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Jean-Pol GRANDMONT / Wikimedia Commons BY-SA 3.0

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Hundert Jahre Ende des Ersten Weltkriegs

Dr. Nino Galetti, Tatjana Saranca, Nele Katharina Wissmann

Macrons Erinnerungsroute durch Frankreich

Unter dem Namen „Armistice“ erinnern die Franzosen alljährlich an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, der „Grande Guerre“, dessen Ende sich am 11. November zum 100. Mal jährt. Dieses Jahr sollen die Gedenkfeierlichkeiten zum Waffenstillstand besonders groß ausfallen: Staatspräsident Emmanuel Macron unternimmt eine Woche lang eine Gedenktour über die ehemaligen Kriegsschauplätze in Nordfrankreich.

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Ausgangspunkt der Gedenkreise war am Sonntag die elsässische Stadt Straßburg, wo Macron ge­meinsam mit dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier die deutsch-französische Aussöhnung im Rahmen der jährlichen Feierlich­keiten der „Rückkehr der Elsass-Region zu Frank­reich“ mit einem Konzert feierte. Weiter führt ihn seine Reise diese Woche durch die Départements Bas-Rhin, Moselle, Ardennes, Pas-de-Calais und Sommes entlang der deutschen und belgischen Grenze, wo Macron unter anderem in Verdun erwartet wird, sowie am Nationalfriedhof Notre-Dame-de-Lorette im Norden des Landes, wo mehr als 40.000 Soldaten begraben liegen. Zwei Regionen, elf Départements und 17 Städte stehen auf dem umfangreichen Programm des Präsidenten. Rund um die Uhr soll er dabei unterwegs im Einsatz sein und nicht nur an das Kriegsende erinnern, sondern auch Lokalpolitiker und die Menschen der Regionen treffen, wie der Elysée-Palast vorab informierte. Eine Rückkehr nach Paris ist in dieser Woche nicht vorgesehen.

Im Wald von Compiègne, wo am 11. November 1918 der Waffenstillstand unterzeichnet wurde, wird am 10. November gemeinsam mit Bundes­kanzlerin Angela Merkel eine Gedenkzeremonie stattfinden, die historischen Charakter hat: „Wir werden in die Fußstapfen von Helmut Kohl und François Mitterrand 1984 in Verdun treten", hieß es aus dem Elysée-Palast. Die Bilder von dem damaligen Kanzler und dem Präsidenten, die sich auf einem Soldatenfriedhof die Hand reichten, gingen um die Welt. Aus dem „Ort der Vergel­tung" werde so zugleich ein „Ort der Aus­söh­nung". Nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1940 hatten die deutschen Besatzer die Franzo­sen gezwungen, den Waffenstillstand auf der gleichen Lichtung im Wald von Compiègne zu unterschreiben, auf dem 1918 das Deutsche Reich seine Kapitulation besiegelt hatte. Dafür ließ Adolf Hitler eigens den Eisenbahnwaggon herbeischaffen, in dem der Erste Weltkrieg beendet worden war. Der Diktator wollte sich damit auch für die „Schmach" des Versailler Vertrags von 1919 rächen, mit dem die Alliierten den Deutschen harte Reparationsforderungen auferlegt hatten.

Zurück in die Gegenwart: Am 11. November 2018 um 11.00 Uhr werden in ganz Frankreich die Glocken läuten – zur Erinnerung an den Waffen­stillstand, der 1918 zu dieser Stunde in Kraft trat. Am Nachmittag desselben Tages wird Bundes­kanzlerin Angela Merkel in Paris die Eröffnungs­rede für ein seit Jahresbeginn geplantes „Pariser Forum für Frieden" halten, zu dem insgesamt 60 Staats- und Regierungschefs erwartet werden, darunter auch US-Präsident Donald Trump und der russische Staatschef Wladimir Putin. Russ­land kämpfte im „Großen Krieg“ an der Seite der beiden Entente-Mächte sowie der USA, die im Jahr 1917 in den Krieg eingetreten waren. Zuvor wird Macron am Triumphbogen in Paris, wo sich das Grabmal des unbekannten Soldaten befindet, eine Rede halten, gefolgt von einer Zeremonie.

Vom 11. bis zum 13. November wird schließlich das Friedensforum abgehalten, bei dem Experten und NGO-Vertreter gemeinsam mit den an­wesen­den Staats- und Regierungschefs sowie UN-Generalsekretär Antonio Guterres über innovative Lösungen für die Herausforderungen der heutigen Welt diskutieren wollen. Das Friedensforum gewinnt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Aufkündigung des INF-Abrüstungsabkommens durch die USA an Brisanz und Aktualität. Der US-Präsident Donald Trump und sein russischer Amtskollege Vladimir Putin werden diese Gelegenheit nutzen, um sich im bilateralen Format offiziell dazu auszutauschen. Die An­wesenheit des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko könnte Gelegenheit für weitere Gespräche im Normandie-Format bieten.

Emmanuel Macron trete mit den Feierlichkeiten rund um die „Armistice“ in die Fußstapfen seiner Vorgänger von de Gaulle bis Hollande, so ein Berater aus dem Elysée. Kein französischer Präsident habe jedoch bisher so viel Zeit auf das Gedenken des „Großen Krieges" verwendet. Auch lege Macron Wert darauf, aus dem nationalen Erinnern ein kollektives, europäisches Gedenken zu machen. Obwohl das siegreiche Ende des Ersten Weltkrieges für die Franzosen bis heute so konsensbildend ist wie kaum ein anderes histori­sches Ereignis, soll diesmal nicht der Sieg im Fokus der Gedenkfeierlichkeiten stehen, sondern die Mahnung, das menschliche Leid, das der Krieg gefordert hat, nicht vergessen zu lassen.

„Niemals wieder“, mit diesen Worten hat Macron seine Initiative schon zu Beginn des Jahres vor­gestellt. Diese Mahnung sei heute so aktuell wie damals, so Macron, denn auch das schreckliche Leid des Ersten Weltkrieges bewahrte die Menschheit nicht vor dem Zweiten. Tatsächlich habe die Demokratie nach 1918 an Boden verloren, Nationalismus und Totalitarismus „ergriffen ihre Chance, und der Zweite Weltkrieg war da. Dieses Risiko verfolgt uns“, mahnte der Präsident damals mit Blick auf aktuelle „Zweifel“ an der Demokratie und das Fehlen inter­nationaler Kooperation. „Wir dürfen niemals Schlafwandler in unserer Welt sein, lasst uns immer wachsam sein“, begründete er das Gedenkjahr, bezugnehmend auf den inzwischen weltweit bekannten Buchtitel des australischen Historikers Christopher Clarke, demzufolge die europäischen Spitzenpolitiker wie Schlafwandler in den Ersten Weltkrieg getaumelt sind.

„Macron will nicht die Geschichte umschreiben, sondern es allen Nationen ermöglichen, dieselben geschichtlichen Bezugspunkte zum Ersten Weltkrieg zu entwickeln“, so der Elysée. Davon zeugt auch die starke Einbeziehung Deutschlands in die Feierlichkeiten. Das Konzept habe man mit der Bundesregierung gemeinsam entwickelt. In der französischen Öffentlichkeit ist dieses Konzept nicht unumstritten. Insbesondere beim Militär und im national gesinnten Milieu wird die Umdeutung des 11. November kritisch gesehen.

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Dr. Nino Galetti

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