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Éric Vuillards „La bataille d’Occident“, 2014 in der deutschen Übersetzung von Nicola Denis im Verlag Matthes & Seitz erschienen, erzählt eine ganz andere Geschichte vom Krieg als die, die wir aus den Geschichtsbüchern und aus den Romanen der klassischen Moderne zu kennen meinen. Der 1968 in Lyon geborene Autor stellte das Buch am 8. Mai im Bonner Institut français vor. Mit der zweisprachigen Lesung wurde die neue Literaturreihe fortgesetzt, die KAS und Institut français im Vorjahr begründet hatten. Seinerzeit mit KAS-Altstipendiat Andreas Maier, der mit Éric Vuillard den deutsch-französischen „Franz-Hessel-Preis“ 2012 erhalten hat.
Die Zuhörer lernten drei Kapitel aus Vuillards Kriegsballade kennen, die kein Gedenkbuch und keine Geschichtsfibel ist, sondern eine rhapsodische Erzählung über ein Europa, das 1914 bis 1918 mit sich selbst im Krieg lag, ohne zu wissen, was dieser Krieg anrichten sollte. Die Monarchen machten noch gemeinsam Urlaub, der französische Präsident erfand 1912 die Wahlkabine, während sich die Regimenter schon schmückten, die deutsche Waffenindustrie mit der „Dicken Bertha“ aufrüstete und General Schlieffen unerbittlich an einem ungewinnbaren Strategiekrieg feilte. Alle „gehen mit verbundenen Augen in den Krieg, alle schreiten sie, die Hand auf dem Herz, dem Unbegreiflichen entgegen“, liest Vuillard und bringt damit auf den Punkt, was der britische Historiker Christopher Clark in seinem Bestseller in den Begriff der „Schlafwandler“ gekleidet hat. Auch gastronomische, psychologische, atmosphärische Aspekte des Kriegs kommen in den Blick, manchmal auf der Grenze zum Absurden, das Attentat von Sarajevo spielt eine wichtige Rolle, das Soldatenleben in den kilometerlangen Grabenlabyrinthen, vor allem aber die gewaltige Bewegung, mit der dieser Weltkrieg seine lindwurmartige Bahn durch Europa zieht. So ist die Geschichte, deren „Aura“ der Autor durch eine „Mischung von Tragik und Groteske“ verscheuchen will, der eigentliche Protagonist dieses Buches.
In der anschließenden Diskussion mit der Direktorin des Institut français in Bonn, Françoise Rétif, der Übersetzerin Nicola Denis und Michael Braun erläuterte der Autor detailliert, wie es zu dem Buch kam und was ihn beim Schreiben geleitet hat. Der Krieg sei für ihn ein undurchsichtiges und kausal nicht erklärbares Konstrukt. Hier komme das Erzählen als Mittel zum Verstehen zum Zuge. Lyrische Bilder stehen neben drastischen Kriegsbeschreibungen, erhabene Ideen neben dem Naturalismus der Gewalt. Im Schreibfluss sei es ihm wichtig gewesen, diese verschiedenen Sprachebenen zuzulassen. So arbeite die Literatur an der Ausnüchterung kollektiver Mythen, an der Entsakralisierung der Geschichte.
Nicht zuletzt gab die Lesung dem deutsch-französischen Verhältnis einen besonderen Akzent. Der Krieg wird in Vuillards „Ballade vom Abendland“ zu einer europäischen Erinnerung, die heute verbindet, was damals auseinandergerissen wurde. Das kann die deutsche Gegenwartsliteratur vom Autor lernen. Die Erinnerung an den Krieg ist eine europäische Erzählung.
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