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Thailand habe in den letzten Jahrzehnten einen massiven Wandel durchlaufen, sagte Michael Winzer eröffnend. Arbeiteten vor 50 Jahren noch 80 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft, seien es heute nur noch 40 Prozent. „Mit dieser gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung hat der politische Wandel jedoch nicht mitgehalten.“ Um die derzeitige Lage im Land zu erläutern, gab er einen groben historischen Abriss der Ereignisse, seit Yingluck Shinawatra, die Schwester des abgesetzten und wegen Korruption verurteilten Premierministers Thaksin Shinawatra, 2011 die Parlamentswahlen gewann.
Korruption und Amnestie-Gesetz
Anfangs habe die neue Regierungschefin sogar ihre Kritiker mit einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik überrascht. Doch zwei offene Flanken für Kritik habe sie der Opposition geboten. „Die ohnehin weit verbreitete Korruption hat sich unter ihrer Regierung noch verschlimmert und Thailand beim Transparency International Index den 102. Platz beschehrt“, so Winzer. Dabei spiele auch das von ihr groß angelegte Reis-Subventionsprogramm eine bedeutende Rolle, mit dem sie die Wählergruppen im agrarisch geprägten Norden und Nordosten des Landes unterstützen und ein Wahlversprechen einlösen wollte. „Doch als damals weltgrößter Reisexporteur wurde Thailand von rapide sinkenden Weltmarktpreisen schwer getroffen und die Subventionskosten stiegen in unermessliche Höhen. Geld, das in erster Linie durch Steuern aus den wohlhabenden und industriellen Zentren im Süden und im Großraum Bangkok eingetrieben wurde.“
Obwohl der Unmut in diesen Regionen wuchs, sei es der Opposition erst gelungen, daraus Kapital zu schlagen, als die Regierung im Sommer 2013 ein Amnestie-Gesetz auf den Weg brachte, das vor allem wegen Korruption Verurteilten zu Gute kommen sollte. Massive Proteste seien jedoch schließlich erst ausgebrochen, als dem wegen Korruption verurteilten Thaksin Shinawatra die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, straffrei wieder ins Land zu dürfen.
Ein zweiter Grund für die aufflammenden Proteste war eine von der Regierungsmehrheit verabschiedete Verfassungsänderung, die das Oberhaus (Senat) künftig nicht mehr nur hälftig, sondern vollständig durch Wahlen besetzen wollte. „Als diese Verfassungsänderung jedoch vom Verfassungsgericht abgelehnt wurde und diese Ablehnung von der Regierung nicht akzeptiert wurde, war das Wasser auf die Mühlen der Opposition, die mit Hunderttausenden auf die Straße ging, erstmals Regierungsgebäude besetzte und das Land ins Chaos stürzte“, so Winzer.
"Politische Kultur verhindert Kompromiss"
Anfang Dezember 2013 rief die Opposition zu finalen Kampf auf und trat geschlossen im Parlament zurück, das daraufhin aufgelöst wurde und die Regierung zu einer Übergangsregierung machte. Die im Februar abgehaltenen Wahlen wurden schließlich vom Verfassungsgericht annulliert und hinterließen ein Vakuum, denn ein neuer Wahltermin ist nicht angesetzt.
„Der Leidensdruck im Land ist eigentlich hoch genug, um einen Kompromiss ermöglichen zu müssen, aber die politische Kultur im Land verhindert das, weil der Punkt überschritten ist, an dem alle Beteiligten ohne Gesichtsverlust aus der Eskalation aussteigen könnten.“ Nach einer möglichen Absetzung der Regierung durch die Antikorruptionskommission oder das Verfassungsgericht würde ein weiteres Machtvakuum entstehen. Dies könnte dazu führen, dass schlussendlich doch eine neue Regierung ernannt werden müsste.
Obwohl alle Zeichen auf anhaltende Krise hindeuten, die Antikorruptionsbehörde gegen insgesamt 308 Parlamentsabgeordnete ermittelt und gegen die Premierministerin wegen des Korruptionsverdachtes im Falle der Reis-Subvention, blickt Winzer optimistisch in die Zukunft, „denn trotz aller derzeitigen Schwierigkeiten Thailands bleibt das Land mit seinem parlamentarischen System und seiner Gerichtsbarkeit ein demokratischer Leuchtturm in der Region“.
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