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Tschechien nach den Präsidentschaftswahlen: Die Zeman-Babiš-Republik

autori Matthias Barner, Alena Reslová

Hält die Achse zwischen den beiden mächtigen politischen Protagonisten?

Die Präsidentschaftswahlen in der Tschechischen Republik gewann Amtsinhaber Miloš Zeman mit knappem Vorsprung. Der Ausgang hat beträchtliche Folgen für die weitere Regierungsbildung und die politische Ausrichtung im Land.

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Der Präsident wird in der Tschechischen Republik alle fünf Jahre durch ein Mehrheitswahlsystem gewählt, seit 2013 in einer Direktwahl. Miloš Zeman gewann mit 51,4 Prozent der Stimmen (absolut 2.853.390) vor Jiří Drahoš, dem ehem. Vorsitzenden der Akademie der Wissenschaften, der nur rund 152 000 Stimmen weniger erhielt. Die Stichwahl hatte den Charakter eines Referendums über Zeman. Rund die Hälfte der Wählerinnen und Wähler von Drahoš wählten diesen, um sich vor allem gegen den amtierenden Präsidenten auszusprechen. Während Miloš Zeman auf die nationale Karte setzte, polarisierte und für seine Nähe zu Russland und China bekannt ist, präsentierte sich Jiří Drahoš als ein Kandidat des politischen Anstandes und der westlichen Orientierung des Landes. Dass die Wahlbeteiligung in der Stichwahl (66,6 Prozent) um 5 Prozent höher war als in der ersten Wahlrunde, ist ungewöhnlich. Zeman gelang es durch eine negativ geprägte Angstkampagne, seine Unterstützer aus der ersten Wahlrunde zu behalten und zahlreiche Nichtwähler in der zweiten Runde zu mobilisieren. Drahoš dagegen, der von den meisten anderen Kandidaten der ersten Runde aktiv unterstützt wurde (insgesamt 60% der Stimmen der ersten Wahlrunde), konnte offensichtlich nicht ausreichend neue Wähler für sich gewinnen.

Gespaltene Gesellschaft

Dass der Herausforderer und wenige Monate vor der Wahl noch weitestgehend unbekannte Drahoš dennoch nur knapp unterlag, deutet auf eine Entwicklung hin, die in der Wahlnachlese Kommentatoren und Analysten beschäftigt: Die Präsidentschaftswahlen sowie die Parlamentswahlen im Oktober 2017 zeigen eine tiefe Spaltung in der tschechischen Gesellschaft. Laut einer Datenanalyse des Tschechischen Rundfunks unterschieden sich die Wähler von Zeman und Drahoš vor allem durch Bildung, Alter und Arbeit. Ältere Wähler, Wähler ohne Abitur, Arbeitslose und Beschäftigte in der Landwirtschaft, der Industrie und im Bausektor unterstützen Miloš Zeman. Dagegen entschieden sich jüngere Wähler, mit Abitur und vor allem Beschäftigte aus den Dienstleistungssektoren für Drahoš. Zeman unterstützten vor allem die Wähler der Bewegung ANO des Milliardärs und geschäftsführenden Premierministers Andrej Babiš, der Kommunistischen Partei KSČM und der rechtspopulistischen Antiimmigrationspartei SPD. Für Drahoš stimmten eher die Wähler der konservativ-liberalen ODS, der linksliberalen Piratenpartei und der liberalkonservativen TOP 09. Der Politikwissenschaftler Tomáš Lebeda sieht darin einen Wandel von der traditionellen politischen Aufteilung auf der Achse Links-Rechts zu einer Aufteilung zwischen dem autoritären und liberalen Spektrum. Weiterhin arbeite man in Tschechien erfolgreich mit dem Angstgefühl, dessen Emotionen die Rationalität leicht schlagen könnten.

Immigration als Mobilisierungsthema

Das Thema Immigration spielte eine Schlüsselrolle in der Wahlkampagne. Auf Plakaten und Anzeigen, die kurz vor der Stichwahl in ganz Tschechien zu sehen waren, stand: „Stoppt Immigranten und Drahoš. Dieses Land ist unseres. Wählt Zeman!“. Über soziale Medien, Kettenmails und mit Unterstützung prorussischer Desinformationsmedien wurde Jiří Drahoš unterstellt, massenhaft Migranten in das Land zu holen, obwohl er sich mehrmals öffentlich gegen verpflichtende europäische Flüchtlingsquoten ausgesprochen hatte. Bemerkenswert war, dass Miloš Zeman anfangs verkündete, keine Wahlkampagne führen zu wollen. Er zog es vor, ganz präsidial durch die Regionen zu reisen und mit vielen Menschen zu sprechen. Er nutzte so sein Amt, um vor der Wahl Präsenz zu zeigen. Im Gegensatz zu Jiří Drahoš, auf dessen transparenten Konto alle seine Sponsoren aufgeführt wurden, konnten die Initiatoren der Zeman-Kampagne, wie z.B. der Verein der Freunde Zemans, die Herkunft der Gelder nicht nachweisen. Transparency International bezeichnete die Finanzierung der Wahlkampagne von Miloš Zeman als die am wenigsten transparenteste von allen Kandidaten.

Qualität der Medien als einflussreicher Faktor

Angesichts der vielen Stimmen für Drahoš im ersten Wahlgang ging Zeman im Wahlkampfendspurt in die Offensive und bestritt zwei Fernsehduelle, die im Durchschnitt auch fast jeder dritte Wähler verfolgte. Die Medien kommentierten durchgehend die schlechte Qualität der Dramaturgie des ersten Duells beim privaten Fernsehsender Prima TV im Gegensatz zum professionell durchgeführten zweiten Duell im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Dies zeigte die Bedeutung öffentlich-rechtlicher Medien in einer liberalen demokratischen Gesellschaft, die gerade in Tschechien unter regelmäßigen Angriffen seitens einiger Politiker, u.a. auch des Präsidenten Zeman, stehen.

Kommentatoren zufolge schadete Drahoš das erste Duell auf Prima TV. Ihm gelang es nicht eine positive Begeisterung zu entfachen, stattdessen geriet er zunehmend in die Defensive.

Zweiter Anlauf zur Regierungsbildung

Die entscheidende politische Frage für die Tschechische Republik ist nun, wie sich die Bestätigung von Zeman auf die weitere politische Ausrichtung des Landes auswirkt, insbesondere auf die schwierige und bisher nicht abgeschlossene Regierungsbildung. Politische Beobachter in Prag gehen davon aus, dass sich Zeman in Stil und Inhalt nicht ändern wird. Im Gegenteil: er sei politisch stärker als bisher, müsse sich keiner Wahl mehr stellen und daher unabhängiger und unberechenbarer, wie in der Zeitung „Hospodářské noviny“ zu lesen war. Das könnte Auswirkungen auf sein Verhältnis zum geschäftsführenden Premierminister Andrej Babiš haben, der mit seiner Bewegung ANO („Aktion unzufriedener Bürger“) die Parlamentswahlen in Oktober 2017 mit großem Abstand gewonnen hatte. Beide – Zeman und Babiš – dominieren spätestens seit letztem Jahr die politischen Geschicke der Republik. Bisher steht Zeman hinter Babiš und benannte ihn zum Ministerpräsidenten, obwohl er keine Mehrheit im Parlament hat. Nach der verlorenen ersten Vertrauensabstimmung im Parlament versprach der Präsident, Andrej Babiš auch zum zweiten Mal zum Premierminister zu ernennen und ihm genügend Zeit für die Mehrheitssuche zu geben. Die Frage ist nur, zu welchem Preis Babiš als Premierminister „in Demission“, wie es offiziell heißt, diese Rückendeckung von Zeman auch weiterhin erhalten wird. In Medienberichten ist von personellen und inhaltlichen Zugeständnissen die Rede, etwa in Form von Zeman-treuen Ministern oder beim Bau von weiteren Blöcken von Atomkraftwerken durch Russland.

Ein „kryptopräsidentielles“ System?

Die Rolle des tschechischen Staatsoberhauptes ist vor allem repräsentativ, doch traditionell hat der Präsident mit dem Sitz auf der ehrwürdigen Burg oberhalb Prags eine besondere Stellung, was durch die Einführung der Direktwahl noch weiter gestärkt wurde. Der tschechische Präsident hat auch mehr Kompetenzen als etwa der deutsche Bundespräsident. So hat er einen stärkeren Einfluss auf die Regierungsbildung und bestimmt die Mitglieder des Bankenrates der Tschechischen Nationalbank.

Präsident Zeman nutzte in seiner ersten Amtszeit breit seine Einflussmöglichkeiten, die ihm die tschechische Verfassung gibt. Ganz zu Beginn setze er für sechs Monate eine Expertenregierung ein, die bis zu vorgezogenen Neuwahlen ohne parlamentarisches Vertrauen regierte. Der renommierte Kommentator Petr Honzejk schreibt, dass Zeman auch jetzt versuchen wird, ein „kryptopräsidentielles System“ zu bilden, indem er die Regierung mitgestaltet. Präsident Zeman sprach bereits seine Sympathien für eine Minderheitsregierung der Bewegung ANO aus, entweder mit Unterstützung der Sozialdemokraten und der Kommunisten oder mit Duldung der rechtspopulistischen SPD und der Kommunisten. Diese sind nun die beiden wahrscheinlichsten Szenarien für eine neue tschechische Regierung.

Die Koalitionsmöglichkeiten von ANO waren bislang sehr eingeschränkt aufgrund der Ermittlungen gegen Premierminister Andrej Babiš wegen angeblichen Betrugs bei der Nutzung von EU-Geldern für seine Wellness-Farm „Storchennest“. Keine der Parlamentsparteien wollte eine strafverfolgte Person als Premierminister unterstützen. Doch mit der Zeit änderten KSČM und SPD ihre Meinung. Expertengruppen der Parteien haben bereits mit der Bewegung ANO verhandelt. Es ist zu hören, dass die rechtspopulistische SPD von Tomio Okamura die Einführung von allgemeinen Referenden fordert, was in letzter Konsequenz zu einem Referendum über den Austritt aus der EU führen könnte. Die Kommunisten sehen als ihre Prioritäten die Versteuerung der Kirchenrestitutionen, die Rohstoffpolitik sowie den Bau von Sozialwohnungen.

Die Blicke richten sich nun auf die sozialdemokratische ČSSD: Auf ihrem Parteitag am 18. Februar in Hradec Králové (Königgrätz) wird sie nach ihrer verheerenden Wahlniederlage vom Vorjahr nicht nur über eine neue Führung abstimmen, sondern auch über eine Zusammenarbeit mit der ANO von Andrej Babiš. Bislang stellten die Sozialdemokraten als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung u.a. eine weiterhin pro-europäische und westlich orientierte Ausrichtung des Landes und die bessere Unterstützung von Familien. Außerdem dürfe keine strafverfolgte Person Mitglied der Regierung sein und bis zum Ende der Strafverfolgung im Falle „Storchennest“ solle ANO nicht das Finanz-, Justiz- und Innenministerium besetzen. Mehrere dieser Bedingungen der Sozialdemokraten hat Premierminister Babiš bereits abgelehnt. Dagegen hat er die Forderungen der SPD nach Einführung der allgemeinen Referenden sowie der KSČM auf die Versteuerung der Kirchenrestitutionen bereits auf die Agenda seiner geschäftsführenden Minderheitsregierung gesetzt.

Ein Jahr mit der 8

In der tschechischen Geschichte waren mehrere Jahre mit einer 8 am Ende besonders prägend für die Politik des Landes: 1918, 1938, 1948, 1968 sowie das Jahr 1998 (Oppositionsvertrag). Auch das Jahr 2018 könnte eine besondere Bedeutung in der tschechischen Geschichte bekommen. Es könnte zum ersten Mal seit der demokratischen Wende 1989 eine Regierung entstehen, die durch die kommunistische Partei oder durch eine dezidiert rechts-populistische Partei unterstützt wird. Dies könnte zu einer Schwächung der proeuropäischen, liberalen und repräsentativen Elemente der Demokratie in der Tschechischen Republik führen.

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Matthias Barner

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Leiter des Auslandsbüros Vereinigtes Königreich und Irland

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Tschechische Republik Tschechische Republik