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An diesem Vorfrühlingsabend im Universitätsclub in Bonn aber nahm sich Mertes vor überfülltem Saal und über 100 Teilnehmern eines weniger beachteten Themas im Zusammenhang mit Israel an: dem Verhältnis zur Europäischen Union. Viel häufiger wird nämlich über das deutsch-israelische Verhältnis gesprochen, und der 50. Jahrestag der Aufnahme offizieller deutsch-israelischer Beziehungen (12. Mai 1965) war auch der Anlass dieser Veranstaltung, die als Auftakt für die Ende April beginnende „Israel-Woche“ der KAS gedacht war.
Mertes aber wollte den Blick weiten und die deutsch-israelische Nabelschau hinter sich lassen. Sein Tenor war das Sowohl-als-Auch, die Ambivalenz: Israel ist assoziiertes Mitglied der EU, die Handelsbeziehungen sind auf hohem Niveau, der technologische, Forschungs- und militärische Austausch zeugt von großer Nähe, doch der ungelöste israelisch-palästinensische Konflikt, die Zweistaatenfrage und die Siedlungspolitik bremsen immer wieder die weitere Annäherung. Israel ist die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten, ein „Vorposten“ europäischer Zivilisation in einem turbulenten und bedrohlichen Umfeld, doch vieles ist so komplett anders als in den Mitgliedsstaaten der EU, dass immer wieder gegenseitige Frustrationen entstehen:
Israel sieht die EU als Appeasement-Akteur, der nicht den Ernst der globalen Sicherheitslage erkannt habe. Israel hat eine auf die Nation hin orientierte Politik, die EU-Staaten entwickeln sich postnational. In Israel spielt die Religion eine entscheidende Rolle in der Politik, der Staat selbst definiert sich als „jüdisch“, die EU weist weit von sich, ein „christlicher Klub“ zu sein und wird immer säkularer. Die EU-Gesellschaften werden immer „israelkritischer“, der Antisemitismus nimmt zu (allerdings je nach Mitgliedsstaat in unterschiedlicher Intensität), während in Israel sich ein Unterschied auftut zwischen der Beurteilung einzelner Staaten (sehr positives Deutschlandbild!) und der EU, die eher kritisch gesehen wird.
In der anschließenden Diskussion kamen dann doch wieder die klassischen Fragen zur Sprache: Wohin geht die demographische Entwicklung Israels? (Zunahme der orientalischstämmigen (=mizrachischen) Juden, Zunahme des arabisch-muslimischen Bevölkerungsteils) Wie wird sich die neue Regierung Netanyahu zur Zweistaatenlösung stellen? (Weiterhin kritisch, eher noch mehr) Wie geht es in der Siedlungspolitik weiter? (Mindestens status quo). Michael Mertes beantwortete sie alle geduldig, ausführlich und klug, bis die Frischluft im Saal verbraucht war. Bei einem Umtrunk ging die Diskussion weiter, sie wird so schnell nicht enden.
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