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Im Gespräch

KAS Interview: South Africa Post Election Analysis

KAS South Africa spoke with the KAS Resident Representative Gregor Jaecke about the outcome of the elections…

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Würden Sie das Wahlergebnis als historisch bezeichnen und welche Auswirkungen hat der Wahlgang für die politische Landschaft in Südafrika?

Gregor Jaecke: Ja, das Wahlergebnis hat auf alle Fälle eine historische Dimension für das Land am Kap. Der ANC, Südafrikas Dauerregierungspartei seit 1994, hat nicht nur eine verheerende Wahlniederlage erlitten, sondern auch seine absolute Mehrheit deutlich verloren. Im Land am Kap wurde damit das Ende der Einparteienherrschaft und der Beginn einer Ära von Koalitionsregierungen auf nationaler und Provinzebene eingeläutet. Allerdings haben sich die Wähler weitestgehend nicht für Parteien aus dem Mitte-Rechts-Lager entschieden, sondern sind dem linken politischen Spektrum treu geblieben, in dem sie für radikal-populistische Abspaltungen des ANC gestimmt haben - wie etwa den Economic Freedom Fighters (EFF) oder Zumas MK-Partei. Was letztere betrifft, so stellt ihr starkes Abschneiden eine Überraschung dar, mit der viele Experten in dieser Höhe nicht gerechnet haben. Auch wenn ihre Hochburg in der Heimatprovinz des ehemaligen Staatspräsidenten Zuma, KwaZulu-Natal liegt, so hat er mit seiner neuen Partei auch in anderen Teilen des Landes Unterstützung erhalten und kann daher nicht als ein rein lokales Phänomen abgetan werden. Anders ausgedrückt: Seine große Unterstützung lässt auf eine breitere Unterstützung der Partei über ihre regionalen und ethnischen Grenzen hinaus schließen. Die MK-Partei ist allerdings innerparteilich zerstritten und man wird sehen müssen, ob sie sich deshalb überhaupt als regierungsfähig erweist. Fest steht allerdings, dass Zuma und seine Partei für all das stehen, was das Land in der Krise am wenigsten braucht: Korruption, Diebstahl, Straffreiheit, Anti-Rechtsstaatlichkeit, Enteignung ohne Kompensation, Verstaatlichung von Banken und Minen und eine Spaltung der südafrikanischen Gesellschaft.

Das Land befindet sich nach dem historischen Wählervotum politisch am Scheideweg. Es wird in den kommenden Tagen entscheidend davon abhängen, wie sich nach dem katastrophalen (und in dieser Höhe auch für die ehemalige Befreiungsbewegung überraschenden) Wahlergebnis der Regierungspartei die innerparteilichen Dynamiken im ANC entwickeln werden und ob Cyril Ramaphosa weiter im Amt bleiben wird. Denn mit diesem sehr schlechten Wahlergebnis könnten die altbekannten Flügelkämpfe des ANC erneut aufbrechen und Cyril Ramaphosa möglicherweise durch einen innerparteilichen Konkurrenten (hier wird über die Person des stellvertretenden Präsidenten Paul Mashatile spekuliert) ersetzt werden. Es herrscht derzeit große Unsicherheit über die politische Zukunft des Landes.

Darüber hinaus ist die Möglichkeit von politischer Gewalt und sozialen Unruhen (vergleichbar mit denjenigen Mitte 2021 nach der kurzzeitigen Inhaftierung Zumas) nicht auszuschließen. Insbesondere in der Provinz KwaZulu-Natal wird sich zeigen, ob die Unterstützer von Zumas MK-Partei der (falschen) Wahrnehmung unterliegen, durch Wahlmanipulation von Seiten der Wahlkommission, um einen noch höheren Wahlsieg gebracht worden zu sein. Am 01.06.2024 stelle Zuma öffentlich die Integrität des Wahlprozesses in Frage und drohte mit der Anfechtung des Wahlergebnisses.

 

Nachdem offensichtlich die Ära der Ein-Parteien-Dominanz in Südafrika beendet ist, welche politischen Szenarien sind denkbar in Bezug auf die zukünftige Regierungsbildung?

Gregor Jaecke: Unterschiedliche Szenarien bezüglich der (schwierigen) Regierungsbildung sind denkbar: Mit Ramaphosa an der Spitze erscheint eine Koalition der Mitte mit der wirtschaftsliberalen Democratic Alliance (DA) wahrscheinlich. Diese Koalition wäre in der Lage, verkrustete Strukturen aufzubrechen und Reformen in die Wege zu leiten, die auf Wachstum und Beschäftigung setzen. Hieraus würde eine echte Chance für das Land entstehen. Außenpolitisch würde sich diese Koalition vom Westen nicht weiter entfernen. Um ein solches Bündnis jedoch zu realisieren, müssten politische Akteure persönliche und inhaltliche Gräben überwinden. Denn der ANC und die DA liegen programmatisch weit auseinander und haben keine Vertrauensbasis. Ergänzen möchte ich hierbei noch, dass in dem eben beschriebenen Koalitions-Szenario auch noch andere Mitte-Rechts-parteien wie beispielsweise die Inkatha Freedom Party (IFP) mit eingebunden werden könnten.

 

Denkbar erscheint auf nationaler Ebene allerdings auch ein Bündnis des ANC mit den EFF und/oder der MK-Partei. In diesem radikal-linkspopulistischen Bündnis wird Ramaphosa voraussichtlich nicht mehr Präsident des Landes sein und moderate Kräfte innerhalb des ANC weiter zurückgedrängt. Diese Koalition würde aller Voraussicht nach auf Verstaatlichung setzen (u.a. von Banken und Minen), Enteignungen ohne Kompensation - besonders in der Agrarwirtschaft - vornehmen und Investoren durch eine Ausweitung staatlicher Eingriffe in die Privatwirtschaft massiv abschrecken. Zudem wäre solch ein Bündnis für den gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt des Landes fatal: Die EFF lehnt die versöhnliche Politik der Post-Apartheid-Ära ab und wettert häufig gegen einzelne Bevölkerungsgruppen innerhalb Südafrikas. Außenpolitisch würde die Zusammenarbeit mit Russland und China ausgeweitet werden.

 

Was hat die Abstimmung über die Wahlbeteiligung offenbart und wie geht es jetzt weiter?

Gregor Jaecke: Besorgniserregend ist zudem die weiter abnehmende Wahlbeteiligung, welche dieses Mal einen historischen Tiefstand erreicht hat. Weniger als 60 % der registrierten Wähler gaben ihre Stimme ab. Die niedrige Wahlbeteiligung untergräbt nicht nur die Legitimität der gewählten Volksvertreter, sondern den Prozess der demokratischen Willensbildung insgesamt. Sie ist Ausdruck einer generellen Politikverdrossenheit und die häufigste Form des Protests, um Unzufriedenheit über die Parteiendemokratie und die politische Elite kundzutun und stellt damit eine Gefahr für die junge Demokratie Südafrika dar.

Die kommenden zwei Wochen (laut Verfassung bleibt für die Wahl eines neuen Präsidenten im Nationalparlament nur 14 Tage nach Verkündigung des Wahlergebnisses Zeit) werden entscheidend sein für die Zukunft der Regenbogennation.

 

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Gregor Jaecke

Gregor Jaecke

Leiter des Auslandsbüros Südafrika

gregor.jaecke@kas.de +27 (11) 214 2900

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