Nacionalni izveštaji
Als Hosni Mubarak am 11. Februar 2011 nach 30 Jahren Herrschaft über Ägypten zurücktrat, waren die Hoffnungen auf politische, soziale und wirtschaftliche Verbesserungen groß. Ein knappes Jahr später sehen sich führende Köpfe des alten Regimes vor Gericht gestellt, viele neue politische Kräfte konnten sich etablieren, und das Land hat die wohl fairsten und freisten Parlamentswahlen seit langem erlebt. Doch es wurden auch viele Erwartungen enttäuscht. Die eigentlichen Initiatoren der Anti-Mubarak-Proteste sind politisch marginalisiert und im neuen Parlament kaum vertreten. Liberale und Christen machen sich angesichts einer deutlichen Zweidrittelmehrheit der Islamisten im neuen Parlament Sorgen um politische, gesellschaftliche und religiöse Freiheiten. Repressalien, Willkür und Einschüchterungen von Opposition, Zivilgesellschaft und unabhängigen Medien sind an der Tagesordnung. Die breite Bevölkerung beschäftigt am Jahrestag der Revolution allerdings vor allem Fragen der materiellen Grundversorgung und Sicherheit.
Ausbleibende Revolutionsdividende
Die wirtschaftliche Lage Ägyptens hat sich seit dem Sturz Mubaraks deutlich verschlechtert. Der Tourismus ist nach offiziellen Angaben um ca. 30 Prozent zurückgegangen, die Einnahmen aus dem Tourismusgeschäft sollen noch stärker gesunken sein. Ausländische und ägyptische Investitionen sind 2011 weitgehend ausgeblieben. Streiks und lokale gewaltsame Auseinandersetzungen lähmen Unternehmen und Infrastruktur. Gleichzeitig schmelzen die Devisenreserven des Landes rapide ab und werden bald erschöpft sein (Al Masry Al Youm vom 19. Januar 2011). Die Folgen dieser Entwicklungen sind überall zu spüren. Vor Tankstellen bilden sich lange Schlangen, die in Ägypten allgegenwärtigen Butangas-Flaschen sind oft nicht zu bekommen, die Preise für Grundnahrungsmittel steigen.
Jede neue Regierung sieht sich daher vor der Herausforderung, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu sichern und neues Geld ins Land zu holen. Investitionen und Touristen kommen allerdings erst, wenn sich die Sicherheitslage deutlich verbessert. Die Aufrechterhaltung der enormen Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie verschlingen einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes. Ein auch nur gradueller Abbau dieser Subventionen wäre eine offene Provokation für einen Großteil der Bevölkerung, die sich schon jetzt um ihre „Revolutionsdividende“ betrogen fühlt. Die dringend benötigten Kredite von westlichen und arabischen Staaten sowie vom Internationalen Währungsfonds sind innenpolitisch unpopulär, insbesondere wenn sie an politische Bedingungen geknüpft sind.
Zweifel am Demokratisierungsprozess
Auch der Demokratisierungsprozess sieht sich ein Jahr nach Beginn der Proteste gegen das Mubarak-Regime vor enormen Herausforderungen. Mindestens 12.000 Zivilisten sollen seit Februar 2011 in Schnellverfahren vor Militärgerichten zu teils hohen Haftstrafen verurteilt worden sein. Die Freiheit der Medien ist weiterhin eingeschränkt. Blogger und Journalisten werden eingeschüchtert und zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Arbeit behindert. Brutalität und Willkür von Sicherheitsbehörden sind nach Medienberichten längst wieder Alltag. Gleichzeitig nehmen Übergriffe auf Minderheiten und gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Interessengruppen und Familienclans zu.
Viele Ägypter sehen auch das neue Parlament mit gemischten Gefühlen. In den Stolz auf die erste freien Wahlen und die erste repräsentative Volksvertretung seit vielen Jahrzehnten mischen sich Zweifel an den tatsächlichen politischen Kompetenzen des neuen Parlaments – und an den Kompetenzen seiner Mitglieder, die zum Großteil politisch völlig unerfahren sind (Al-Shorouk vom 24. Januar 2012). Auch bis auf weiteres ist es das Militär, das Gesetze erlässt, Minister ernennt und die politischen Geschicke des Landes lenkt (Al Masry Al Youm vom 23. Januar 2012). Viele Beobachter bezweifeln, dass die derzeitigen Machthaber wirklich bereit und fähig sind, die politischen Geschicke des Landes tatsächlich in die Hände einer zivilen Regierung zu übergeben. Hinter verschlossenen Türen ist stattdessen von einem Szenario die Rede, in dem sich Militärs und Muslimbrüder auf eine stillschweigende Machtteilung einigen könnten. Während die wirtschaftlichen Privilegien der Militärs weitgehend erhalten blieben und die Generäle ein Vetorecht in entscheidenden politischen Grundfragen eingeräumt bekämen, könnten die Muslimbrüder bzw. die Akteure des gemäßigt-islamistischen Lagers in diesem Szenario das politische Tagesgeschäft des Landes weitgehend bestimmen.
Zeitplan mit Fragezeichen
Ob dieses Szenario tatsächlich realistisch ist, wird sich in den nächsten Monaten abzeichnen. Nach dem vom Militärrat vorgelegten Zeitplan soll die derzeitige Übergangsphase bis zum 1. Juli 2012 mit der Machtübergabe an einen gewählten Präsidenten abgeschlossen sein. Die Umsetzbarkeit dieses Zeitplans ist jedoch mit vielen Fragezeichen versehen. Nachdem das Unterhaus des ägyptischen Parlaments am 23. Januar zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentraf, steht im Februar zunächst die Wahl bzw. Benennung des weitgehend machtlosen Oberhauses, der sog. Schura, an. Beide Kammern des Parlaments bestimmen dann gemeinsam die 100 Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung. Die neue Verfassung soll dann noch vor den Präsidentschaftswahlen im Juni erarbeitet und dem Parlament zu Abstimmung vorgelegt werden. Angesichts der Vehemenz der bisherigen Verfassungsdiskussion bezweifeln die meisten Beobachter, dass dieser enge Zeitplan tatsächlich eingehalten werden kann.
Schwieriges Jubiläum
Angesichts der beschriebenen wirtschaftlichen und politischen Lage sehen viele Ägypter dem Jahrestag des Beginns der Demonstrationen gegen das Mubarak-Regime mit gemischten Gefühlen entgegen. 54 Oppositionsgruppen haben zu Demonstrationen aufgerufen und fordern einen Boykott der offiziellen Feierlichkeiten, die mit Feuerwerk und militärischem Zeremoniell im größten Kairoer Stadion begangen werden sollen. Um Störungen der offiziellen Feierlichkeiten zu begegnen, hat die Übergangsregierung angekündigt, mit Härte und Entschlossenheit gegen „Unruhestifter“ und „Gewalttäter“ vorzugehen. Nach Angaben der Zeitung Al Masry Al Youm (vom 24. Januar 2012) sollen hierzu eigens Spezialkräfte ausgebildet worden sein, die vor Ort scharfe Munition und „markierende Chemikalien“ einsetzen dürfen. Der Innenminister versicherte hingegen, dass die Polizei Menschenrechte achten sowie Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit gewährleisten werde.
Viele Kommentatoren haben allerdings Zweifel, dass die Opposition zum ersten Jubiläum der Revolution tatsächlich die angekündigten „Hunderttausende“ auf Ägyptens Straßen bringen kann. Zu einer derartigen Mobilisierung breiter Bevölkerungsschichten wäre nach wie vor nur die Islamisten in der Lage. Und diese üben sich in auffälliger Zurückhaltung. Vor allem die Muslimbruderschaft sieht sich nach ihrem überwältigenden Wahlsieg auf dem Weg zur politischen Macht und will einen Spagat zwischen Oppositionsrolle und politischer Verantwortung vermeiden (Al Ahram Weekly vom 12. Januar 2012). Sie weiß auch hierbei die Mehrheit der Ägypter hinter sich. Gerade unter der einfachen Bevölkerung haben viele sowohl von der Revolution als auch vom alten Regime die Nase voll und wollen endlich eine spürbare Verbesserung der Lebenssituation und Sicherheitslage im Land sehen. Hier stört es deshalb auch kaum jemanden, dass Ägypten am 25. Januar 2012 offiziell nicht den Jahrestag des Beginns der ägyptischen Revolution sondern immer noch den „Tag der Polizei“ feiert.
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