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Frankreich und die US-Wahl

autori Anja Czymmeck

Die „Strategische Autonomie“ bleibt das Ziel Frankreichs

Der Ausgang der US-Wahl hat für Frankreich weitreichende politische und wirtschaftliche Implikationen, die das Land, das selbst eine schwere politische Krise durchlebt, dazu bringt, seine eigene Rolle in der Welt und in Europa zu definieren. Das wurde schon im Vorfeld der Wahlen deutlich und dies wurde auch in ersten Reaktionen zum Wahlausgang kommentiert. In den Bereichen Handel und Klimaschutz, aber insbesondere im Sicherheits- und Verteidigungsbereich ist die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten ein Anreiz für Frankreich dazu, die eigene und europäische Unabhängigkeit zu verstärken, um französische und europäische Interessen zu wahren. Die Forderung an die europäischen Partner eine Außen- und Sicherheitspolitik zu entwickeln, die Europa stärkt und die Abhängigkeit von Amerika reduziert, ohne die transatlantische Kooperation in Frage zu stellen, bleibt das erklärte Ziel. Insbesondere die Kooperation mit Deutschland ist dabei von entscheidender Bedeutung.

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Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Europe is key

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bereits von 2017 bis 2021 mit Präsident Trump zusammengearbeitet. Für ihn wird deshalb die erneute Begegnung mit einem Präsidenten Donald Trump nichts Neues sein. In Frankreich, so schien es jedenfalls, hatte man sich auch intern auf die Möglichkeit einer zweiten Trump-Administration vorbereitet. Französische Vertreter, vor allem Präsident Macron, hatten insbesondere beim Thema NATO und Verteidigung dafür geworben, die europäische Verteidigung zu stärken und unabhängiger von den USA zu machen. Auf nationaler Ebene hat Frankreich im Außen- und Europaministerium eigens eine Task-Force eingerichtet, die sich mit den verschiedenen Szenarien auseinandersetzt, welche eine zweite Trump-Amtszeit hat. Geleitet wird diese Task-Force von Tristan Aureau, ehemaliger Kabinettschef des Staatssekretärs für Europa und jetzigen Außen- und Europaministers Jean-Noël Barrot. Mit der tatsächlichen Wahl von Trump liegen aber trotzdem große Herausforderungen vor Frankreich und Europa, die nur mit einer geschlossenen Haltung Europas angegangen werden können.

 

Der Krieg in der Ukraine

Die Sorge darüber, dass Präsident Trump den Krieg in der Ukraine ohne Einbindung der europäischen Partner einfrieren könnte, indem er einen Waffenstillstand aushandelt, ist auch in Frankreich groß. Das Einfrieren à la Trump würde bedeuten, dass man den ukrainischen Partner im Stich lässt und dass die Ukraine die von Russland eroberten Gebiete abtreten müsste. Dies widerspricht dem französischen Verständnis, dass der Krieg in der Ukraine eine europäische Angelegenheit ist, die in erster Linie von den Europäern gelöst werden muss, sicherlich in Absprache mit den USA.

 

Nahostkonflikt

Während Donald Trump grundsätzlich seine uneingeschränkte Unterstützung Israels mehrfach wiederholte, hat er auch ebenso häufig deutlich gemacht, den Krieg so schnell wie möglich beenden zu wollen. Fakt ist, dass Trump – auch aufgrund seiner Handlungen während seiner ersten Amtszeit (Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem oder Anerkennung der Souveränität Israels über die Golanhöhen) – bei der Regierung um Netanjahu beliebt ist. Was genau nun von ihm zu erwarten ist weiß man nicht. Frankreich jedenfalls hat in den letzten Wochen mehrfach einen Waffenstillstand in Gaza und im Libanon gefordert und dies auch am Tag der US-Wahl noch einmal betont.[i] Anders als die Beziehung Trump-Netanjahu litt die Beziehung zwischen Netanjahu und Macron in den letzten Wochen unter anderem auch unter den Aussagen zur Staatsgründung Israels, die auch in Frankreich für Irritationen gesorgt hatten.[ii] Es bleibt nun abzuwarten, inwieweit sich auch bei dieser Thematik das Verhältnis zwischen Frankreich und den USA entwickelt

 

NATO

Was die NATO und die amerikanischen Sicherheitsgarantien für Europa anbelangt, so betont Frankreich traditionell die Wichtigkeit der NATO und befürwortet eine enge Kooperation mit den USA. Zugleich spricht sich aber Frankreich seit Jahren dafür aus – im Kern das, was auch Trump fordert – Europa als Schlüssel für die eigene Sicherheit und Verteidigung aufzubauen. Frankreich als einzige verbliebene Atommacht der EU mit einem permanenten Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat den Anspruch an sich selbst, das Geschehen der Welt zu beeinflussen, weiß aber auch, dass dieser Führungsanspruch realistisch nur mit den europäischen Partnern in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik umgesetzt werden kann.[iii] Macron hat dies unter anderem in seiner zweiten Europa-Rede an der Sorbonne im Frühjahr 2024 deutlich gemacht, als er erklärte, dass man sich bewusst sei, dass die USA ihren Schwerpunkt auf sich selbst und auf China richten, und das Europa keine geopolitische Priorität hat – unabhängig davon welche Administration in Washington vorhanden ist.[iv] Denn auch unter einer amerikanischen Regierung der Demokraten hätte Europa nicht mehr davon ausgehen können, dass es nicht zu einem Teil-Truppenabzug der USA kommen könnte. Auch die ehemalige Botschafterin Frankreichs bei der NATO, Muriel Domenach, machte in einem Interview mit dem Grand Continent kurz vor den US- Wahlen deutlich, dass es nicht seriös sei, „[…] dass Europa mit seinem Reichtum, seinem Erbe und seiner Verantwortung sich damit abfindet, seine Sicherheit vollständig von amerikanischen Entscheidungen abhängig zu machen“.[v]

 

Handelspolitik: die Angst vor neuen Importzöllen

Handelspolitisch sorgt sich Frankreich um die Auswirkungen eines sehr wahrscheinlichen Protektionismus unter einer zweiten Trump-Administration, der vor allem die französische Agrarwirtschaft und Luftfahrt betreffen könnte. Trumps Ankündigungen, Importzölle von 20 % auf alle ausländischen Produkte und auch die Aussicht, dass Trump wie 2020 im Speziellen Importzölle in Höhe von 25 % auf Weine und Spirituosen aus Frankreich erlassen könnte, lösen in Frankreich großes Unbehagen aus.

Doch beim genaueren Hinsehen stellt man fest, dass auch unter Joe Biden die Handelspolitik eher protektionistisch war. Ein Beispiel dafür ist aus französischer Sicht der Inflation Reduction Act, der zwar grundsätzlich gegen China orientiert war, doch auch enorme Konsequenzen für Europa und Frankreich hatte. Bereits bei seinem Staatsbesuch in Washington im Dezember 2022 hatte Emmanuel Macron diesen Plan kritisch beäugt und diesen als „super aggressiv“ verurteilt.[vi]

 

Die französischen Reaktionen nach der Wahl

Während Emmanuel Macron und die an der Regierung beteiligten Personen Trump schnell gratulierten und zur Kooperation mit dem neuen amerikanischen Präsidenten aufriefen, zeigte das rechte und linke Lager andere Reaktionen.

 

Präsident und Regierung: Respekt, Bereitschaft und Kooperation

Mit diesen Worten lassen sich am besten die Reaktionen der Politiker in Regierungsverantwortung zusammenfassen. So gratulierte Staatspräsident Emmanuel Macron Donald Trump via X zu seiner Wahl zum US-Präsidenten bereits vor der offiziellen Bekanntgabe der Wahlergebnisse. Dabei machte Macron deutlich, dass er zu einer Zusammenarbeit bereit sei, die die jeweiligen Überzeugungen respektiert und gemeinsam dem Frieden und Wohlstand dienen solle.[vii]

Benjamin Haddad, Staatsekretär für Europa, reagierte ebenso und sagte man müsse Gemeinsamkeiten finden und zusammenarbeiten, während die Antwort auf die Herausforderungen, die die Zukunft mit sich bringt „bei uns selbst“ liege. So könnten „die Europäer […] nicht akzeptieren, dass über ihre Sicherheit ohne sie entschieden wird, dass morgen den Ukrainern eine Kapitulation aufgezwungen wird, ohne die Ukrainer, ohne die Europäer.“[viii]

 

Die Reaktionen von rechts: Sichere Distanz, herzliche Glückwünsche

Die französische Rechte hatte vor den Wahlen ihre Aussagen zu Trump dosiert und insbesondere seinen Führungskräften – außer dem Parteivorsitzenden Jordan Bardella – aus parteipolitischen Gründen einen Maulkorb auferlegt, sich zu Trump zu äußern. Zu groß wähnte man die Gefahr, dass das politische Modell, dass Donald Trump proklamiert und vorlebt, im Gegensatz zur Institutionalisierung und Entdämonisierung des Rassemblement National stehe. So erklärte der stellvertretende Vorsitzende der RN-Fraktion in der Nationalversammlung, Jean-Philippe Tanguy, dass Donald Trump für die Partei zu negativ sei und einen „aufgeregten Populismus“ verkörpere. Nichtsdestotrotz hatte Bardella bereits vor den Wahlen angedeutet, dass er sich den Ideen des gewählten Präsidenten Trump nahe fühlt, indem er seine Bewunderung für den amerikanischen Patriotismus zum Ausdruck brachte.[ix] Im Anschluss zeigte sich dann aber, nach zögerlichen Äußerungen, dass der Rassemblement National Donald Trump unterstützt. So erklärte Bardella, dass Frankreich nun die Aufgabe habe, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und man eine europäische Verteidigung, aufbauen müsse.[x] Marine Le Pen, stimmte diesem Tonus nüchtern zu und rief dazu auf, dass diese neue politische Ära zu einer Verbesserung der bilateralen Beziehungen beitragen und zu einer konstruktiven Zusammenarbeit auf internationaler Ebene führen solle.[xi]

Eric Ciotti, der sich erst bei den Parlamentswahlen von Les Républicains abgespalten, dem Rassemblement National angenähert und die neue rechte Partei A Droite gegründet hatte, zeigte sich sehr euphorisch und bezeichnete den Sieg Trumps als „wunderbaren Sieg des amerikanischen Volkes gegen ein System. Eine Hoffnung für den Frieden, eine Niederlage der Wokisten. Ein Weg für die Rechten in Frankreich und Europa. Bis zum Sieg.“[xii]

 

Ratlosigkeit und Kataklysmus im linken Lager

Das Wohlwollen und die teils vorherrschende Euphorie im rechten Lager kontrastiert mit den Reaktionen im linken Lager Frankreichs. So ordnete der Sozialdemokrat Raphael Glucksmann, Abgeordneter des Europaparlaments, die Wahl Donald Trumps als „globale Katastrophe“ und einen „Albtraum für die Demokratie, die Menschenrechte und für Europa“ ein.[xiii] Die Vorsitzende der französischen Grünen, Teil der linken Neuen Volksfront in der Nationalversammlung, Marine Tondelier, sprach den amerikanischen Bürgerinnen und Bürgern Mut gegenüber der sich „ausbreitenden Hölle“ aus.[xiv] Jean-Luc Mélénchon, Gründer der linkspopulistischen Partei La France Insoumise, sagte, dass die Wahl Trumps eine Konsequenz einer nicht vorhandenen linken Alternative bei den US-Wahlen war.[xv]

 

Appell an die europäische und deutsch-französische Kooperation

Nach den ersten Reaktionen folgte aber auch der direkte Appell von Emmanuel Macron an Deutschland und Europa sich zusammenzusetzen und die Herausforderungen der Zukunft anzugehen.

„Ich habe mich gerade mit Bundeskanzler @OlafScholz ausgetauscht. Wir werden uns in diesem neuen Kontext für ein geeinteres, stärkeres und souveräneres Europa einsetzen. Indem wir mit den Vereinigten Staaten von Amerika zusammenarbeiten und unsere Interessen und Werte verteidigen.“[xvi]

Für Macron ist die Rückbesinnung auf die deutsch-französische Kooperation für ein geeintes, souveränes und unabhängiges Europa unabdingbar. Dies deckt sich auch mit der Linie von Friedrich Merz, der am Wahltag in den USA mit einem viel beachteten Gastbeitrag in der französischen Tageszeitung Le Monde das ständige Zögern der Europäischen Union bei der Hilfe für die Ukraine beklagte und dieser vorwarf, sich nicht ausreichend von den Amerikanern zu lösen.[xvii] Bereits ab dem 7. November wird es beim Europäischen Gipfel bei Gastgeber Viktor Orbán in Ungarn – einem ferventen Unterstützer Trumps – darauf ankommen, diese europäische Einigung zu zeigen.

Insbesondere müssen aber Deutschland und Frankreich gerade jetzt, unabhängig davon, dass beide Länder sich im Krisenmodus befinden zeigen, dass sie wieder in diesem Sinne stärker zusammenrücken.

 

 


 

 

[i]       https://www.leparisien.fr/international/israel/guerre-au-proche-orient-jean-noel-barrot-sera-en-israel-et-dans-les-territoires-palestiniens-ce-mercredi-05-11-2024-BAYPPARFV5DPBJ2HN5GLA7SXHE.php (Aufruf: 6. November 2024).

[ii]      https://www.lemonde.fr/international/article/2024/10/16/les-tensions-entre-emmanuel-macron-et-benyamin-netanyahou-montent-d-un-cran-apres-les-propos-du-president-francais-sur-la-creation-d-israel-par-l-onu_6353358_3210.html (Aufruf 5. November 2024).

[iii]      https://dgap.org/system/files/article_pdfs/22-DGAP-MEMO-US2024_Jacob_DE.pdf (Aufruf: 5. November 2024).

[iv]      https://www.elysee.fr/emmanuel-macron/2024/04/24/discours-sur-leurope (Aufruf: 5. November 2024).

[v]      https://legrandcontinent.eu/fr/2024/10/30/vu-de-washington-le-maintien-de-100-000-personnels-en-europe-ne-va-pas-de-soi-une-conversation-avec-muriel-domenach-ancienne-ambassadrice-a-lotan/ (Aufruf: 5. November 2024).

[vi]      https://www.lemonde.fr/en/international/article/2022/12/01/emmanuel-macron-blasts-joe-biden-subsidies-in-state-visit_6006235_4.html (Aufruf: 4. November 2024).

[vii]     https://x.com/EmmanuelMacron/status/1854073283420754221 (Aufruf: 6. November 2024).

[viii]    https://www.europe1.fr/international/presidentielle-americaine-leurope-doit-prendre-son-destin-en-main-reagit-la-porte-parole-du-gouvernement-francais-4277243 (Aufruf: 6. November 2024).

[ix]      https://www.lemonde.fr/international/article/2024/11/02/donald-trump-l-encombrant-modele-du-rassemblement-national_6372584_3210.html (Aufruf: 6. November 2024).

[x]      https://x.com/J_Bardella/status/1854084071858876485 (Aufruf: 6. November 2024).

[xi]      https://x.com/MLP_officiel/status/1854083504700600705 (Aufruf: 6. November 2024).

[xii]     https://x.com/eciotti/status/1854060752946245644 (Aufruf: 6. November 2024).

[xiii]    https://www.instagram.com/p/DCBWcJBsUgp/?img_index=1 (Aufruf: 6. November 2024).

[xiv]    https://www.europe1.fr/international/presidentielle-americaine-leurope-doit-prendre-son-destin-en-main-reagit-la-porte-parole-du-gouvernement-francais-4277243 (Aufruf: 6. November 2024).

[xv]     https://www.leparisien.fr/international/etats-unis/enfer-qui-se-profile-espoir-pour-la-paix-de-lfi-au-rn-les-reactions-des-politiques-francais-a-lelection-de-trump-06-11-2024-FP4V4HGZUZGOFGAQEOVGMST5F4.php (Aufruf: 6. November 2024).

[xvi]    Emmanuel Macron, https://x.com/EmmanuelMacron/status/1854075136468521077 (Aufruf: 6. November 2024).

[xvii]    https://www.lemonde.fr/idees/article/2024/11/05/friedrich-merz-president-de-la-cdu-la-politique-etrangere-et-de-securite-europeenne-est-dans-un-etat-de-desolation_6377309_3232.html (Aufruf: 6. November 2024).

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