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Berliner Kolloquium zur Kulturpolitik

Marcus Schoft

Kulturgeschichte nicht neu erzählen, aber differenzierter

Dekolonisierung, Identifikation, Partizipation und die Herausforderungen von Pandemie und Ukrainekrieg. Die Diskussionsfelder beim Berliner Kolloquium zur Kulturpolitik hätten komplexer und kontroverser kaum sein können. Dennoch stellten sich renommierte Vertreterinnen und Vertreter des Kulturbetriebs anlässlich des Wechsels im Amt der Kulturstaatsministerin gemeinsam mit Prof. Monika Grütters MdB der Herausforderung und sprachen über Deutsche Kulturgeschichte.

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„Geschichte wird von Menschen gemacht.“ Und auch große Kunst entstehe nicht durch Roboter. „Das gleiche gilt für die Politik.“ Diese deutlichen Worte fand Prof. Dr. Lammert und lobte damit nicht nur das außerordentliche Engagement von Monika Grütters MdB, die acht Jahre lang das Amt der Staatsministerin für Kultur und Medien bekleidete. Er machte damit auch deutlich, wie wichtig Kunst und Kultur in Deutschland ist. Natürlich brauche es für eine erfolgreiche Kulturpolitik Strukturen, Institutionen und auch Ressourcen. „Aber den Unterschied machen letztendlich die Menschen“, erklärte der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung in seiner Begrüßung zum Berliner Kolloquium für Kulturpolitik am vergangenen Montag.

Um die Menschen, die Gesellschaft und die Rolle von Kunst und Kultur sollte es denn auch in dem Kolloquium gehen. Unter dem Titel „Deutsche Kulturgeschichte neu erzählen“, fand das feierliche Kolloquium mit Beteiligung renommierter Gäste aus der Kulturszene in der Akademie der Konrad-Adenauer statt. So diskutierten Ulrich Khuon, Intendant am Deutschen Theater Berlin, Dr. Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar und Rein Wolfs, Direktor des Stedelijk Museum Amsterdam.

Erinnerungskultur, Kolonialgeschichte, Identität – die Themen, die bei dem Kolloquium gestreift wurden, hätten dabei kaum komplexer sein können. Und besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse sei es keineswegs überflüssig, sondern besonders dringlich, über Kunst und Kultur zu sprechen, mahnte Prof. Lammert an und bezog sich in der Moderation auf die großen Umbrüche der deutschen Gesellschaft: Mauerfall, Wiedervereinigung, Flüchtlingskrise: „Wie hat sich die Wahrnehmung der deutschen Kultur vor dem Hintergrund dieser Ereignisse in der Welt geändert“, fragte Lammert die Anwesenden.

Gesellschaftliche Ereignisse seien jedoch nie synchron zur kulturellen Aufarbeitung, erwiderte Dr. Ulrike Lorenz. „Künstler sind die Pioniere des subkutanen Wandels.“ Schon weit vor dem Mauerfall hätten es Künstler wie Joseph Beuys geschafft, dass Deutschland im Ausland auch jenseits der Politik wahrgenommen worden sei, erklärte die Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar und verwies daran anschließend auch auf den aktuellen Weltkonflikt. Schon jetzt bereite die Kultur den Weg für eine Aufarbeitung dieser schrecklichen Ereignisse.

Dass Kultur mehr denn je in einem breiten globalen Kontext gesehen werden müsse, verdeutlichte die Keynote des Tages von Rein Wolfs. Kunst und Kultur können nicht mehr linear verstanden werden. Kunstgeschichte und Zeitgenössische Kunst müssen gemeinsam betrachtet werden. Gleichzeitig werde dadurch Kulturgeschichte neu bewertet, ebenso wie die Künstlerinnen und Künstler von gesellschaftlicher Seite neu bewertet würden.

Integrativ, diskursiv, identifikatorisch – das sind die Attribute die Wolf Reins einem modernen Kulturbetrieb zuordnete. „Wir müssen nicht woke sein, aber politisch korrekt“, erklärte der ehemalige Intendant der Kunsthalle der Bundesrepublik. Wie schwierig das ist, veranschaulichte Ulrich Khuon am Beispiel Theater. Dies sei immer eine Form von Aneignung. „Theater ohne Interpretation ist einfach nicht möglich“, erklärte der Intendant des Deutschen Theater in Berlin. Aus diesem Grund sei eben auch Empowerment so wichtig. „Da haben wir viel nachzuholen.“ Dies könne aber natürlich nicht das Ergebnis sein, sondern nur der Prozess hin zu einem gleichberechtigten weltoffenen Kulturbetrieb.

In Bezug auf den Titel machte Dr. Ulrike Lorenz schließlich den Vorschlag, Kulturgeschichte nicht neu erzählen zu wollen, sondern differenzierter und mit einer Vielzahl von Methoden. Natürlich ginge dies nicht ohne Kulturkämpfe. Diesen müssen man sich stellen, erklärte Lorenz. „Den Dissens müssen wir aushalten.“

In einem waren sich die Teilnehmenden jedenfalls einig. Die deutsche Kulturpolitik ist aktuell sehr gut aufgestellt. „Kunst und Kultur haben in Deutschland einen großen Stellenwert.“ Die zahlreichen Institutionen seien hier wie ein Schutzwall zu sehen, erklärte Rein Wolfs. „Wie Deutschland während der Pandemie die Kultur gerettet hat, da haben wir in den Niederlanden schon drauf geschaut. Und da haben wir bei uns auch lange drauf gewartet“, lobte der Niederländer. Natürlich gebe es weiterhin viel zu tun. Zum Beispiel dann, wenn es darum geht, Kunst und Kultur auch in die Breite zu bringen, die ländlichen Regionen, die kleinen und mittleren Städte zu unterstützen

Die größte Herausforderung für die Zukunft sah Grütters darin, die Bindung zwischen Kulturschaffenden und Publikum weiter zu stärken. Dies könne nur durch Identifikation einerseits und Weltoffenheit andererseits gelingen. Die Bindung zu eigenen Werten sei hier jedoch essentiell. „Nur wer das Eigene kennt, kann sich für das Andere auch öffnen.“

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Kristina Devine

Kristina Devine

Referentin Kulturpolitik und Ausländerförderung

kristina.devine@kas.de +49 30 26996-3583

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