Rund 240 Gäste waren der Einladung der Abteilung Zeitgeschichte und ihrem Kooperationspartner, dem Constantin Filmverleih, zum Filmabend „Der Fall Collini“ im Zoo Palast gefolgt. Am Nachgespräch nahmen der Historiker Professor Dr. Manfred Görtemaker, einer der beiden Leiter der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung des Umgangs des Bundesministeriums der Justiz mit seiner NS-Vergangenheit in den Anfangsjahren der Bundesrepublik, sowie der Regisseur Marco Kreuzpaintner und der Produzent Christoph Müller teil.
Professor Görtemaker lobte den Film: Obwohl die Romanfigur Fabrizio Collini fiktiv ist, seien die historischen Hintergründe sehr gut abgebildet. Zum Fall des damaligen Abteilungsleiters im BMJ Eduard Dreher, erklärte Görtemaker, dass Dreher selbst ein starkes Motiv gehabt habe, eine Verjährung der Taten von „Mordgehilfen“ aus der NS-Zeit zu erwirken. Durch das vom Bundestag verabschiedete Gesetz seien etliche wegen NS-Verbrechens Verdächtige straffrei davongekommen – unter ihnen auch Dreher, gegen den Ermittlungen anhängig waren. Dass ein Großteil der Funktionseliten der NS-Zeit in die Verwaltung der jungen Bundesrepublik übernommen wurde, sei nicht zuletzt deshalb möglich gewesen, „weil die Bevölkerung das so wollte“. Bereits der Parlamentarische Rat habe diese Entscheidung vorgezeichnet.
Auf die Frage, wie stichhaltig das Argument sei, es habe seinerzeit eben nur belastete Beamte gegeben, entgegnete Görtemaker, mit Blick auf das Bundesministerium der Justiz sei ihm „nicht klarzumachen, dass es nicht 35 unbelastete Juristen gegeben habe, die das BMJ hätten aufbauen können“. Der damalige Bundesjustizminister Thomas Dehler (FDP) und sein Staatssekretär Walter Strauß (CDU) hätten wissentlich belastete Juristen eingestellt. Das sei vor allem deshalb schwer zu verstehen, weil beide dazu überhaupt keine Veranlassung gehabt hätten: Dehler sei mit einer Jüdin verheiratet gewesen und habe dem NS-Regime distanziert gegenübergestanden. Strauß wiederum sei zwar getaufter Protestant, aber jüdischer Herkunft gewesen, und habe deshalb zu den Verfolgten des Nationalsozialismus gehört. Erklären könne man ihr Verhalten nur damit, dass sie die politische Erfahrung und das fachliche Können der Beamten und letztlich die Funktionsfähigkeit der Verwaltung für wichtiger gehalten hätte als eine konsequente Aufklärung. Transformationsgesellschaften stünden immer vor dem Problem, dass man eine Diktatur juristisch nicht aufarbeiten könne, „ohne dass das in den Geruch der Siegerjustiz kommt“. So hätten die Deutschen damals die Entnazifizierung als ungerecht empfunden und sich selbst als Opfer gesehen.
Der Regisseur Marco Kreuzpaintner und der Produzent Christoph Müller schilderten dem Publikum, wie es zu der Besetzung der beiden Hauptrollen mit Franco Nero und Elyas M’Barek kam. M’Barek sei ein Fan der Romane von Ferdinand von Schirach und habe auch deshalb die Rolle gerne übernommen. Zudem habe die Besetzung der Figur mit einem Schauspieler mit Migrationshintergrund größeres dramatisches Potential gehabt. Der Filmcharakter suche noch viel mehr nach Zugehörigkeit, müsse Anstrengungen unternehmen, um sich durchzusetzen und könne den Film dadurch noch viel stärker popularisieren als andere Schauspieler – durchaus auch mit Blick auf Zuschauerzahlen in der Zielgruppe der Jugendlichen. Kreuzpaintner hob hervor, dass er mit der Romanverfilmung „im besten Sinne einen moralischen Film“ habe machen wollen durchaus ein Sendungsbewusstsein habe. Dabei seien er und der Produzent sich ihrer Verantwortung bewusst gewesen: Nicht zuletzt aus diesem Grund habe man viele Berater und Gutachter einbezogen, um Fehler in der Darstellung zu vermeiden.