Stiefkind Justizpolitik?
Redner aus der Politik betonten zum Auftakt der Konferenz, zu der namhafte Juristen zusammengekommen waren, die Bedeutung einer starken, demokratisch legitimierten Justiz: Dass wir uns von „Urteilen in Gottes Namen“ zu einem Staat mit „Urteilen im Namen des Volkes“ entwickelt haben, sei „eine wertvolle Errungenschaft“, so die rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker. Damit die hohe Qualität des deutschen Justiz- und Rechtssystems erhalten bleibe und an manchen Stellen noch verbessert werde, bedürfe es einer offenen -aber respektvollen - Debatte zwischen Politik und Justiz, forderte Dr. Günter Krings, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern (CDU).
Plötzliche Aufmerksamkeit für die „alte“ internationale Schiedsgerichtsbarkeit
Jahrzehntelang kümmerte sich die Öffentlichkeit nicht um die Schiedsgerichtsbarkeit, doch seit der Debatte über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wird vieles in Frage gestellt. Dabei gibt es weltweit heute mehr als 3.200 bilaterale Investitionsschutzverträge, referierte Prof. Dr. Gerhard Wagner von der Humboldt-Universität zu Berlin. Deutschland hat davon als Exportnation stark profitiert. Umso größer war die Empörung, als sich der Spieß umdrehte und Deutschland wegen des Atomausstiegs von Vattenfall vor einem Schiedsgericht verklagt wurde. Von der „Entmachtung des demokratischen Gesetzgesetzgebers“ ist die Rede. Man sollte deshalb darüber nachdenken, die staatliche Gerichte über die Schadenshöhe entscheiden zu lassen, schlug der Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU) vor.
„Schattenjustiz“, Geheimgerichte“, „heimlicher Staatsreich“?
Dr. Patricia Nacimiento von der Kanzlei Norton Rose Fulbright LLP betonte, die Wirtschaft brauche Verfahren, die „den Notwendigkeiten des Wirtschaftslebens“ entsprechen. Aber Investitionsschiedsverfahren sind auch rechtspolitisch von Bedeutung, da sie politische Handlungsräume einschränken. Prof. Dr. Klaus Sachs, Vizepräsident des Internationalen Schiedsgerichtshofs der Internationalen Handelskammer in Paris, befürwortet deshalb mehr Transparenz bei Investitionsschutzverträgen. In der Praxis seien es allerdings meist die Staaten, die sich gegen die Veröffentlichung der Schiedssprüche wehrten.
EU-Richtlinie zur Streitbeilegung: Entlastung oder Schwächung der Justiz?
Bis Juli 2015 muss die sogenannte ADR-Richtlinie umgesetzt werden. Sie legt EU-weit Rahmenbedingungen fest für eine außengerichtliche Streitbeilegung zwischen Verbrauchern und Unternehmern bei Streitigkeiten aus Kauf- und Dienstverträgen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) legt bald einen Gesetzentwurf vor. Die Vorteile wären vor allem auch finanzieller Natur: Durch vermiedene Gerichtsverfahren könnten Unternehmen und Verbraucher Milliarden einsparen, erhofft man sich. Finanziert werden sollen die neu zu schaffenden Streitbeilegungsstellen primär durch die Wirtschaft. Sogar online könne man alles abwickeln, schlug der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann vor.
Auf die Frage, ob das deutsche Rechtswesen ausgehebelt werde, beruhigte Dr. Matthias Korte vom BMJV: „Die außergerichtliche Schlichtung in Verbraucherangelegenheiten soll nicht den Rechtsweg zu den Gerichten ersetzen.“ Freiwillige Unterwerfung und Unverbindlichkeit der Urteile seien kennzeichnende Merkmale. Prof. Dr. Burkhard Hess, Direktor am Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law, wies allerdings auf einen Widerspruch hin: Lassen sich zwingende Verbraucherrechte durch konsensuale Verfahren durchsetzen?
Einig war man sich darüber, dass Schlichtung, Schiedsverfahren und Mediation im Verbraucherrecht ihren legitimen Platz haben, wenn sie die staatliche Gerichtsbarkeit ergänzen. Dagegen verfehlen sie ihre Aufgabe, wenn sie die staatliche Justiz in weitem Umfang ersetzen“, so Prof. Dr.Roth von der Universität Regensburg.
Friedensrichter und Paralleljustiz
Der bayerische Staatsminister der Justiz, Prof. Dr. Winfried Bausback (CSU), thematisierte das „Spannungsfeld zwischen erwünschter außergerichtlicher Streitbeilegung und nicht akzeptabler ,Paralleljustiz’“. Über sogenannte Friedensrichter, über Ausmaß und Funktion ihrer Tätigkeit, erfahre man in der richterlichen Praxis wenig, berichtete Dr. Günter Räcke, Richter am Amtsgericht Tiergarten. Einig waren sich die Fachleute, dass islamische Mediations- und Schlichtungsstellen wie in Großbritannien kein Vorbild für den deutschen Rechtsstaat seien.
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