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In der Erzählung berichtet eine Mutter am Bett ihres verstorbenen Sohnes diesem in einem ergreifenden Monolog von ihrem bislang verschwiegenen Kriegstrauma. Sie erzählt ihm von der Vertreibung aus dem Osten und dem unaufhörliche Streben nach Anerkennung in der neuen Heimat. Und noch etwas Erschütterndes muss sie loswerden: Auf der Flucht wurden sie und ihr Mann von drei russischen Soldaten aus dem Treck herausgenommen. Sie wurde vergewaltigt und ihr Mann musste alles mit ansehen.
Zentrale Themen in Treichels Werks sind die Motive Flucht und Vertreibung aus den früheren Ostgebieten, Neuanfang im Nachkriegsdeutschland, das verheerende Schweigen über die Traumata des Krieges und die Enge der westdeutschen Provinz. Der Autor kehrt somit mit seinem neuesten Buch „Tagesanabruch“ zu diesen zentralen Motiven aus seiner eigenen Familiengeschichte zurück.
„Tagesanbruch“ ist ein Buch über Verlust: den Verlust von
Heimat, Familie und Würde! Der Titel ist perfekt gewählt,
symbolisiert er doch vortrefflich, dass das Familiengeheimnis
aus der Dunkelheit ans Licht gebracht werden soll.
Nach der Lesung nutzen die Jugendlichen ausgiebig die Chance,
um mit dem Autor ins Gespräch zu kommen. Dabei erfuhren
sie, dass er nicht über den Deutsch-LK zum Schreiben
gekommen ist, da es zu seiner Schulzeit noch kein Kurssystem
gegeben hat. Treichel führte aus, dass er erst nach dem
Germanistikstudium mit dem Schreiben von Gedichten begann
und später dann auch Romane und Erzählungen zu Papier
brachte. Er beteuerte keine schreibenden Vorbilder im engeren
Sinne gehabt zu haben, machte aber auch keinen Hehl daraus,
dass ihn vor allen Dingen Wolfgang Koeppen fasziniert habe.
Der Autor machte den Jugendlichen deutlich, dass man nicht in
der Lage sei losgelöst von autobiographischen Erfahrungen
zu schreiben. „Ohne das Wissen über meine eigene
Familiengeschichte wäre Tagesanbruch nicht entstanden.“
Auf die Frage, wie er beim Schreiben des aktuellen
Buches vorgegangen sei, erwähnte Treichel, dass er erstmals
ein Buch aus der Perspektive einer Frau geschrieben habe, was
ihn immer schon gereizt habe. „Irgendwann hatte ich die
Stimme und den Ton für dieses Buch gefunden, wobei der
Geburtsprozess eines Buches oft viel langwieriger ist als der
Schreibprozess.“ Er erläuterte, dass Schreiben auch immer
wieder überarbeiten bedeutet und bezeichnete es als artistisch-
egoistische Tätigkeit. Treichel machte deutlich, dass das Buch
für ihn nachgeholte Kommunikation sei, da früher in seiner
Familie über viele Themen nicht gesprochen worden sei.
ofrohet nga
Politisches Bildungsforum Berlin
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