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Am 2. Februar 2013 haben Kämpfer der MNLA zwei hochrangige Terroristen festgenommen. Aber sollte die Regierung ausgerechnet mit denjenigen Tuareg verhandeln, die den Krieg begonnen haben? Wer sind die Tuareg, und warum rebellieren sie seit mehr als 50 Jahren?
Die Tuareg zählen zu den Berbern, den ursprünglichen und gegenwärtigen Bewohnern der nordafrikanischen Länder. Ihr Siedlungsgebiet reicht von der Wüste Sahara bis in den Sahelstreifen. Die Nomaden leben seit Jahrhunderten im Gebiet der heutigen Staaten Mali, Algerien, Niger, Libyen und Burkina Faso und zählen inzwischen eineinhalb bis drei Millionen Menschen, die Schätzungen variieren. Viele von ihnen sind mittlerweile sesshaft geworden.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Tuareg immer wieder vertrieben und benachteiligt wurden und wiederholt um das Recht kämpften, als freies Volk anerkannt zu werden. Ein Rückblick macht aber auch deutlich, dass es eigentlich nicht um einen eigenen Staat der Tuareg geht, den sie in-zwischen auch gar nicht mehr einfordern. Es geht um Autonomie und Selbständigkeit. Vor allem aber dreht es sich um Fragen der Identität, Anerkennung und Entwicklungsperspektiven.
Vor der Kolonialisierung
Die Tuareg sollen Nachkommen der altberberischen Garamanten sein, die v. Chr. in den Regionen des heutigen Südtunesiens und Libyens als kriegerische Kamelnomaden lebten. Im 11. Jahrhundert wurden sie von arabischen Beduinen aus dem libyschen Fessan vertrieben und in die Gebiete der Zentralsahara gedrängt. So konnten die Viehwirte einer Arabisierung ihrer Kultur entkommen. Sie haben heute ihre eigene Schrift und Sprache, ein feudales, matrilineares Sozialsystem und eine weltbekannte Handwerkskultur. Indes übernahmen sie den Islam, obwohl sie sich nach der Vertreibung durch die Araber zunächst stark gegen eine Konvertierung zu deren Glauben gewehrt hatten.
Kolonialzeit
Im 19. Jahrhundert leisteten sie der Kolonialmacht Frankreich lange Zeit erbitterten Widerstand. Von ihr wurden sie marginalisiert, so dass sie besonders stark von Hungersnöten getroffen wurden. 1914 erhoben sie sich das erste Mal gewaltsam gegen die Kolonialmacht. 1917 scheiterte der berüchtigte Kaosen-Aufstand in Agadez. Dieser Aufstand gilt als einer der längsten und strategischsten Widerstandskriege gegen den Kolonialismus, den die Tuareg schließ-lich verloren. Bei öffentlichen Hinrichtungen starben etwa 130 Menschen, was bis heute von den Tuareg als „kollektive moralische Katastrophe“ (Spittler) wahrgenommen wird.
Anfang des 20. Jahrhunderts befreite die Kolonialverwaltung weitgehend die (schwarzen) Sklaven der Tuareg. Die Sklaven entstammten sesshaften Bauern der Sahelregion, die nicht zu verwechseln sind mit den schwarzen Bevölkerungsgruppen der Songhai, Bambara, Peul etc., die in der Vergangenheit die Großreiche der Region beherrscht hatten. Durch die Sklavenbefreiung wurde das Nomadenvolk zunächst noch mehr geschwächt, denn die mit dem Feld-bau betrauten Sklaven hatten zuvor das Futter für die Herden der Tuareg produziert. Die Beendigung der Sklaverei legte schließlich aber auch den Grundstein für die gesellschaftliche Emanzipation der Tuareg und bestimmte ihre weitere Entwicklung erheblich (Boilley).
Der gesellschaftliche Umbruch ließ die Tuareg neue Möglichkeiten erkennen, Lebens-formen zu gestalten: Seit 1944 wurden afrikanische Eliten zunehmend von Frankreich in Staatsangelegenheiten einbezogen. Soziale, kulturelle und sportliche Organisationen entstanden, Handelsvereinigungen und Gewerkschaften. Die nach dem Zweiten Weltkrieg aufkommenden Pläne der Entkolonisierung schafften ebenfalls neue Aus-sichten und Erwartungen für die Tuareg, die jedoch nie erfüllt wurden.
Übergang zur Unabhängigkeit
Mit dem Ende der französischen Kolonialzeit in Westafrika 1960 wurde das Siedlungsgebiet der Tuareg zwischen den jetzt unabhängigen Staaten Mali, Niger und Algerien aufgeteilt, kleinere Gruppen leben auch in Libyen und Burkina Faso. Staatsgrenzen wurden dabei ohne Rücksicht auf natürliche Grenzen, Kulturen und Ethnien gezogen. Plötzlich sollten die Tuareg ihre Herden nicht mehr frei durch die Wüste ziehen lassen, was sie allerdings weiterhin taten. Die Grenzen in der Sahara und im Sahel waren und sind schwer kontrollierbar.
Im selben Jahr übertrugen die Franzosen sämtliche Verwaltungsaufgaben an afrikanische Beamte. Die Tuareg wurden dabei je-doch nicht einbezogen. Dies führte die enttäuschten Tuareg in eine tiefe politische Krise.
Auch bei der Vergabe von Bodenrechten wurden die Viehwirte nicht mitbedacht: Nach der Unabhängigkeit des Niger wurden große Landflächen amtlich an sesshafte Ackerbauern verteilt, darunter die ehemaligen Tuaregsklaven. Diese hatten ihren Re-genfeldbau längst ausgeweitet und die Tuareg aus ihren Weidegründen verdrängt. Unterstützt wurden die Feldbauern ab 1961 zudem durch staatliche Förderprogramme, Brunnenbauprojekte und veterinärmedizinische Kampagnen. Die Folge waren zunehmend gewaltsame Konflikte, so die erste Tuareg-Krise (1950-1960).
Die nächste Krise (1960-1964) war politischer Ordnung. Die Staatsgewalt der unabhängigen Länder lag nun in den Händen der schwarzafrikanischen Bevölkerungsmehrheit, und die Tuareg fanden immer weniger Gehör in den Machtzentren der Elite. Die Steuern auf Vieh wurden erhöht und der Handelspreis künstlich gesenkt. Damit erlag der Viehhandel der Tuareg, und es kam zur ersten Tuareg-Rebellion (1961–1964).
Dürrekatastrophen
Die dritte Krise in den 1970er und 1980er Jahren wurde durch Dürrekatastrophen und damit verursachtes Viehsterben ausgelöst. Die Tuareg flohen nach Algerien und Libyen sowie in die Stadtzentren Malis und Nigers. Hungersnöte brachen aus, Massensterben und Verelendung folgten. Die Abhängigkeit von internationalen Spendenaktionen war die Folge. Als Söldner an der Grenze zu Algerien verdienten die Tuareg nun ihr Geld, indem sie von der sozialistischen Regierung subventionierte Produkte nach Mali schmuggelten und dort verkauften. Umgekehrt belieferten sie Südalgerien mit Fleisch.
Flucht nach Libyen
Bald folgte eine große Massenarbeitslosigkeit unter den Tuareg. Viele trieb es in Flüchtlingslager nach Libyen, wo sie militärisch instrumentalisiert wurden: Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi rekrutierte unter den Tuareg Söldner, die in Kriegshandelsgebieten wie dem Tschad, Libanon und Sri Lanka eingesetzt wurden. Ebenso profitierte von ihnen die westsaharische Rebellenorganisation POLISARIO (Frente Popular para la Liberación de Saguia el Hamra y Rio de Oro). Die dabei erworbene Kampferfahrung kam den Tuareg zugute, als sie 1990 ihre zweite Tuareg-Revolte starteten.
Erste Forderungen nach Sezession
Während dieser vierten Krise warfen die Tuareg ihren jeweiligen Regierungen Unterdrückung und Ausgrenzung vor, forderten politisch-institutionelle Mitspracherechte und Wohlstandsbeteiligung ein. Unterrepräsentiert und marginalisiert durch die seit Ende der 1980er Jahre vorherrschende Einparteienlandschaft der dominanten Völker der Bambara in Mali und der Djerma im Niger, erhoben sich die Tuareg zur sogenannten Gastarbeiterrevolte: 1991 und 1997/98 entflammten heftige Widerstände gegen die Obrigkeiten. Gefordert wurden Föderalismus, mehr Autonomie und letztlich Sezession.
Diese zweite Tuareg-Rebellion (1990–1995) wurde durch die Unterzeichnung von Friedensverträgen mit der Regierung Alpha Oumar Konarés beendet. Die Aufnahme von Tuareg in die Armeen wurde vollzogen, wie auch eine Regierungsbeteiligung. Sie wurden zu Abgeordneten gewählt, stellten Kommunalpolitiker, Bürgermeister und Regionalratsvorsitzende. Die Anzahl der Tuaregminister blieb jedoch immer sehr gering. Die als großer Erfolg gefeierte Verbrennung ihrer Waffen empfanden die Tuareg als Demütigung, die trotz ihrer Regierungsverantwortung ein weiteres kollektives Trauma für sie darstellte.
2007 begann in Niger die Tuareg-Gruppe MNJ (Mouvement des Nigériens pour la Justice) erneut zu rebellieren und warf der Regierung vor, den Friedensvertrag nicht ein-zuhalten. Ein weiteres Friedensabkommen unter Vermittlung von Muammar al-Gaddafi in Sabha (Libyen) beendete 2009 diese dritte Tuareg-Rebellion (2007-2009).
Vertreibung aus Libyen
In Folge des Bürgerkriegs in Libyen im Jahr 2011 wurden Tuareg, die auf Seiten Gaddafis gekämpft hatten, aus dem nordafrikanischen Land vertrieben und kehrten zurück in ihre Heimat. Die als Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad (MNLA) auftretenden bewaffneten Gruppen drangen ab Ende 2011 über Niger nach Mali ein und brachten Gebiete im Norden des Landes unter ihre Kontrolle. Nachdem der Kapitän Sanogo den Präsidenten Amadou Toumani Touré (ATT) im März 2012 durch einen Militärputsch abgesetzt hatte, eroberte die MNLA innerhalb weniger Tage alle Städte im von den Tuareg als „Azawad“ bezeichneten Gebiet. Am 6. April 2012 rief die Rebellenbewegung den unabhängigen Staat Azawad aus. Wenige Wochen später wurden ihnen jedoch die meisten ihrer eroberten Gebiete durch verschiedene islamistische Terrorgruppen wieder abgenommen.
Feudales Gesellschaftssystem
Die Tuareg verfügen über ein komplexes stratifiziertes System, das heute noch immer eine wichtige Rolle spielt:
- Noble (Imajeghen)
- Korangelehrte (Ineslimen)
- Sklaven (Iklan)
- Handwerker (Inadan)
In vorkolonialer Zeit hatten die Noblen die politische und wirtschaftliche Macht inne und stellten den König (Amenokal). Diese Standespersonen haben in Form von traditionellen Autoritäten auch heute noch großen gesellschaftlichen Einfluss. Sie werden punktuell herangezogen, wenn Probleme örtlich gelöst werden müssen. In Algerien bestimmen sie nach wie vor einen Tuareg-König, der eine herausragende lokale Bedeutung hat, aber nicht in die Regierung eingebunden ist. Letztes Jahr machte dieser (Ahmed Edabir) von sich hören, als er 300 Noble um sich versammelte, um über die angespannte Sicherheitslage zu beraten, die den Tourismussektor schwächte. Unter der französischen Besatzungsmacht wurde das Amt des Amenokal bis 1903 beibehalten, nach der algerischen Unabhängigkeit allerdings nicht mehr anerkannt. 1977 wurden Amt und Funktion endgültig abgeschafft.
In der Hierarchie folgten als nächstes die Korangelehrten (Marabous). Wie der Groß-teil der nordafrikanischen Bevölkerung sind die Tuareg Muslime der Malikiten-Rechtsschule, eine der vier traditionellen Rechtsschulen des sunnitischen Islams. Ihren vorislamischen Geisterglauben konnten sie in die muslimische Religion integrieren, da auch der Koran die Existenz von Geistern erwähnt. Wie die meisten Malier gehören die Tuareg diversen muslimischen Bruderschaften an, die in Konkurrenz zu den politischen Organen das soziale Zusammenspiel der Gesellschaft noch heute maßgeblich regulieren. An die Regeln des Islams halten sich die Tuareg überwiegend streng.
Sklaven spielten eine wesentliche wirtschaftliche Rolle, und spielen diese auch heute noch trotz offizieller Abschaffung der Sklaverei. Sie sind Eigentum der Familie, werden jedoch wie Verwandte integriert. Handwerker und Schmiede galten als Personen ohne Scham und Anstand, waren je-doch für die Wirtschaft unentbehrlich, da sie Arbeitsgeräte, Werkzeuge, Waffen, Küchenutensilien und Schmuck herstellten.
Das feudale System der Tuareg spielt bis heute eine Rolle und weist den jeweiligen Schichten Wert- und Moralvorstellungen zu. Möglicherweise hat die Existenz eines solch eigenen Sozialgefüges dazu beigetragen, dass sich die Tuareg wenig in die sozialen und politischen Strukturen der einzelnen Nationalstaaten integriert haben. Zur mangelnden Integration der Tuareg hat aber ein noch viel ausschlaggebender Faktor beigesteuert.
Identitätskonflikt der Tuareg
Überzeugt von ihrem Geburtsadel fühlen sich die Tuareg noch heute den Schwarzafrikanern gegenüber überlegen1. So haben die Tuareg sich wenig bemüht, schwarzafrikanische Sitten und Geflogenheiten anzunehmen. Araber hingegen werden von den Tuareg sehr geachtet. Sich selbst als Weiße empfindend werfen sie diesen jedoch vor, sie abwertend „wie Schwarze“ zu behandeln. In diesem psychologischen Dilemma befinden sich die Tuareg seit der Kolonial-zeit. Die, zu denen sie aufschauen, wollen sie nicht, und die, auf die sie verallgemeinernd als „ehemalige Sklaven“ herabschau-en, sind mächtiger und wohlhabender als sie. Dieser Identitätskonflikt hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Großteile der Tuareg mit anderen Kulturen nur schwer in Frieden zusammenleben konnten.
Perspektivlosigkeit
Allgemein mangelnde Integration der Tuareg ist aber nicht die Ursache des Separatistenkonflikts heute. Denn seit der Unabhängigkeit leben Tuareg vielerorts friedlich mit anderen Bevölkerungsgruppen zusammen, vor allem in den Städten. Geschätzte 20 Prozent der Tuareg sind hier mit anderen Bevölkerungsgruppen verheiratet. Viele Kinder sprechen heute nicht einmal mehr die Sprache der Tuareg. Die Ursache für das Bestreben nach Selbstbestimmung scheint eine andere zu sein.
In der Tuareg-Kultur ist die „versunkene Oase Gewas“ ein wichtiges Symbol. Sie steht für die Sehnsucht nach einer vollkommenen, paradiesischen Welt voller Reichtümer und Überfluss. Eine solche haben die Tuareg nie gehabt. Die langanhaltende Perspektivlosigkeit der Tuareg im ab-gelegenen Norden, hat ihnen den Eindruck verschafft, dass eine nationale Regierung ihnen keine Vorteile bringt. Es fehlten Aus-sichten auf wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung. Um selbst für eine bessere Zukunft zu sorgen, griffen viele Tuareg zu den Waffen.
Ausblick
Im 11. Jahrhundert von arabischen Beduinen aus dem libyschen Fessan vertrieben, von den französischen Kolonialisten und da-nach von den afrikanischen Verwaltungen der unabhängigen Staaten marginalisiert, von sesshaften (schwarzen) Feldbauern erneut verdrängt, schließlich von Dürrekatastrophen in den 1970er und 1980er Jahren beinahe ausgelöscht, wanderten viele Tuareg nach Libyen aus. Die ehemaligen Gaddafi-Söldner wurden nach dessen Sturz 2011 in Folge des Bürgerkriegs wieder aus Libyen vertrieben und kehrten zurück in Richtung Niger und Mali, gut ausgerüstet mit Waffen. In Nordmali brachte die MNLA weite Gebiete unter ihre Kontrolle, bevor sie dort im April 2012 von den Islamisten wie-der verdrängt wurde. Die Tuareg blicken auf Jahrhunderte der Vertreibung und Marginalisierung zurück. Und die versunkene Oase Gewas bleibt Imagination.
Die Geschichte der Tuareg erklärt ihr Bedürfnis nach Autonomie. Ein unabhängiger Staat würde die Probleme der Tuareg aber nicht lösen, dessen ist sich inzwischen wohl auch die MNLA bewusst. Wenn der Norden stattdessen an der Entwicklungsdividende des Nationalstaates beteiligt wird, rückt vielleicht auch die Forderung nac h Autonomie weiter in den Hintergrund. Dann stellt sich eventuell auch weniger die Frage nach ihrer Identität, nach Über- oder Unterlegenheit.
Aber um welche Tuareg geht es hier eigentlich? Sollten diejenigen Tuareg der MNLA, die den Krieg in Mali begonnen haben, belohnt werden, in dem ihnen Entwicklungs-perspektiven angeboten werden? Übergangspräsident Dioncounda Traoré äußerte sich am 31. Januar 2013 offen für Gespräche mit der MNLA. Die radikalen Tuareg-Rebellen „Ansar Dine“ haben sich durch ihre terroristischen Aktionen längst für Gespräche disqualifiziert, und die Dschihadisten von Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQMI) und ihrer Abspaltung MUJAO sind keine Tuareg.
Die MNLA könnte sich stattdessen als wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus entwickeln. Kaum jemand kennt das Wüstengebiet im Norden so gut wie sie. Sie politisch einzubinden sollte auch deshalb in Betracht gezogen werden, um weitere Auf-stände zu vermeiden.
Ein guter Verhandlungspartner sollte die malischen Tuareg repräsentativ vertreten. Diese Bedingung erfüllen allerdings weder die Rebellen noch die Terroristen. Infolge gewaltsamer Unterdrückungsversuche hat-ten sich die Menschen im Juni 2012 von der MNLA ab- und den Islamisten zugewendet, von denen sie sich wenig später unter dem Schrecken der eingeführten Scharia (islamisches Gesetz) wieder distanzierten.
Die Frage ist, wer am besten die vielen verschiedenen Tuareg-Gruppen repräsentiert? Möglicherweise ihre traditionellen Autoritäten. Vielleicht auch neue zivilgesellschaftliche Meinungsführer, die sich in der Zeit des Widerstandes gegen den Terror als solche hervorgetan haben. Im vergangenen Jahr haben sich viele friedlichen Widerstandskämpfer im Norden Malis in Verbänden organisiert. Ihre Repräsentanten sind Leiter von Jugendgruppen, Frauenverbänden, Imame und Journalisten von Lokalradios. Diese neuen Vertreter der Tuareg sowie traditionelle Autoritäten könnten stärker in Gespräche über Malis Zukunft einbezogen werden.
Wahrscheinlich wird es bei den anstehenden Friedensverhandlungen auf einen Mix verschiedener Repräsentanten der Tuareg hin-auslaufen.
In Bamako wird langsam über eine Rück-kehr zur politischen Normalität diskutiert. Der malische Präsident hat angekündigt, dass Wahlen noch vor dem 31. Juli 2013 stattfinden sollen. Ein ambitioniertes Datum. Danach heißt es, die tiefliegenden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Schieflagen des Landes aufzuarbeiten. Eine positive Entwicklung des Landes wird davon abhängen, ob eine neue Regierung gute Regierungsführung beweist, den Norden repräsentativ in politische Entscheidungsprozesse einbindet und ihm vor allem wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven anbietet.
In der Vergangenheit waren nicht nur die Tuareg frustriert von ihrer politischen Klas-se. Die geringe Beteiligung bei den letzten Wahlen in Mali (25 Prozent) spricht für die allgemeine Unzufriedenheit der Bevölkerung über die Politik im eigenen Land. Viele Menschen haben sich in der Folge den Extremisten zugewandt. So wird der Radikalismus inzwischen auch von vielen schwarzen Maliern geteilt. Das zeigt beispielsweise die von Tuareg gegründete und geleitete Islamistengruppe Ansar Dine, die heute mindestens zur Hälfte aus schwarzen Maliern besteht.
Wenn die Islamisten als militärische Bedrohung bald beseitigt sein sollten, wird der radikale Islamismus als Geisteshaltung innerhalb der malischen Bevölkerung also weiterhin bestehen. Den Radikalismus an seiner Wurzel zu bekämpfen, wird ebenfalls eine Frage der Alternativen und politischen Einbindung sein, die die neue Regierung den Menschen anbietet.
Den gesamten Länderbericht inklusive Fußnoten und Quellenangaben lesen Sie im pdf.
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