Asset Publisher

Raporte mbi situatën në vend

Rechtsstaatliche und -politische Entwicklungen im Kosovo

Sven-Joachim Irmer, Evelyn Klöss
Am 27. Oktober 2015 wurde das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) zwischen dem Kosovo und der Europäischen Union unterzeichnet. Für den Kosovo bedeutet das nicht nur der Start des EU-Integrationsprozesses, sondern auch die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit.

Asset Publisher

Seit September 2015 wird die Parlamentsarbeit im Kosovo von der Opposition boykottiert. Der Einsatz von Tränengas und Pfefferspray bei Parlamentssitzungen ist keine Seltenheit, während anhaltende Proteste die Spannungen im Land steigern.

Der Vorwand dieser Proteste sind die mit Serbien und Montenegro unterzeichneten Abkommen: Das erste Abkommen würde u.a. der serbischen Minderheit im Kosovo mehrere lokale Befugnisse einräumen und gleichzeitig eine „Gemeinschaft der serbischen Gemeinden“ schaffen, während das zweite Grenzänderungen vorsieht. Diese würden die Souveränität und Integrität des Kosovo gefährden.

Trotz starker innenpolitischer Unstimmigkeiten empfahl die EU-Kommission am 4. Mai 2016, ähnlich wie im Fall der Türkei, die Aufhebung der Visumspflicht für den Kosovo. Diese sollte bereits Ende Juni in Kraft treten, vorausgesetzt alle EU-Staaten und das Europaparlament stimmen dem zu.

Höchst unzufrieden war die Opposition ebenfalls über die im August 2015 beschlossene Verfassungsänderung. Diese ermöglichte die Einrichtung eines Sondergerichts für die Ahndung von Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskrieges des Kosovo (1998-1999). Es handelt sich dabei um schwere Verbrechen, die Mitglieder Befreiungsarmee (UÇK) an ethnischen Minderheiten und politischen Gegnern begangen haben sollen.

Unter Vermittlung der EU haben sich Kosovo und Serbien bereit erklärt einen Normalisierungsprozess zu beginnen. Dies soll eine Annäherung beider Länder untereinander und gleichzeitig an die EU ermöglichen.

Aktueller Stand der Justizreform

Seit 2008 funktioniert in Kosovo die Rechtsstaatlichkeitsmission der EU – EULEX. Diese hat beobachtende und beratende Funktionen und trägt sowohl durch Expertise und technische, als auch finanzielle Mittel zum Aufbau von Polizei, Justizwesen und Verwaltung bei. Das Mandat der Mission läuft am 14. Juni 2016 aus, weshalb deren Befugnisse nun Schritt für Schritt an die nationalen Behörden übertragen werden.

Weitere Instrumente die zur Schaffung eines unabhängigen, transparenten und professionellen Justizwesens beitragen sind die Strategie zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit im Kosovo 2016-2019, der Strukturierte Dialog über die Rechtsstaatlichkeit und – in einem allgemeinen Rahmen – das Indikative Strategiepapier 2014-2020 der EU.

Im April 2014 wurde ein umfangreicher Strategieplan für die Justiz 2014-2019 verabschiedet. Die Prioritäten der Strategie sind: (i) Aufbau von Vertrauen in das Justizwesen, (ii) Verbesserung der Justizverwaltung, (iii) Verbesserung des Zugangs zur Justiz, (iv) Förderung von Vertrauen und Anstand, und (v) Verbesserung der technischen und sonstigen Ausstattung der Gerichte. Der Strategieplan stellt ein wichtiges Managementinstrument für die Justizverwaltung dar. Ein Teil der vorgesehenen Maßnahmen wurden bereits umgesetzt, allerdings mangeln der Justizrat und der Rat der Staatsanwälte an Kapazitäten für eine vollständige Umsetzung.

Die zwei Räte sind laut Verfassung des Kosovo für die Gewährleistung einer unabhängigen und unparteilichen Justiz zuständig. Der Justizrat übernimmt u.a. die Rekrutierung, Nominierung und Disziplinarbehandlung von Richtern, sowie auch die gerichtliche Inspektion, die Verwaltung und Planung des Gerichtswesens.

Problematisch ist nicht nur die Zusammensetzung des Justizrates (s.u.), sondern auch der Mangel an klaren Regeln für den Ablauf der Disziplinarverfahren im Fall von Richtern und Staatsanwälten. Diese gefährden die Unabhängigkeit der Justiz und der einzelnen Richter bzw. Staatsanwälte.

Bekämpfung der Korruption

Kosovo hat in den letzten Jahren bereits einen wichtigen Teil des gesetzlichen Rahmens für die Korruptionsbekämpfung verabschiedet. Die hierfür erforderlichen Institutionen und Instrumente wurden weitgehend aufgestellt, allerdings stehen konkrete Ergebnisse noch aus.

Die Antikorruptionsagentur (AKA) wurde 2006 gegründet und ist in rechtlichem Sinne eine Verwaltungsbehörde. Diese überwacht die Umsetzung sowohl des Gesetzes zur Prävention von Interessenkonflikten in der Ausübung eines öffentlichen Amtes, als auch des Gesetzes über die Vermögenserklärung für Beamte. Da für die AKA keine Ermittlungsbefugnisse vorgesehen sind, übernimmt diese hauptsächlich die Einführung und Beachtung von Präventionsmaßnahmen und die administrative Untersuchung verdächtiger Korruptionsfälle.

Die AKA überwacht ebenfalls die Umsetzung der Antikorruptionsstrategie 2013-2017 und des dazugehörenden Aktionsplans. Die Strategie verfügt über unzureichende Finanzierung und mangelt an klaren Wirkungsindikatoren.

Institutionell relevant sind ebenfalls die Direktion für die Ermittlung von Wirtschaftskriminalität und Korruption (Teil der Polizei des Kosovo), der Nationale Antikorruptionsrat und der Nationale Antikorruptionskoordinator (Verwaltungsbehörden). Diese üben unterschiedliche Funktionen in der Ermittlung, Beratung und Berichterstattung im Kampf gegen die Korruption aus, wobei konkrete Ergebnisse in dieser Hinsicht noch ausstehen.

Für den weiteren Ablauf des Integrationsprozesses fordert die EU stärkere Bemühungen in der Korruptionsbekämpfung auf hoher Ebene. Rechtskräftige Ermittlungen und Verurteilungen würden in dieser Hinsicht einen tatsächlichen Fortschritt darstellen.

Unabhängigkeit der Justiz

Der Grundsatz der unabhängigen Justiz wird in Art. 102 (2) der Verfassung verankert. Der Justizrat sichert laut Art. 108 die Unabhängigkeit, Professionalität und Unparteilichkeit der Gerichte.

Sowohl der Justizrat, als auch der Rat der Staatsanwälte haben eine gemischte Zusammensetzung. Der Justizrat hat insgesamt 13 Mitglieder, von denen fünf von und aus den Reihen der Richterschaft gewählt und acht vom Parlament ernannt werden (von diesen müssen mindestens vier ebenfalls Richter sein). Dies führt zwangsläufig zu politischer Einflussnahme und gefährdet stark die Unabhängigkeit des gesamten Justizsystems. Eine Änderung der Zusammensetzung ist nur mit einer entsprechenden Verfassungsänderung möglich. Die Zusammensetzung des Rates der Staatsanwälte konnte 2015 gesetzlich geändert werden – dieser besteht nun aus 13 Mitgliedern: 10 davon werden von und aus den Reihen der Staatsanwälte gewählt, die restlichen drei werden ferner vom Parlament ernannt. Dies soll künftig mögliche Versuche der unerlaubten Einflussnahme seitens der Politik zurückdrängen.

Die Zuweisung von Gerichtsverfahren nach dem Zufallsprinzip erfolgt noch nicht elektronisch und ist deshalb unrechtmäßiger Manipulation ausgesetzt.

Herausforderungen des Justizwesens

Das Justizwesen in Kosovo weist weiterhin strukturelle Schwachstellen auf, deren Behebung ein politisches Einvernehmen voraussetzt. Es ist ebenfalls erforderlich, dass eine unabhängige Funktionsweise der Justizverwaltung gesetzlich und tatsächlich gewährleistet wird. Zudem müssen ebenfalls ein Kapazitätenausbau bei Gerichten und Staatsanwaltschaften und die Ernennung professioneller und kompetenter Personen in Führungspositionen erfolgen.

Asset Publisher

comment-portlet

Asset Publisher