„Nutzen wir endlich strategische Kommunikation“
Egal, ob Corona-Pandemie, Energiekrise oder Ukraine-Krieg: zu jedem dieser Themen existieren zahlreiche Falschnachrichten und Desinformationen, die das Vertrauen in demokratische Institutionen und Verfahren schwächen. Obwohl die Problematik nicht neu ist, haben die Wege, den Informationsfluss zu manipulieren durch Social-Media-Plattformen zugenommen. Die Gründe für die Verbreitung von Desinformationen sind dabei unterschiedlich, weiß Sarah Thust, Faktencheckerin bei Correctiv. Neben finanziellen Aspekten, werden falsche Informationen auch immer häufiger verbreitet, um politische Ziele zu erreichen.
Strategische Kommunikation wird damit immer mehr zu einer Notwendigkeit für wehrhafte Demokratien – insbesondere in Krisenzeiten: „Nutzen wir endlich strategische Kommunikation als einzige, nicht-tödliche, kriegsentscheidende Waffe und nehmen wir sie so ernst, wie es die Lage erfordert“, appellierte Prof. Dr. Natascha Zowislo-Grünewald von der Universität der Bundeswehr München auf der #IKPK22. Kommunikative Bedrohungslagen schnell zu erkennen und auf diese zu reagieren, wird essentiell, um Handlungsspielräume im politischen Prozess offen zu halten.
„Have a good bullshit filter“
Diese Relevanz wird besonders im Ukraine-Krieg deutlich. Wie George Tikhyi, Kommunikationsberater des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba, verdeutlichte, kämpfen er und sein Team auch auf kommunikativer Ebene gegen Russland, etwa wenn es um die Deutungshoheit aktueller Ereignisse geht. Wie gestaltet man Kommunikation im Krieg? Neben Schnelligkeit, zielgerichteter und adressatengerechter Ausspielung von Botschaften, braucht es auch einen „bullshit filter“, um Desinformationen zu erkennen, gegen sie vorzugehen und so das Vertrauen in die eigene Arbeit zu sichern.
Dass die Offen- und Widerlegung von Desinformationen bzw. Fake News kein einfaches Unterfangen ist, erklärt Sarah Thust in ihrem Vortrag. Während falsche Informationen in kürzester Zeit an nahezu unbegrenzte Publika verbreitet werden können, ist ein Faktencheck Detektivarbeit, der auch mehrere Wochen in Anspruch nehmen kann.
„Propaganda läuft 24/7 auf allen Kanälen“
Doch was passiert, wenn Nachrichten und Informationen weder Faktenchecks unterzogen werden, noch eine freie, pluralistische Medienlandschaft existiert? Während Russland besonders aktiv Desinformationskampagnen in der Ukraine und westlichen Ländern organisiert, wird Kommunikation im eigenen Land strikt kontrolliert. Mandy Ganske-Zapf, Redakteurin bei Dekoder, berichtet auf der IKPK über die Mediennutzungsgewohnheiten der russischen Bevölkerung. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine sei es nicht mehr möglich, sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren. „Propaganda läuft 24/7 auf allen Kanälen.“
Das wichtigste russische Informationsmedium ist das Fernsehen. Talkshows verbreiten dort kontinuierlich die Narrative der russischen Regierung, die bereits seit den Protesten auf dem Maidan aufgebaut wurden: in Kiew herrscht eine faschistische Regierung, im Donbass wird Völkermord begangen, Russland befinde sich im Krieg mit dem Westen.
Regierungskritische Berichterstattung ist spätestens seit Ausbruch des Krieges nicht mehr möglich. Medienschaffenden drohen hohe Haftstrafen für die Verbreitung von „Falschinformationen“, der Kritik an Putin oder dem Militär. Viele Journalistinnen und Journalisten sind daher seit Kriegsbeginn geflohen. Ihr Schicksal ist aufgrund von vielen offenen Punkten, u.a. unsicheren Aufenthaltstiteln, ungewiss.
Wie gespalten sind unsere Gesellschaften?
Die zunehmende Manipulation von Informationen verstärkt die gesellschaftlichen Polarisierungstendenzen. Welche Konsequenzen das gesellschaftliche Auseinanderdriften haben kann, zeigt sich derzeit in den USA. „Die Polarisierung der US-amerikanischen Gesellschaft spaltet ganze Familien. Die Midterms haben daran nichts geändert", berichtet Juliane Schäuble, US-Korrespondentin des Tagesspiegels. Müssen wir mit diesen Entwicklungen auch in Deutschland rechnen? In Deutschland ist die Polarisierung nicht so ausgeprägt wie in den USA, sagt Dr. Jochen Roose, Referent für Wahl- und Sozialforschung bei der Konrad-Adenauer-Stiftung auf der #IKPK22. Dennoch ist auch hierzulande die emotionalisierte Ablehnung der jeweils anderen Seite ein Befund, der gesellschaftliche Sprengkraft hat.
Einen vertieften Einblick in die politischen Debatten der USA gab auch Lars Schonander, Policy Technologist beim Lincoln Network, mit seinem Rückblick auf die Midterm-Wahlen. Obwohl die extremen Kandidaten mehrheitlich von den Wählern abgestraft wurden, ständen sich in den USA zwei gleichgroße, gesellschaftliche Blöcke unversöhnlich gegenüber, erklärte er die Wahlergebnisse. Schonander wies insbesondere daraufhin, dass eine große Gefahr von der Gruppe der sogenannten „Deniers“ ausgehe. Sie hätten bereits 2020 die Legitimität der Präsidentschaftswahl geleugnet, durch ihre Wiederwahl hätten sie nun die Möglichkeit, die Demokratie in den USA von innen auszuhöhlen.
Dass die Polarisierung kein amerikanisches Phänomen ist, zeigt ein Blick nach Italien. 100 Jahre nach Mussolinis Machtergreifung wird das Land nun erstmals von einer Regierung mit Verbindung zu neofaschistischen Kreisen geführt. Wie konnte das passieren? Anders als die Parteien des rechten Spektrums haben sich die linken Parteien nicht zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Stattdessen gab es einen Wettkampf um die gleichen Zielgruppen, während die sich neue Regierungskoalition ergänzte, betont Dr. Nino Galetti, Leiter des Auslandsbüros Italien der Konrad-Adenauer-Stiftung. „In der Praxis sehen wir nun aber einen pragmatischen Politikansatz. Die schrillen Töne sind derzeit aus der italienischen Regierung nicht zu hören.“
20. Jahre IKPK: Ohne Strategie ging es nie
Welche Schlüsse können wir aus den internationalen Entwicklungen für den politischen Diskurs in Deutschland ableiten – auch im Rückblick? Mit dieser Frage befasste sich das Panel „Grassroots, War Room, TikToks... - Ohne Strategie ging es nie“. Isabelle Fischer, Pressesprecherin der CDU Deutschlands, Axel Wallrabenstein, Partner bei MSL Group Germany und Theresa Gröninger, Deputierte der Bremischen Bürgerschaft und Gründerin von BestPolitics, blickten zurück auf 20. Jahre Internationale Konferenz für politische Kommunikation und waren sich einig, dass der Blick in die USA für Kampagnenmacher nur noch begrenzt hilfreich ist. Durch die DSGVo wurde in Deutschland ein Rahmen gesteckt, der den Spielraum zwar begrenzt, aber dafür auch Vertrauen schafft. Theresa Gröninger, die mit ihrem Projekt BestPolitics vom Politik-Startup Join Politics gefördert wird, machte deutlich, dass man für eine erfolgreiche Kommunikation von Politik, eingetretene Pfade verlassen muss. Mit BestPolitics sammelt sie frische Ideen und macht sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.
Max Schmachtenberg, Pressesprecher der CDU-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein argumentiert, dass gute Regierungsarbeit, wenig Raum für Streit und gute Kommunikation dazu beitragen können, politische Ränder zu schwächen. Bei seiner Vorstellung der Gewinner-Kampagne „KurSHalten. Für Schleswig-Holstein“ lieferte er Einblicke in die Kampagnenmechanik und zeigte, wie das Vertrauen der Bevölkerung in den Spitzenkandidaten Daniel Günther durch einen authentischen Auftritt gestärkt werden konnte.
Tiktok wird noch immer unterschätzt
Social Media hat sich vom Kommunikationstool zum Informationstool entwickelt. Das gilt besonders für junge Nutzerinnen und Nutzer. Besonders beliebt unter ihnen sind Instagram und Youtube, bei unter 20-jährigen zudem Tiktok. Wer junge Zielgruppen erreichen will, kommt um diese Kanäle nicht herum. Was bedeutet das für politische Akteure? „Junge Leute erwarten die perfekte Balance zwischen Authentizität von Politikerinnen und Politikern und Professionalität beim Nutzen der jeweiligen Social-Media-Plattform“, erklärt Dr. Jan Eichhorn, Partner bei dpart.
Für Politikerinnen und Politiker ist das natürlich kein leichtes Unterfangen. Janine Klose und Lara Urbaniak, Gründerinnen des Kanals „insta.politik“ wissen um die Schwierigkeit, politische Inhalte über Social Media zu vermitteln. Eine Herausforderung ist dabei die Trend-Plattform Tiktok, die besonders in der Generation Z eine wichtige Rolle einnimmt: „Die App polarisiert sehr stark und ist weniger ein Erklär-Kanal.“ Dennoch argumentiert Finn Werner, Co-Founder von Digitalien, sollte Tiktok nicht unterschätzt und in der Kommunikation stärker berücksichtigt werden. Die Plattform sei für viele junge Menschen ein Kanal, um sich niedrigschwellig zu informieren. Auch deshalb rät Lara Urbaniak, dass „Politiker sich trauen, dort aktiv zu sein, um junge Menschen abzuholen.“
Neue Tools und praktische Tipps für mehr Reichweite
Wie es einfacher gelingen kann, reichweitenstrake Kommunikation als festen Bestandteil der politischen Arbeit in den Alltag einzubauen, zeigten die Breakout-Session am Montagnachmittag. Während die erste Runde den Schwerpunkt auf technische Lösungen legte, war die zweite Runde insbesondere ein Erfahrungsaustausch mit reichweitenstarken Kanälen. Vorgestellt wurden die erfolgreichsten Politiker-Kanäle der Union auf LinkedIn sowie auf TikTok: Moritz Leibinger erklärte das Kommunikationskonzept hinter dem LinkedIn-Kanal von Jens Spahn MdB, während Finn Werner über die Idee hinter dem TikTok-Kanal von Uwe Dorendorf MdL berichtete. Justus Langer und Lorenz Käsermann von Cosmonauts & Kings ergänzten das Informationsangebot zum Thema Reichweite mit Insights zum Targeting und zur Nutzung von Messengerdiensten am Beispiel von Telegram. Bei den technischen Tools wurden neben den Kampagnenplattformen CamBuilder und Civical noch die Einsatzmöglichkeiten der digitalen Meinungsforschung durch Civey sowie Google Trends vorgestellt.
Weitere Eindrücke von der IKPK finden Sie auf Instagram unter Adenauer_Campus oder bei Twitter unter @politsnack_KAS und #IKPK22.
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