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Ein Parlament ohne Volksvertretung

autori Michael Däumer, Sebastian Grundberger, Johannes Herz, Bärbel Reisinger

Neue Studie zeigt weiterhin Defizite im Demokratieverständnis der Jordanier

Wie viel wissen die Bürger eines Landes von Demokratie, welches demokratische Strukturen in unserem Sinne nicht kennt? Dieser Frage hat der jordanische KAS-Partner „Al-Quds Center for Political Studies“ in einer Umfrage unter 1200 wahlberechtigten Jordaniern zu klären versucht, deren Ergebnisse in einer neuen Studie in Amman vorgestellt wurden. Die Resultate sind eher ernüchternd. Große Teile der jordanischen Bevölkerung können mit Begriffen wie „Wahlen“ und „Parlament“ wenig anzufangen und zeigen sich politisch desinteressiert. Dennoch gibt es auch einige Hoffnungsschimmer.

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Bei den letzten jordanischen Parlamentswahlen 2007 lag die Wahlbeteiligung bei 58,7 Prozent. Zwar ist dieser Wert etwas schwächer als in den meisten westlichen Demokratien, kann im Vergleich zu diesen aber durchaus noch als normal bezeichnet werden. In Jordanien existieren des Weiteren – wie auch in den meisten westlichen Demokratien - zwei Parlamentskammern. Damit sind die Gemeinsamkeiten zu entwickelten Demokratien jedoch auch schon aufgebraucht. Neben realer Gestaltungsmacht der gewählten Volksvertreter fehlt es, wie die Al-Quds-Umfrage belegt, im Volk auch einfach an Wissen über das eigene politische System und damit um die Grundvoraussetzung, um an diesem partizipieren zu können.

Wahl aufgrund familiärer Bindungen

Hinsichtlich des Grundes, warum man einen gewissen Kandidaten gewählt habe, gab mit 47,7 Prozent der befragten Wähler fast die Hälfte familiäre oder tribale Bindungen an. Für 16,2 Prozent war die Ausbildung oder das Fachwissen des Kandidaten ausschlaggebend für die Wahlentscheidung, während sich 15,6 Prozent von der Integrität bzw. dem guten Ruf des Kandidaten leiten ließen. Ganz am Ende der Liste rangierte hingegen die politische Ideologie. Lediglich 1,6 Prozent der Befragten gaben an, sich von einer parteipolitischen Zugehörigkeit beeinflussen zu lassen.

Die Identifikation zwischen Wählern und ihren parlamentarischen Vertretern ist der Studie zufolge kaum ausgeprägt. 88,6 Prozent erklärten, dass überhaupt keine Interaktion zwischen Abgeordneten und Wählern zustande komme. Die Personen, die in Kontakt mit ihrem Wahlkreisvertreter standen, trafen diesen mehrheitlich auf gesellschaftlichen Veranstaltungen oder im Haus des Abgeordneten.

Großes Interesse am Wahlkampf scheint in Jordanien nicht zu herrschen, denn 83,7 Prozent der Befragten nahmen in keiner Form daran Anteil. 72,7 Prozent sehen allerdings im Wahlakt selbst eine „nationale Pflicht“, die es zu erfüllen gelte. Knapp 10 Prozent begreifen den Urnengang als einen nötigen Akt zur Verfestigung der Demokratie.

Das Vertrauen in die Transparenz der Wahlen ist allerdings recht gering. Mit 53, 1 Prozent vermuten über die Hälfte der Befragten, dass bei den Wahlen 2007 Stimmenkauf betrieben wurde. Konsequenterweise befürworten 85,5 Prozent auch eine härtere Bestrafung dieser Vorgehensweise und einen Ausschluss der unter Verdacht stehenden Kandidaten von der Wahl.

Wenig Interesse an der Arbeit des Parlaments

Die Parlamentsarbeit wird in weiten Teilen der Bevölkerung offenbar nicht wahrgenommen. Rund 40 Prozent der von „Al Quds“ Befragten verfolgen die Vorgänge im Parlament überhaupt nicht, 28 Prozent immerhin zu einem „gewissen Grad“. Lediglich 7 Prozent gaben an, sich in „hohem Maße“ für die Arbeit der gewählten Volksvertreter zu interessieren. Auch über die Funktionsweisen des Parlamentes ist nur wenig bekannt. Zwei Drittel der Befragten wussten gar nicht, dass es im Parlament Fraktionen gibt, während dies nur 16,6 Prozent bekannt war. Von diesen 16,6 Prozent konnten jedoch 37,9 Prozent diese Fraktionen aber nicht benennen bzw. verwechselten die einzelnen politischen Zusammenschlüsse. Auf die Frage, welche der politischen Gruppierungen ihnen politisch am nächsten stehe, mussten 32,5 Prozent derer, die von Fraktionen wussten, eingestehen, dass sie sich mit keiner Gruppierung identifizieren konnten. Mit 24,3 Prozent identifizierte sich fast ein Viertel von ihnen am ehesten mit der den islamistischen Moslembrüdern nahe stehenden Islamic Action Front (IAF). Die Identifikation mit dieser Partei in Jordanien hängt jedoch weniger mit den radikal islamistischen Tendenzen der Partei zusammen als vielmehr mit dem Begriff „Islamic“ in der Parteibezeichnung.

Nach dem Grund befragt, warum sich die Abgeordnete in Fraktionen zusammenschließen, vermuteten die Befragten in erster Linie persönliche und tribale Bindungen, während gemeinsam vertretene politische Werte und Ideologie an letzter Stelle genannt wurden.

Überwiegend Zustimmung erfahren parlamentarische Quoten für ethnische und religiöse Minderheiten sowie für Frauen. Insgesamt sprachen sich rund drei Viertel der Befragten (72,4 Prozent) grundsätzlich für eine Frauenquote aus. Eine solche Quote, so hoffen 70,2 Prozent, könne die Rolle der Frau im öffentlichen Leben verbessern. 26,1 Prozent der Befragten befürworten feste Parlamentssitze für religiöse Minderheiten und dabei besonders für Christen „in hohem Maße“. Je ein Drittel spricht sich zu einem gewissen Grad und überhaupt nicht dafür aus. Die Unterstützung einer Quote für tscherkesische und tschetschenische Bürger ist ähnlich verteilt, der Grad der unbedingten Zustimmung zu für Beduinen reservierten Mandaten ist dagegen mit 36,9 Prozent etwas höher.

Unterstützung für Ausweitung des Wahlrechtes

Positiv stehen die Jordanier offenbar einer Erweiterung der Personengruppen gegenüber, die an den Wahlen teilnehmen. So waren fast drei Viertel der Befragten dafür, Auslandsjordaniern die Möglichkeit zur Wahl zu geben und sie durch entsprechende behördliche Prozeduren dabei zu unterstützen. Derzeit dürfen Auslandsjordanier nicht an den Urnengängen teilnehmen. Auch die insgesamt 2,35 Prozent der Jordanier, die beim Militär beschäftig sind, sollen 69,8 Prozent der Befragten zufolge im Gegensatz zur derzeit gültigen Regelung das aktive Wahlrecht erhalten.

Wenig Unterstützung scheint hingegen die Herabsetzung des passiven Wahlrechtes von 30 auf 25 Jahre zu haben. 71 Prozent der Befragten sehen in einer solchen Wahlrechtsreform keinen Sinn. Mit 86,02 Prozent fordert zudem eine große Mehrheit ein „vernünftiges Mindestmaß“ in Bezug auf Bildung als Zulassungskriterium für einen Kandidaten. Nach Ansicht von 68,1 Prozent der Befragten sollten die Kosten für Wahlkampagnen zudem begrenzt werden, während 23,5 Prozent eine solche Obergrenze für unnötig hielten.

Wirtschaftliche Fragen in der Prioritätensetzung ganz oben

Politische und demokratische Reformen finden sich auf der Liste der Prioritäten der Jordanier ganz weit hinten. Dahingehend befragt, was der Einzelne als das dringendste Problem Jordaniens ansieht, gaben nur 1 Prozent der Befragten demokratische Reformen an.

Das größte Interesse scheint hingegen sozio-ökonomischen Fragen zu gelten. An erster Stelle standen dabei „Al Quds“ zufolge mit 34,3 Prozent die hohen Preise im Land, gefolgt von Arbeitslosigkeit (21,7 Prozent), Armut (17 Prozent), niedrigen Löhnen (7,7 Prozent) und der Korruption in Verwaltung und Finanzwesen (5,4 Prozent). Nur 2,1 Prozent aller Umfrageteilnehmer sehen Umwelt- und Infrastrukturprobleme in dem mit Wasser unterversorgten Wüstenstaat als dringendstes Problem. „Krankenversicherungen und Gesundheitsvorsorge“ rangieren mit nur 1,4 Prozent sogar noch weiter unten. Ganz am Ende der Liste finden sich mit deutlich unter einem Prozent ethisch-moralische Fragen und Fragen der Nationalen Sicherheit. Die Forderung nach Pressefreiheit und unabhängigen Medien kommt gerade einmal auf 0,2 Prozent der Nennungen.

Ausblick

Die repräsentativen Meinungen der Jordanier in der Umfrage des Al-Quds Center for Political Studies müssen vor dem Hintergrund des auch durch die außenpolitische Situation bedingten Staus im demokratischen Reformprozesses betrachtet werden. Auch die weltweite Finanzkrise lässt politische Reformen im engeren Sinne als eher unwichtig erscheinen. Das Parlament hat seine Stellung in den letzten Jahren nicht wirklich verbessern können und verfügt über mehr repräsentative als gestalterische Funktion, da es nach wie vor dem direkten Einfluss des Königs Abdullah II. untersteht.

Aus all dem folgt eine gewisse Resignation der Bürger gegenüber dem Parlament. Da man nicht daran glaubt, durch Partizipation an Wahlen wirklich etwas verändern zu können, wendet man sein Interesse anderen, vornehmlich wirtschaftlichen Fragen zu. Erschreckend sind insbesondere das fehlende Bewusstsein für die Notwendigkeit einer unabhängigen Presse und das praktisch nicht vorhandene Verlangen nach einer demokratischen Reform.

Um jedoch politische Reformen verlangen zu können, muss im Volk zunächst ein Bewusstsein darüber bestehen, was eigentlich reformiert werden kann und wo genau die Defizite des eigenen Systems liegen. Zudem zeigen die Umfrageergebnisse überdeutlich, dass eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen der freiheitlichen Demokratie, nämlich die ideologische Auseinandersetzung, weder in Parlament noch in der Bevölkerung in einem über Ansätze herausgehenden Maße vorhanden ist. Politische Gruppierungen werden deshalb auch nicht aufgrund ihrer ideologischen Ausrichtung identifiziert und unterstützt. Eine gewisse Ausnahme bilden hier bestenfalls die Islamisten.

Ein grundsätzliches Problem für die Anerkennung des Parlaments als Vertreter des Volkes durch die jordanische Gesellschaft besteht nach wie vor darin, dass das Volk keine gemeinsame Identifikation mit dem Land Jordanien besitzt. Der Großteil der Gesellschaft besteht aus Palästinensern, die zwar die jordanische Staatsangehörigkeit besitzen, doch sich weiterhin als „Flüchtlinge“ betrachten. Jordanien versteht sich nicht als Nation, auch wenn in den vergangenen Jahren das Königshaus wie auch die Regierung verstärkt nationale Symbole nach außen zeigt (insbesondere durch die jordanische Staatsflagge und die überall im Lande bildliche Darstellung des Königs). Durch die vom König initiierte Identitätskampagne „Jordan First“ soll ein Nationalbewusstsein hergestellt werden, damit sich das Volk mit dem Staat und seinen Institutionen identifiziert. Dieses schwierige Unterfangen trägt bisher nur wenige Früchte und wird viel Zeit beanspruchen. Solange das Ziel eines Nationalbewusstseins nicht erreicht ist, werden sich die unterschiedlichen Bevölkerungsteile weiter mit ihren familiären und tribalen Banden und weniger mit Parlamentsvertretern, die parteipolitischen und ideologisch ausgerichtet sind, identifizieren.

Im Hinblick auf eine stärkere Demokratisierung in Jordanien geben manche Ergebnisse der Umfrage jedoch auch zu einer gewissen Hoffnung Anlass. Diese zeigt sich vor allem im Verlangen nach mehr politischer Transparenz. Eine solche stärkere Transparenz könnte auch zu einer größeren Identifikation der Bürger mit ihren Parlamentariern und zu einer größeren Kotrolle ihrer Aktivitäten führen.

Statistische Erhebungen wie die jetzt von „Al-Quds“ vorgestellte sind jedoch selbst bereits ein wichtiger Schritt in Richtung einer solchen Transparenz. Das „Al-Quds Center“ versucht deshalb, die Aktivitäten der Abgeordneten in einem neuen Projekt zu dokumentieren und somit für alle Jordanier verfügbar zu machen (siehe Bild unten). Der Report enthält vielfältige Grafiken und Schaubilder, die auch über die Homepage des Al-Quds-Centers abrufbar sind. Das Institut hofft mit diesem Pionierprojekt, einen Beitrag dazu zu leisten, den Bürger näher an das Parlament heranzuholen und so die Legitimität der Volksvertreter und ihre Machtbasis auszuweiten. Auch wenn vor dem Land noch ein langer Weg liegt, bieten derartige Initiativen Anlass zur Hoffnung, dass die festgestellten erheblichen Defizite in der politischen Kultur Jordaniens nicht in Stein gemeißelt sind.

Parlamentsreport 2009 des „Al-Quds Center for Political Studies“. Abzurufen unter .

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Pondelok, 2009, marca 30
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Sankt Augustin Deutschland

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