermeistern der Gemeinden nur in Umrissen, was sie erwartet und welche Kompetenzen ihnen faktisch zugestanden werden. Auf allen Ebenen mangelt es an ausreichend qualifiziertem Verwaltungspersonal.
Mit viel mehr als mit ihrem "guten Namen" und einigen Gemeinplätzen ("Sicherheit und Arbeit für alle!") sind die Kandidaten deshalb nicht ins Rennen gegangen. Allerdings haben programmatische Diskussionen und fundierte Konzepte in Peru traditionell keinen hohen Stellenwert. Dabei wird das für Wahlkämpfe auch in Deutschland durchaus übliche Maß an gegenseitigen Vorhaltungen von den politischen Schlammschlachten in Peru an Polemik regelmäßig übertroffen.
Von der Unzufriedenheit über die Regierungspolitik und die etablierten Parteien profitieren nach den aktuellen Umfragen vielerorts die Kandidaten der unabhängigen
Gruppierungen. Würde morgen gewählt, hätten sie die Aussicht, zehn der insgesamt 25 Regionalpräsidenten zu stellen. Zuspruch finden sie fast im gesamten Hinterland von der Amazonas- (Loreto) über die Andenregionen bis nach Puno im Süden.
Entlang der Panamericana von Piura im Norden bis nach Arequipa im Süden kann die linke Partido Aprista Peruano (APRA) mit einigermaßen sicheren Mehrheiten rechnen. Allein auf Ica wird sie verzichten müssen. In der knapp 300 Kilometer südlich von Lima gelegenen, wirtschaftspolitisch interessanten Küstenregion hält sich der Kandidat der Unidad Nacional (UN) seit Wochen ganz oben in den Umfragewerten. Auf zusätzliche Regionen kann die UN derzeit jedoch kaum hoffen. Das schließt Überraschungen nicht aus.
Über Wochen schien es so, als sei der Kandidat für das strategisch überaus wichtige Amt des Bürgermeisters von Lima, Alberto Andrade (Somos Perú), unangefochten in Führung. Für Andrade würde ein Wahlsieg die dritte Amtsperiode in Folge bedeuten. Nach einigen Umfragen vom Wochenende aber hat sich Luis Castañeda von der UN überraschend an die Spitze der Wählergunst geschoben. Mit 46 Prozent liegt er deutliche fünfzehn Prozent vor dem Herausforderer. Wie sich das erste und einzige TV-Duell zwischen Andrade und Castañeda am Sonntagabend auf die Popularität der beiden Kandidaten ausgewirkt hat, läßt sich nicht beziffern; in der letzten Woche vor der Wahl werden keine Umfragen mehr veröffentlicht.
Im Presseurteil über die inhaltlich insgesamt enttäuschende Auseinandersetzung aber schneidet Castañeda tendenziell besser ab als Andrade. Die ganze Aufmerksamkeit konzentriert sich jetzt auf die große Gruppe der Unentschlossenen. Noch immer sind sich 40 bis 60 Prozent der Wähler in der Hauptstadt nicht sicher, bei wem sie am 17. November ihr Kreuzchen machen werden.
Ein Bürgermeister aus den eigenen Reihen, noch dazu in der 8-Millionen-Metropole Lima, wäre für die UN ein beachtlicher Überraschungserfolg. Unterhalb der regionalen Ebene (Ica) rechnet sich die Wahlallianz in 25 Provinzen und etwa 300 Distrikten Chancen auf einen Wahlsieg aus. Losgelöst vom Ergebnis der Abstimmung kann sich das Bündnis schon jetzt zugute halten, in nur wenigen Monaten ca. 7000 Kandidaten in fast 1.300 Distrikten mobilisiert zu haben. Denn im Gegensatz zur APRA fehlt der UN ein eingespielter, in Wahlkämpfen erprobter und regional durchstrukturierter Parteiapparat.
Erst vor zwei Jahren war die Unidad Nacional aus der Taufe gehoben worden. Mit ehemaligen Fujimori-Anhängern und Mitgliedern aus christdemokratischen, liberalen und linkslastigen Lagern deckte das Bündnis von Beginn an ein sehr breites ideologisches Spektrum ab. Den Kern der Allianz bildet die christliche Volkspartei Partido Popular Cristiano (PPC). Die ursprünglich für dieses Jahr geplante Umwandlung in eine Partei wurde vorerst auf Eis gelegt. Nicht ohne Grund will die Vorsitzende, die Christdemokratin Lourdes Flores Nano, erst nach dem 17. November einen neuen Anlauf zur Parteigründung wagen.
Die Umwandlung birgt eine Menge internen Zündstoff. Neben der Vorsitzenden erhebt der Chef der PPC, Antero Flores Araoz, Anspruch auf die Parteiführung. Andeutungen darüber kursieren bereits seit einigen Monaten. Es ist keineswegs ausgeschlossen, daß sich die PPC aus der Unidad Nacional verabschiedet, wenn es zur Machtfrage kommt. Im Vorfeld der Regionalwahlen hätte die Abspaltung des Partners oder auch nur die öffentliche Diskussion darüber der UN mehr als geschadet.
Derzeit ist die Abspaltung wahrscheinlicher als der Führungswechsel. Zwar würde ein Wahlergebnis, mit dem die Unidad Nacional am Sonntag hinter den selbstgesteckten Zielen zurückbliebe, die Vorsitzende intern nicht gerade stärken. Umgekehrt aber ist fraglich, ob PPC-Chef Flores Araoz von einer Niederlage ausreichend profitieren könnte. Immerhin zeichnet sich bereits seit Wochen ab, daß die APRA auf regionaler Ebene mit einiger Sicherheit weitaus besser abschneiden wird als die Unidad Nacional. Davon aber, daß Flores Araoz in stärkerem Maße als die derzeitige UN-Vorsitzende in der Lage sein könnte, den Abstand zu verkürzen, ging und geht bis jetzt eigentlich niemand aus. Insofern liefern die Regionalwahlen kaum die Munition für einen Führungswechsel.
Die Frage ist eine andere: Wenn die PPC bei einer Parteigründung in der Unidad Nacional aufgehen würde, welche Chancen hätten die Christdemokraten unter dem Dach der UN dann bei der Präsidentschaftswahl 2006? Bis dahin vergeht noch einige Zeit; der voraussichtliche Ausgang der Regionalwahlen aber gibt keinen Grund für allzu optimistische Erwartungen.
Die APRA kann ihren innenpolitischen Einfluß weiter ausbauen. Der Personenkult um ihren Vorsitzenden Alan García Pérez trägt auch in den Regionen seine Früchte. Von den wenigen etablierten Parteien profitiert allen voran APRA von den Negativschlagzeilen der Zentralregierung. Geradezu vergessen scheint, dass García als Präsident der Jahre 1985 bis 1990 zielsicher alles unternommen hat, Peru an den Rand des politischen und wirtschaftlichen Chaos zu führen. Erst die Aufhebung des gegen ihn erlassenen Haftbefehls hatte dem "Phänomen García" 2001 die Rückkehr nach Peru ermöglicht.
In den Jahren des Exils habe er dazugelernt, wird García nicht müde zu behaupten. Die APRA stehe für moderne Sozialdemokratie. Er selbst nennt Bill Clinton und Tony Blair als seine Vorbilder. Wie kein anderer in Peru beherrscht García als das unangefochtene Zugpferd der APRA die Klaviatur der politischen Stimmungsmache.
Es bedarf keiner prophetischen Begabung um festzustellen, dass die künftigen APRA-Bastionen in den Regionen nur eine vorläufige Etappe bedeuten sollen. Bei der Genehmigung des Gesetzes zur Regelung der regionalen Kompetenzen am Freitag vergangenen Woche glänzte ein großer Teil der APRA-Parlamentarier durch Abwesenheit. Ihr Ziel sind Regionen mit möglichst weitreichenden Entscheidungsspielräumen.
Die von der Regierungspartei Perú Posible und Unidad Nacional geforderten Regelungen für die Kontrolle der regionalen und kommunalen politischen Vertreter durch staatliche Stellen in Lima treffen derzeit auf wenig Gegenliebe. Mit den Regionalpräsidenten im Amt aber hat APRA nach den Wahlen vom 17. November gute Chancen, die gesetzliche Ausgestaltung der Dezentralisierung von Zugeständnissen der Regierung abhängig zu machen.
Denn ohne Unterstützung der politischen Vertreter in den Regionen lassen sich nachhaltige Reformen nicht durchsetzen, wie die gewalttätigen und auf diese Weise erfolgreichen Proteste gegen die geplante Privatisierung der staatlichen Energieunternehmen in Arequipa im Süden des Landes vor einigen Monaten gezeigt haben. Der Bürgermeister von Arequipa hatte sich dabei offen auf die Seite der Demonstranten und gegen die Regierung gestellt.
Mögliche Zugeständnisse berühren dabei weitaus mehr als die Frage der noch offenen gesetzlichen Bestimmungen zur Dezentralisierung. Bis zu den Präsidentschaftswahlen 2006 kann dazu auch die Bildung einer neuen Koalition und die Beteiligung der APRA an der Regierungsverantwortung gehören.
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