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Regierungsbildung in Slowenien und ihre Auswirkungen in der Innen- und Außenpolitik

од Holger Haibach, Alena Beram, Marko Prusina
Nach einem klaren Sieg bei den slowenischen Parlamentswahlen am 24. April 2022 mit rund 34% der Stimmen und 41 Mandaten ist Golobs‘ grüne, linksliberale Freiheitsbewegung Gibanje Svoboda in einer Koalition mit den Sozialdemokraten und Linken nun mit den Regierungsgeschäften beauftragt. Damit löst der ehemalige Direktor eines staatlichen Stromhandelsunternehmens Robert Golob den rechtskonservativen Ministerpräsidenten Janez Janša in seiner dritten Amtszeit ab, dessen Slowenische Demokratische Partei (SDS) bei den Wahlen rund 23,5% der Stimmen holte.

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Sloweniens Parlament bestätigte am Abend des 25. Mai 2022 den grün-liberalen Ex-Topmanager Golob als neuen Regierungschef. In einer geheimen Wahl stimmten 53 von 85 anwesenden Parlamentariern für Robert Golob; damit wurde die notwendige absolute Mehrheit von 46 Stimmen – insgesamt zählt das slowenische Parlament 90 Sitze - erreicht. 28 Abgeordnete der beiden konservativen Oppositionsparteien NSi und SDS stimmten gegen den politischen Neuling, ein Stimmzettel war ungültig. Der neue Ministerpräsident kann auch mit der Unterstützung beider Abgeordneter der italienischen und ungarischen Minderheiten rechnen, die üblicherweise mit der jeweiligen Koalition kooperieren. Seit Mittwoch, dem 01. Juni 2022, steht nun auch die 15. slowenische Regierung unter der Führung Golobs fest.

Zusammensetzung der neuen Regierung

Rund sechs Wochen nach den Parlamentswahlen tritt die neue Regierung ihr Amt an. In einer außerordentlichen Sitzung der slowenischen Nationalversammlung haben Abgeordnete die 17-köpfige Ministerriege der Regierung Golob bestätigt. Das neue Kabinett umfasst fünf Parteien und soll nach gesetzlicher Verankerung des neuen Regierungszuschnitts auf 20 Ministerinnen und Minister ausgeweitet werden, davon drei ohne Ressort. Hinzukommen werden drei weitere, neu gebildete Ministerien: Das Ministerium für Klima und Energie, das Ministerium für Hochschuldbildung, Wissenschaft und Innovation sowie das Ministerium für solidarische Zukunft. Diese Anzahl an Ministerien ist einmalig in der politischen Geschichte des Landes und zeugt von der Fokussierung der neuen slowenischen Führung auf Wissenschaft und Solidarität.
Die Regierungskoalition setzt sich aus Golobs‘ Freiheitsbewegung (GS), den Sozialdemokraten (SD) und der Linken (Levica) zusammen; insgesamt stellen sie 53 der 90 Abgeordneten in der Nationalversammlung. Darüber hinaus schließt die Koalition auch die kleineren Mitte-links Parteien LMŠ unter der Führung von Marjan Šarec und die SAB unter Alenka Bratušek ein; beide Parteivorsitzende bekleideten in der Vergangenheit bereits das Amt des Regierungschefs, scheiterten jedoch bei den Parlamentswahlen im April mit unzureichenden Ergebnissen und verpassten infolge der 4% - Hürde auf nationaler Ebene den Parlamentseinzug (LMŠ mit 3,72%, SAB mit 2,61% der Stimmen).
Ungeachtet dieser Ergebnisse nimmt Marjan Šarec nichtsdestotrotz das Amt des Verteidigungsministers in der neuen Regierung ein; Alenka Bratušek wird nach der Regierungsumbildung das Ressort für Infrastruktur leiten. Tanja Fajon, Vorsitzende der Sozialdemokraten und bisherige EU-Abgeordnete, ist Außenministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin.    
Die Vorsitzende der Linken, Luka Mesec, ist neben Fajon ebenso stellvertretende Ministerpräsidentin und leitet zunächst das Ministerium für Arbeit, Familie, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit. Regierungschef Golob entsprach sogar dem Wunsch des Levica-Vorsitzenden nach einem neuen Ministerium für solidarische Zukunft. Dieses soll Generationensolidarität, Wohnungswesen und Wirtschaftsdemokratie umfassen und wird von Mesec geleitet werden; seine aktuelle Position ist vorübergehender Natur.
Ministerpräsident Golob bewahrt die Führungsspitzen der anderen Mitte-links und links-liberalen Parteien durch ihre Einbindung in die Regierung so auch vor parteiinterner Konkurrenz, denn durch das schlechte Abschneiden bei den Parlamentswahlen stehen sowohl Fajon als auch Mesec in der Kritik. Umso bemerkenswerter ist die Besetzung der Minister- und Ressortposten seitens Golob.

Eine linksliberale Koalition

Der neue Ministerpräsident wäre rechnerisch nicht auf eine große Mitte-links / linksliberale Koalition zur Mehrheitsbildung angewiesen. Dennoch könnte es hierfür zwei mögliche Gründe geben. Zum einen kann man die Freiheitsbewegung Gibanje Svoboda – Robert Golob eingeschlossen - als politischen Newcomer bezeichnen. Dem neuen Regierungschef fehlen also erfahrene Politiker und Expertise in seinen eigenen Reihen. Durch Einbindung beispielsweise der Parteivorsitzenden und Ex-Regierungschefs Bratušek und Šarec, die jetzt das Verteidigungsministerium und später das Ressort für Infrastruktur leiten, sichert Golob Schlüsselpositionen mit erfahrenen Sachkundigen ab. Besetzt man Ämter indes mit neuen Gesichtern, birgt dies stets ein Risiko, da sich politische Fähigkeiten erst noch herausstellen und überzeugen müssen. Die ehemaligen Regierungschefs hingegen verfügen über Erfahrung und politisches Know-How.
Zum anderen lässt sich dahinter ein strategischer Zug vermuten. Da im kommenden Herbst Lokalwahlen stattfinden, könnten die Mitte-links Parteien eine Konkurrenz für die GS darstellen - denn diese verfügen über gefestigtere Netzwerke und Infrastrukturen, die die Freiheitsbewegung als Neuling auf der politischen Bühne erst noch auf- und ausbauen muss. Medienberichten zufolge wird auch über eine mögliche Fusionierung der LMŠ und SAB mit der GS spekuliert. In diesem Fall bestünde die Möglichkeit einer künftigen großen, konsolidierten linksliberalen Partei wie die LDS (Liberale Demokratie Slowenien) es einst unter der Führung von Janez Drnovšek war. Sie stellte mit kurzer Unterbrechung von den frühen 90er Jahren bis zum Jahr 2004 den Premierminister und dominierte die slowenische Politik in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit. Sollte die LDS als Vorbild dienen, wäre die Fusionierung kein schlechter Schachzug – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass beide konservative Oppositionsparteien bei den Parlamentswahlen ein Plus an Stimmen verzeichneten und sowohl die nationalkonservative SDS von Ex-Premier Janša als auch die christdemokratische NSi unter der Führung des ehemaligen Verteidigungsministers Tonin jeweils zwei bzw. einen Sitz dazugewinnen konnten.
Ein dritter Grund dürfte in der ebenfalls im Herbst stattfindenden Präsidentschaftswahl liegen, bei der für die Golob-Bewegung deren stellvertretende Vorsitzende Marta Kos (Marko) antreten wird. Frau Kos, die als Diplomatin Slowenien unter anderem in Deutschland und in der Schweiz vertreten hat, werden gute Chancen ausgerechnet, vor allem deshalb, da Präsident Pahor nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten kann. Auch hier wäre die Unterstützung der nun an der Koalition beteiligten Parteien natürlich hilfreich.

Koalitionsvertrag und Prioritäten der Legislaturperiode

In der kommenden Amtsperiode will Golob mit seiner links-liberalen Regierung den Aufbau eines sozial gerechten, wissensbasierten und solidarischen Staates fokussieren und dabei prioritär Probleme und die Digitalisierung im Gesundheitswesen angehen, den Wohlfahrtsstaat modernisieren und grüne Klimapolitik betreiben. Eine freie, offene und rechtsstaatlich organisierte Gesellschaft soll gefördert, Investitionen in neue Generationen von Nukleartechnologie getätigt und Unternehmenssteuern reformiert werden. Darüber hinaus ist die Aufstockung des Verteidigungshaushaltes und der Abbau der Barriere an der Grenze zu Kroatien geplant.
Der Koalitionsvertrag umfasst zudem die Schaffung eines Mindestlohns von 800 Euro netto und eine Mindestrente von 700 Euro und die Zusammenlegung der verpflichtenden und freiwilligen Krankenversicherung in einer Gesundheitsreform. Darüber hinaus soll es den Arbeitgebern verboten werden, Arbeitnehmer außerhalb ihrer Arbeitszeit zu kontaktieren und eine Reduzierung der Arbeitszeit von 40h auf schrittweise 30h pro Woche soll erfolgen. Dem Koalitionsvertrag zufolge sollen innerhalb von acht Jahren mindestens 20.000 Mietwohnungen in öffentlicher Hand gebaut werden; aber auch Vermietungen zu touristischen Zwecken soll in Gebieten mit knappem Wohnraum begrenzt werden.
Ein weiteres Thema ist das Kernkraftwerk Krško –dies ist auch wichtig für das Nachbarland Kroatien, da das Kraftwerk von beiden Ländern gemeinsam betrieben wird und es Interesse am Bau eines zweiten Reaktorblocks gibt. Die Golob-Regierung will auf einer kohlenstofffreien Gesellschaft – gestützt durch Atomkraft – aufbauen. Die Koalitionspartner verpflichten sich zur Transparenz, Unabhängigkeit und Achtung des Volkswillens in Bezug auf Investitionsent-scheidungen Krško betreffend.
Allerdings gibt es auch Unmut über die Vorhaben der neuen grün-links-liberalen Regierung: So stellen sich Wirtschaftstreibende vor allem gegen die geplante Vermögenssteuer. Ärztinnen und Ärzte sollen künftig keine zweite, private Betätigung ausüben dürfen, was die Situation um Termin-Wartezeiten im Land noch weiter verschlechtern dürfte. Schließlich wird auch finanzieller Druck eine Herausforderung für die neue Regierung sein: Die noch vom Kabinett Janša III eingeführte Regulierung der Kraftstoffpreise wird ihren Handlungsspielraum einschränken.

Insgesamt lassen sich im Regierungsprogramm der neuen Koalition also grüne und linke Akzente wiedererkennen – so etwa die Etablierung eines Klimaministeriums und die Anhebung des Mindestverdiensts bzw. der Mindestrente.

Sloweniens Neuorientierung im europäischen Raum?

Die Chefin der Sozialdemokraten, Tanja Fajon, bekleidet als erste Frau in Slowenien das Amt der Außenministerin und kündigte bereits am Montag eine engere, europapolitische Neuorientierung Sloweniens an den westlichen EU-Staaten an. So wolle man die engen Beziehungen, die Janšas Kabinett zu Ungarn und Polen pflegte, nicht in der gleichen Intensität weiterführen und sich künftig wieder am Kern der EU orientieren. Das Land solle wieder für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit stehen, so die Sozialdemokratin und Außenministerin Fajon.

Außenpolitische Beziehungen zu Kroatien

Außenpolitisch steht auch die Beziehung zum Nachbarland Kroatien im Fokus: So gab Tanja Fajon bei ihrer Antrittsrede bekannt, den Druck auf Kroatien zu erhöhen, um die Entscheidung des Schiedsgerichtes den Grenzverlauf betreffend umzusetzen. Der Schiedsspruch aus dem Jahr 2017 im Grenzgebiet müsse respektiert werden, so Fajon. Dies deutet das Ende der nachbarschaftlichen „Idylle“ an, da Janšas’ Kabinett die Entscheidung des Schiedsgerichtes zugunsten einer diplomatischen Lösung zurückgestellt hatte.
Auch den geplanten Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum thematisierte die Außenministerin. Generell müsse Schengen so schnell wie möglich erneuert werden und es brauche transparente und klare Regeln zur Einreise. Man unterstütze zwar die Mitgliedschaft Kroatiens in der Eurozone sowie die Ausweitung des Schengen-Raums, sofern das Land die Beitrittskriterien erfülle, doch zuerst sei eine umfassende Reform nötig, so Fajon.

Slowenien im Superwahljahr

Die Parlamentswahlen des 24. April bildeten den Auftakt zum slowenischen Superwahljahr 2022. Später im Jahr finden dann Kommunalwahlen sowie die Wahl des slowenischen Staatspräsidenten statt.

Insofern haben die Parlamentswahlen erste Anzeichen für den weiteren Verlauf des Wahljahres gegeben. Wer allerdings die Volatilität und die Kompliziertheit der slowenischen Politik kennt, weiß, dass sich die Verhältnisse ebenso schnell wieder ändern können, wie sie gerade zu sein scheinen.

Hinsichtlich der neuen Regierung bleiben zwei Dinge abzuwarten. Zum einen die Frage, wie viel des neuen Regierungsprogramms tatsächlich Substanz hat und wo es sich um bloße Worthülsen handelt. In diesem Zusammenhang wird auch interessant sein zu sehen, was von alledem im Hinblick auf finanzielle Engpässe und Zwänge der Tagespolitik umsetzbar ist. Zum anderen wird die Dynamik in der Koalition zu beobachten sein: Wie wird sich eine Koalition zurechtfinden, die von der eher wirtschaftsliberalen Golob-Bewegung bis hin zu einer Linken reicht, die der Wirtschaft eher ablehnend gegenübersteht? Wie wird eine Regierung funktionieren, in der zwei ehemalige Premierminister einem neuen gegenüberstehen? Ähnliche Konstellationen hatte es bereits in der Vergangenheit gegeben, aber nun sind beide ohne eigene im Parlament vertretene Parteien im Amt.

Es bleibt also abzuwarten, wie sich das Jahr 2022 weiterentwickelt.

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Holger Haibach

Holger Haibach

Leiter des Auslandsbüros Kroatien

holger.haibach@kas.de +385 1 4882-650 +385 1 4882-656

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