Die Wahlen 2019 und der Regierungswechsel 2020
Der Wahlsieg von Albin Kurtis Vetëvendosje fiel noch deutlicher aus als prognostiziert. Die absolute Mehrheit wird wohl nur knapp verpasst. Allerdings bleiben Fragen offen, für welche die Betrachtung der Vorgeschichte dieser Wahlen sinnvoll ist. Im Juli 2019 trat der damalige Premierminister Ramush Haradinaj wegen einer Anklage vor dem Kosovo-Sondertribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag zurück, so dass Neuwahlen notwendig wurden. Diese fanden am 06. Oktober 2019 statt und sah die Oppositionsparteien Vetvevendosje (Selbstbestimmung; linksnationalistisch) und LDK (Demokratische Liga des Kosovo; mitte-rechts) unter ihren Spitzenkandidaten Albin Kurti und Vjosa Osmani als Sieger. Nach über viermonatigen Verhandlungen einigte man sich auf eine gemeinsame Regierung mit Albin Kurti als Premierminister und der Altstipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung Vjosa Osmani als Parlamentspräsidentin. Viele (insbesondere junge) Kosovaren setzten große Hoffnungen in diese Regierung, da die Protagonisten einer jüngeren Politikergeneration angehören, nicht aus den „Kriegerparteien“ hervorgingen und sich glaubwürdig dem Kampf gegen Korruption und Schattenwirtschaft verschrieben. Dies insbesondere ausgedrückt durch die Tatsache, dass die bisher prägenden Parteien PDK (Demokratische Partei des Kosovo) und AAK (Allianz für die Zukunft des Kosovo), die man für Korruption und Ämterpatronage besonders verantwortlich macht, nicht mehr an der Regierung beteiligt waren.
Diese Koalition zerbrach allerdings bereits nach sieben Wochen wieder an internen Auseinandersetzungen (und wohl auch externer Einflussnahme), die jedoch klar im Konflikt Kurtis mit Präsident Thaçi, welche sich in starker gegenseitiger Abneigung verbunden sind, begründet waren. Die Hauptdifferenz bestand in unterschiedlichen Auffassungen zum Dialog mit Belgrad. Thaçi war offen für Vermittlungsvorschläge von US-Präsident Donald Trumps Sondergesandten Robert Grenell, welche auch die Frage eines Gebietsaustausches nicht ausschloss, was Kurti vehement ablehnte.
Neuwahlen wurden von Präsident Thaçi mit Verweis auf die beginnende Covid19-Pandemie abgelehnt, so dass unter Führung Avdullah Hotis von der LDK eine neue Regierung gebildet wurde, die unter anderem die Unterstützung der Partei AAK von Ex-Premier Haradinaj und der Serbische Liste erhielt. Die vormalige LDK-Spitzenkandidatin Vjosa Osmani trug diesen Koalitionswechsel nicht mit, blieb aber Parlamentspräsidentin. Der nur nach kurzer Amtszeit gestürzte Premierminister Kurti konnte sich seit dieser Zeit erfolgreich als Opfer von Intrigen der „alten“ politischen Kräfte des Landes und der Trump-Administration stilisieren, während er der LDK vorwarf, mit dieser zu paktieren. Dies ging einher mit der Darstellung, dass nur er und die Vetëvendosje für Neuanfang und Zukunftsperspektive im Kosovo stehen, was gerate in der jungen Generation des demographisch jüngsten Landes Europas, auf viel Resonanz stößt.
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